Die Auseinandersetzung mit Kulturentwicklungsprozessen ist gerade in Krisenzeiten von entscheidender Bedeutung, da sie nicht nur zur Stärkung der Kunst- und Kulturszene beiträgt, sondern – richtig eingesetzt – auch als wirksames politisches Instrument zur Lenkung gesellschaftlicher Umbrüche wirkt.
Das Land Kärnten hat 2024 die Erarbeitung der Kunst- und Kulturstrategie 2030 begonnen. Damit wurde ein auf zweieinhalb Jahren angelegter, partizipativer Prozess gestartet. Zugleich legte die IG KiKK ihren Arbeitsschwerpunkt auf Kulturentwicklung und begleitet den Prozess mit ihrer Expertise. Der folgende Text beleuchtet, wie Kulturentwicklung umgesetzt wird und warum dieses Instrument von vielen unterschätzt wird.
Effektive Kulturstrategien entwickeln
Eine Kulturstrategie umfasst die strategische Planung der kulturellen Entwicklung in einem bestimmten geografischen Gebiet. Ihr Hauptziel ist es, Potenziale für das kulturelle Angebot einer Region zu erkennen und diese in einem langfristigen Entwicklungsprogramm festzulegen. Dabei geht es nicht darum, Kultur selbst zu planen, sondern einen Rahmen zu schaffen, der die Entfaltung eines vielfältigen und lebendigen kulturellen Angebots fördert. Um eine erfolgreiche Kulturstrategie zu entwickeln, sind grundlegende Schritte notwendig.
An erster Stelle jeder Strategieentwicklung stehen klare und messbare Ziele. Diese müssen sowohl quantitativer als auch qualitativer Natur sein, um den Fortschritt dokumentieren und bewerten zu können. Um aus den Zielen realistische und umsetzbare Maßnahmen abzuleiten, ist eine gründliche Analyse der aktuellen Situation wichtig. Die erfolgreiche Identifikation von Stärken, Schwächen, Chancen und Risiken gibt Anhaltspunkte für inhaltliche Auseinandersetzungen.
Ein zentrales Element eines jeden kulturpolitischen Prozesses ist die Partizipation. Die Einbindung der relevanten Akteur:innen, von Kulturtätigen aus den unterschiedlichen Bereichen und Einrichtungen über die breite Öffentlichkeit bis hin zu politischen Entscheidungstragenden, ist entscheidend für den Erfolg. Diese Stakeholder können mit ihren unterschiedlichen Perspektiven und Bedürfnissen zur Vielfalt und Qualität beitragen. Ein positiver Nebeneffekt ist auch, dass Personengruppen zusammenkommen, die davor weniger Anknüpfungspunkte miteinander hatten – etwa wenn auch Vertreter:innen aus Wirtschaft und Tourismus in Kulturstrategien eingebunden werden.
Damit kulturelle Maßnahmen auch Rückhalt in der Gesellschaft finden, müssen sie transparent kommuniziert und regelmäßig auf ihre Wirksamkeit hin überprüft werden. Eine offene Kommunikation fördert nicht nur das Vertrauen der Bevölkerung, sondern hilft auch, die Zustimmung und Akzeptanz für den Prozess und dessen Ergebnisse zu steigern.
Eine effektive Kulturstrategie geht nicht nur auf akute Bedürfnisse ein, sondern optimiert auch langfristig die Rahmenbedingungen für kulturelles und künstlerisches Schaffen. Dabei sind insbesondere auch Schnittstellenthemen von Bedeutung, wie Nachhaltigkeit, Innovation und (kulturelle) Bildung. Gerade in einer zunehmend vernetzten und komplexen Welt muss in der Entwicklung einer Kulturstrategie Flexibilität eingeplant werden, um die Anpassungsfähigkeit und langjährige Gültigkeit der Strategie zu gewährleisten.
Unterschiedliche Zugänge
Österreich ist ein föderalistisches Land, in dem die Kulturpolitik stark von den einzelnen Bundesländern geprägt wird. Jedes Bundesland hat in der Kulturpolitik eigene Prioritäten und Strategien entwickelt, die stark in Prozessdesign, inhaltlicher Tiefe und Verbindlichkeit variieren. Nicht jedes Bundesland hat einen Kulturentwicklungsprozess initiiert.
Kulturpolitische Leitlinien oder Leitbilder sind strategische Rahmenbedingungen oder Richtlinien, die als Orientierungshilfe zur Ausgestaltung der kulturellen Praxis dienen. Oft waren derartige Leitbilder erste Ansätze, um der Tätigkeit des jeweiligen Kulturamtes Rahmen und Ausrichtung zu geben. Inzwischen werden meist die gesamte Kulturszene und mit ihr agierende Sektoren berücksichtigt. Es gibt die kulturpolitischen Leitlinien des Bundes, das OÖ Kulturleitbild und das burgenländische Leitbild Kulturperspektiven 2020.
