Bildende Kunst, Fair Pay Reader 2024 (Hg.: Kulturrat Österreich) (Foto: D.K.)

Pay the Artist Now! And forever.

Einblick in Arbeitsrealitäten. Textbeitrag zur bildenden Kunst für den Fair Pay Reader 2024.

Entgegen einer verbreiteten Vorstellung ist die Arbeit bildender Künstler_innen sehr vielfältig und umfasst weit mehr als Gemälde oder Skulpturen, die sich in Galerien verkaufen lassen. Bildende Künstler_innen arbeiten mit digitalen Medien, installativ, ortsbezogen, interdisziplinär oder recherchebasiert. Nicht selten verstehen sie ihre Arbeiten als Beitrag zu gesellschaftspolitischen Auseinandersetzungen statt als Verkaufsobjekte. Und vom Verkauf ihrer Werke können nur wenige etablierte bildende Künstler_innen (darunter deutlich mehr Künstler) leben.

Ausstellungsräume und Honorare

Für viele bildende Künstler_innen spielen Ausstellungsbeiträge eine wichtige Rolle. Während sämtliche Tätigkeiten für eine Ausstellung vom Kuratieren bis zum Auf- und Abbau budgetiert werden, hören die beteiligten Künstler_innen oft, die Gelegenheit ihre Werke zu zeigen, sei Lohn genug, bringe Anerkennung und sei gut für den CV. Erst allmählich setzen Veränderungsprozesse ein. Im öffentlich geförderten Bereich kommt die Auseinandersetzung mit Fair Pay aber zunehmend an, sogar Ausstellungshonorare sind heute weniger exotisch. Gleichzeitig scheint immer öfter die Scheu zu fallen, nach Honoraren zu fragen und gegen Nicht-Bezahlung aufzubegehren.

Arbeits- und soziale Situation

Bildende Künstler_innen sind in der Regel selbstständig und haben laut Studie zur sozialen Lage der Kunstschaffenden und Kunst- und Kulturvermittler_innen 2018 das geringste Einkommen aller Sparten. Die Hälfte der bildenden Künstler_innen verdient mit der Kunst unter 3.500 Euro netto pro Jahr. Das mittlere Jahres-Nettoeinkommen aus allen Tätigkeiten liegt bei 11.000 Euro. Viele bildende Künstler_innen sind zur Deckung des Lebensunterhalts auf Erwerbsarbeit neben der Kunst angewiesen. Dies führt wiederum zu strukturellen Benachteiligungen im Kunstfeld: Geringerer künstlerischer „Output“ und verminderte Flexibilität in Bezug auf Reisen und Auslandsaufenthalte wegen des Jobs und/oder Care-Arbeit passen nicht ins Bild des_der produktiven, „aufstrebenden“ Künstler_in. Die verbreitete Kombination selbstständiger und unselbstständiger Tätigkeiten („Brotjobs“) führt zu Problemen beim Zugang zu Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung, wie die Studie Unselbstständig-Selbstständig-Erwerbslos deutlich macht. Lücken in der Pensionsversicherung sind verbreitet. Das Einkommen mancher bildender Künstler_innen ist so gering, dass sie die Mindestgrenze für den Zuschuss des Künstler_innen-Sozialversicherungsfonds (KSVF) zu den Sozialversicherungsbeiträgen nicht erreichen oder ihren Anspruch trotz Ausnahmeregelungen im Laufe der Jahre verlieren. Laut Studie zur sozialen Lage waren 47 % der bildenden Künstler_innen in Österreich zum Zeitpunkt der Befragung armutsgefährdet – und das war vor der Covid-19-Krise, vor der Energie- und vor der Teuerungskrise.

Kampagne “Pay the Artist Now!”

Kunst ist Arbeit und muss bezahlt werden. Zwar ändert sich das Bewusstsein, Honorare für Künstler_innen sind jedoch in Ausstellungsbudgets nach wie vor nicht selbstverständlich. Seit 2016 setzt sich die IG Bildende Kunst mit der Kampagne Pay the Artist Now! für angemessene Künstler_innenhonorare ein. Grundlegende Forderungen sind die Implementierung verbindlicher Honorare in öffentlich geförderten Ausstellungen, Projekten und Einrichtungen sowie die dazu notwendige Erhöhung der Förderbudgets.

2021 hat eine Arbeitsgruppe aus IG Bildende Kunst und Künstler:innen Vereinigung Tirol Empfehlungen zur fairen Bezahlung von künstlerischen Beiträgen sowie anderen Tätigkeiten im Bereich bildende Kunst und Ausstellungen erarbeitet: Ein Leitfaden (mit empfohlenen Basissätzen für typische Tätigkeiten wie etwa eine Ausstellungsbeteiligung oder einen Artist Talk) und ein Honorarspiegel (mit empfohlenen Stundensätzen für eine Vielfalt an Tätigkeiten im Bereich der bildenden Kunst) ergänzen einander. Gemeinsam bilden sie eine Kalkulationshilfe für Künstler_innen und alle, die mit bildenden Künstler_innen professionell zusammenarbeiten. Eine umfassende Sammlung an FAQ begleitet die Honorarempfehlungen mit vertiefenden Informationen.

