Melancholia von links

#60 Melancholia, Frühling 2022

Seufz. Nach zwei Jahren Pandemie scheint das Thema des aktuellen Heftes naheliegend: Melancholie. Es bedrücken nicht nur die Toten und das Festhalten an Impfpatenten und den Privatisierungen des Gesundheitssystems. Auch der Zustand der Linken ist kein Quell der Freude. Aber die gepflegte Schwermut hat selbstverständlich ihre präpandemische Tradition im linken Diskurs, wurde auch in der Kunst lange mit dem Genie-Kult verknüpft und, das lässt aus aller Niedergeschlagenheit zumindest kurz aufblicken, die Melancholie hat ihre Feindinnen und Feinde! Jacques Rancière, der Philosoph, ist so einer, er hasst die „Melancholie von links“,... mehr

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… Kränkungen und Scham aus der Einsamkeit des Persönlichen zu befreien …

Melancholia (von links) im Gespräch mit Ivana Pilić und Berthold Molden

Bildpunkt: Der Historiker Enzo Traverso versucht, kurz gesagt, die Melancholie angesichts historischer Niederlagen der Linken als Kraft für neue, utopische Entwürfe stark zu machen. Ganz allgemein gefragt: Seht ihr melancholische Aspekte des Politischen und wenn ja, wie seht ihr sie? B. M.: In jenen Zeiten, als sozialistische, kommunistische, anarchistische Bewegungen sich machtvoll entwickelten, sprachen linke...mehr

„Schaffe ich das?“

Bei allen theoretischen Diskursen, die auf einer Kunstuni so rumgegeisterten, damals war Poststrukturalismus ziemlich en vogue, habe ich mir seinerzeit als Studentin die wichtigsten Vertreter:innen und deren wichtigste Thesen gemerkt. Damit bin ich auch zu 90% ganz gut gefahren. Kaum ein Mensch merkte je und eigentlich bis heute, dass ich davon so gut wie keine...mehr

Trübsal macht stark

Enzo Traversos "Linke Melancholie", verlorene Zukünfte und hoffungsvolle Vergangenheiten Felix

Es dürfte ein trauriger Allgemeinplatz unter europäischen, überhaupt westlichen Linken sein, dass ihre eigene politische Strömung in all ihren Verästelungen heute in historischem Ausmaß schwach ist, ja dass emanzipatorische Bewegungen kaum noch Stoßkraft besitzen, gesellschaftliche Verhältnisse zu verändern. Manche diagnostizieren dabei einen Verlust der Zukunft, wie etwa der 2017 an seiner depressiven Erkrankung verstorbene britische...mehr

Schwarze Trauer, radikale Politik

1939 performte die Jazzsängerin Billie Holiday in New York erstmals ihren weltweit bekannten Song Strange Fruit. Der Text kreist um die grausame Praxis der Lynchmorde an Schwarzen in den Südstaaten zu dieser Zeit. Tempo und Stimme sind von der Trauer, die das Thema in der Black Community in dieser Zeit auslöste, gezeichnet. Das Lied ist...mehr

Die Zukunft realisieren: Erinnerungsaktivismus im sozialen Aufstand in Chile

„Diejenigen, die ein Gedächtnis haben, können in der fragilen Gegenwart leben. Diejenigen, die keines haben, leben nirgendwo.“ Mit diesem Satz eröffnet der Regisseur Patricio Guzmán seinen Dokumentarfilm Nostalgia de la luz (2010). ­Darin bringt er zwei Themen und Zeiten zusammen, die in der nordchilenischen Atacamawüste koexistieren: Während Astronom*innen in Observatorien den Himmel beobachten, suchen Hinterbliebene...mehr

Melancholia von links im Buch

Wirklich historisches Denken muss auch das Ende des ­Kapitalismus in Betracht ziehen, ohne dass ihm deshalb notwendigerweise der Kommunismus folgt. Das meint die Sozialtheoretikerin McKenzie Wark und plädiert für „ein Ende der Links-Melancholie, dieser ewigen Traurigkeit über den ewigen Kapitalismus“. Statt Kommunismus ist laut Wark aber längt etwas Schlimmeres im Gange, das Kapital selbst wurde...mehr

Melancholie: eine Zu_tat für verbindende Wege aus der sozio-ökologischen Krise

Wir leben in einer alles entscheidenden Dekade. Was in den kommenden Jahren in Sachen Klima- und Umweltschutz passiert (oder nicht passiert), bestimmt maßgeblich den weiteren Verlauf der vielschichtigen sozio-ökologischen Krisen, in denen der Planet Erde und seine Bewohner:innen sich befinden. Massensterben vielfältiger Lebewesen und Ökosysteme, vermehrte Katastrophen, Ressourcenknappheiten und scheinbar alles durchdringende, systemreproduzierende Ausbeutungsverhältnisse: Tragweite,...mehr

Melancholie als Modus feministischer Kritik

„How do you throw a brick through the window of a bank if you can’t get out of bed?“ – diese zentrale Frage aus Johanna Hedvas Sick Woman Theorie führt uns direkt auf den Kampfplatz feministischer Auseinandersetzungen mit Melancholie. Vom Bett also nicht zum Entglasen der Bank, aber doch zum „Kampfplatz“? Wirklich? Militaristische Metaphorik gleich...mehr

Kunst- und Kulturpolitik

Das Fairnessdilemma der Kulturpolitik

„Die natürliche Verteilung ist weder gerecht noch ungerecht … Es handelt sich einfach um natürliche Tatsachen. Gerecht und ungerecht ist der Umgang der Institutionen mit diesen Tatsachen.“ Als Reaktion auf die Covid-Krise hat Kunst- und Kulturstaatssekretärin Andrea Mayer im Herbst 2020 den „Fairness-Prozess“ gestartet. In dem beim Fairness-Symposium im September 2021 publizierten Zwischenbericht ist folgende...mehr

Raum für Alle! Und bedingungsloses Grundeinkommen

Im öffentlichen Raum zeigt sich das gesellschaftliche Zusammenleben und die Kultur einer Stadt. Es stellt sich also die Frage, wer wie viel Platz einnimmt und und wer woran teilhat. Aktuell rückt diese Frage immer mehr in den Hintergrund, denn in Zeiten der Pandemie werden Menschen in ihre privaten Räume zurückgedrängt und der Zugang und die...mehr

Zu einem Preis

Zur Utopie der NFT-Kunst

Im Taumel jener aktuellen Tech-Utopie, der erneut das Versprechen einer Demokratisierung und Dezentralisierung des Internets durch das Web 3.0 innewohnt, fluten seit über fünf Jahren content creators (wie sich viele NFT-Produzent_innen selbst bezeichnen) mit einer vermeintlich neuen Gattung künstlerischer Arbeiten einen digitalen, auf Kryptowährung basierenden Markt und die sozialen Medien. Eine breitere mediale Aufmerksamkeit für...mehr