Kommen Ziele und Maßnahmen hinzu, entsteht eine Kulturstrategie, der Umsetzungserfolg wird messbar. Optional steuern und fokussieren Prioritäten, Zeitplan oder festgelegter Ressourceneinsatz die Umsetzung. Niederösterreich, Steiermark, Vorarlberg und Wien haben Kulturstrategien entwickelt.
Kulturentwicklungspläne beinhalten einen konkreten Umsetzungsplan, der auch einen zeitlichen Rahmen inklusive Meilensteine, Informationen über benötigte Ressourcen und Evaluationskriterien enthält und in einem größeren Kontext z.B. der Stadtentwicklung eingebettet ist. Nur das Bundesland Salzburg hat einen „Kulturentwicklungsplan“ vorgelegt.
Fundament einer zukunftsorientierten Politik
Kulturstrategien sind nicht nur operative Pläne, sie repräsentieren das Bekenntnis einer Gesellschaft zu ihrer kulturellen Landschaft und der Bereitschaft, diese aktiv zu fördern. Indem sie einen Rahmen für breite Zusammenarbeit und Austausch schaffen, tragen diese Strategien dazu bei, ein dynamisches Milieu zu bilden, das sowohl traditionelle als auch zeitgenössische Ausdrucksformen umfasst. Die eigene Identität auf verschiedenste Weise zu erleben und ausleben zu können, ist besonders in einer globalisierten Welt wichtig, in der Menschen oft nach Orientierung und Verwurzelung suchen.
Ein gut strukturierter strategischer Ansatz fördert nicht nur die Teilhabe aller Mitglieder der Gesellschaft, sondern ermöglicht es auch, innovative Lösungen für drängende gesellschaftliche Probleme zu finden. Kulturstrategien wirken integrativ, indem sie Brücken schlagen und somit den sozialen Zusammenhalt stärken. In einer Zeit, in der viele Gesellschaften mit Herausforderungen wie sozialer Ungleichheit und fehlenden Integrationsmaßnahmen konfrontiert sind, bieten Kulturstrategien eine Plattform, um diese Themen auf eine konstruktive Weise anzugehen.
Zudem leisten Kulturstrategien einen wesentlichen Beitrag zur wirtschaftlichen Entwicklung. Kultur wird zunehmend als Wirtschaftsfaktor anerkannt. Der Kultursektor trägt nicht nur zur Schaffung von Arbeitsplätzen bei, sondern stimuliert durch Aufträge und Umwegrentabilität auch die regionale Wirtschaft und ist darüber hinaus ein wichtiger softer Standortfaktor für Unternehmen. Indem sie Kultur als wichtigen Faktor in der Wirtschaftsplanung berücksichtigen, schaffen Entscheidungstragende die Bedingungen für eine nachhaltige lokale als auch regionale Wirtschaftsentwicklung.
Ein wichtiger Aspekt von Kulturstrategien ist die Förderung von Bildung und lebenslangem Lernen. Kulturelle Bildung ist ein Schlüssel, um Individuen zu ermächtigen, ihre (kreativen) Potenziale zu entfalten und kritisches Denken zu entwickeln. Durch den Zugang zu kulturellen Angeboten und Bildungseinrichtungen wird nicht nur individuelles Wissen erworben, sondern auch die Gemeinschaft gestärkt. Kulturstrategien können dazu beitragen, Bildungsungleichheiten zu reduzieren und sicherzustellen, dass künstlerische und kulturelle Bildung für alle zugänglich ist.
Kulturstrategien ermöglichen es, Nachhaltigkeitsfragen hervorzuheben. In einer Zeit, in der ökologische Herausforderungen und die Notwendigkeit der Ressourcenschonung immer drängender werden, ist es nötig, auch Kunst und Kultur als essenziellen Teil zur Erreichung der globalen Nachhaltigkeitsziele anzuerkennen. Kulturstrategien können die Rolle von Kunst und Kultur als Multiplikator und Narrator – etwa durch Sensibilisierung der Bevölkerung – unterstützen.
Mithilfe von Kulturstrategien kann die Politik die Wichtigkeit und Notwendigkeit von Kunst und Kultur als globales öffentliches Gut anerkennen und deren positive Wirkung in kulturellen, sozialen, ökonomischen und ökologischen Bereichen nutzbar machen. Die Entwicklung und Implementierung effektiver Kulturstrategien bieten den Rahmen, um die Vielfalt unserer Gemeinschaften zu erhalten und sie gleichzeitig für die Herausforderungen der Zukunft zu rüsten.
Elena Stoißer ist Büroleiterin von IG KiKK, das Netzwerk und die Interessensvertretung der Kulturinitiativen in Kärnten/Koroška. www.igkikk.at