Zusammenspiel: Leitfaden und Honorarspiegel

Der Leitfaden fokussiert auf Tätigkeiten im Ausstellungsbetrieb. Zum Beispiel das Ausstellungshonorar: Es wird bezahlt für die Ausstellungsbeteiligung mit einer oder mehreren künstlerischen Arbeiten – unabhängig davon, ob es sich um bestehende oder neu produzierte Arbeiten handelt. Das empfohlene Ausstellungshonorar deckt lediglich den Mindestarbeitsaufwand, nämlich die Arbeitszeit für den Kommunikations- und Organisationsaufwand zur Teilnahme. Das Ausstellungshonorar deckt nicht ab: Künstler_innenhonorar und Produktionskosten einer in Auftrag gegebenen neuen Arbeit, Reisekosten (z. B. zur Vernissage), Transport, Auf- und Abbau der Arbeit, Adaptierung der Arbeit für den Raum.

Wird eine neue Arbeit beauftragt, hilft der Honorarspiegel, ein angemessenes Künstler_innenhonorar zu veranschlagen – mit dem empfohlenen Stundensatz für die „Konzeption und Ausführung neuer künstlerischer Arbeiten“ (Honorargruppe 7). Vorweg ist wichtig, den Arbeitsaufwand realistisch einzuschätzen. Aufwendungen für Material und sonstige Produktionskosten kommen noch hinzu, sie sind nicht vom Künstler_innenhonorar zu bezahlen. Ebenfalls zusätzlich zu bezahlen sind Tätigkeiten wie Artist Talks, Führungen und andere Veranstaltungen. Nicht nur die Arbeitsfelder bildender Künstler_innen sind vielfältig, sondern auch alle mit einer Ausstellung verbundenen Tätigkeiten. Neben den künstlerischen Beiträgen umfasst dies u. a. kuratorische Arbeit und Produktion, Texterstellung, Übersetzungen, Öffentlichkeitsarbeit, Design und Ausstellungsarchitektur, Licht, Ton und weitere Technik, Auf- und Abbau, Aufsicht, Kunstvermittlung, Moderation von Veranstaltungen. Die Bezahlung künstlerischer, kunstnaher und kunstferner Arbeit sollte stets in einem fairen und ausgewogenen Verhältnis stehen. Für bestimmte Tätigkeitsbereiche, die sich auch in der bildenden Kunst finden, gibt es bereits Honorarempfehlungen anderer Interessenverbände, etwa für Design oder Musik, Übersetzung oder Kulturvermittlung.

Nachhaltig fördern

Um angemessene Ausstellungs- und Künstler_innenhonorare zu etablieren, bedarf es einer Erhöhung der Kunst- und Kulturförderbudgets sowie einer regelmäßigen Valorisierung. Der Kulturrat Österreich fordert die Erhöhung des Kunst- und Kulturbudgets auf mind. 1 % des BIP, davon 50 % für die freie Szene. Die IG Bildende Kunst fordert angemessene Bezahlung von Kunst- und Kulturarbeit als Fördervoraussetzung: keine öffentlichen Gelder für Vorhaben, die auf un(ter)bezahlter Arbeit von Künstler_innen und Kulturarbeiter_innen basieren.

Um die Bezahlung der Arbeit bildender Künstler_innen selbstverständlich werden zu lassen und faire Honorare als fixen Budgetbestandteil zu etablieren, ist weiterhin Überzeugungsarbeit bei Ausstellungshäusern und anderen Veranstalter_innen wie bei Fördergeber_innen und politischen Entscheidungsträger_innen notwendig. Die im Sommer 2022 von den Gebietskörperschaften gemeinsam verabschiedete Fair-Pay-Strategie ist ein wichtiges Bekenntnis zu fairer Bezahlung. Verschiedene Umsetzungen sind im Gange, bringen maßgebliche Verbesserungen – und neue Herausforderungen, denn die aktuellen Errungenschaften sind noch längst nicht allumfassend und unumstößlich für die Zukunft abgesichert. Anliegen der IG Bildende Kunst ist es, die Verhandlungsposition von Künstler_innen zu stärken und gemeinsam – in spartenübergreifenden Allianzen – für gute Bezahlung und faire Arbeitsbedingungen einzutreten. Der Austausch unter Kolleg_innen fördert dabei zusätzlich die Enttabuisierung des Sprechens über Bezahlung und Wert der künstlerischen Arbeit. Es gilt, gemeinsam – Künstler_innen, Kulturarbeiter_innen, Interessengemeinschaften, Fördergeber_innen – weiter am Paradigmenwechsel zu arbeiten: Pay the Artist Now! And forever.

 


Erschienen in: Fair Pay – Fair Play – Für faire Bedingungen in Kunst, Kultur und Medien. (Hg.: Kulturrat Österreich, 2024)

Der Text ist eine von Daniela Koweindl und Vasilena Gankovska überarbeitete, aktualisierte Fassung des Textes von Jannik Franzen für den Fair Pay Reader 2021. Jannik Franzen war bis April 2021 kunstpolitische_r Sprecher der IG Bildende Kunst. Daniela Koweindl ist kunstpolitische Sprecherin, Vasilena Gankovska Vorstandsmitglied der IG Bildende Kunst.