“Wie soll eine angemessene und faire Bezahlung in Kunst, Kultur und freien Medien aussehen?” Von dieser Schlüsselfrage ausgehend hat der Kulturrat Österreich Antworten von Interessengemeinschaften, Dachverbänden und Gewerkschaften zusammengestellt: der Fair Pay Reader 2024! Als Handbuch mit praktischen Tools zur Berechnung fairer Bezahlung, als Lesebuch mit Einblick in Arbeitsrealitäten. Beispiele aus der Praxis veranschaulichen die Ausgangssituation, zeigen Herausforderungen auf und unterstreichen, warum es so wichtig ist, konsequent und gemeinsam weiter an der Verankerung fairer Bezahlung zu arbeiten. Drei Szenarien aus der bildenden Kunst:
Faire Bezahlung für alle als Basis der Zusammenarbeit
Praxisbeispiel: Deniz Altan, bildende_r Künstler_in, wird für eine Ausstellungsbeteiligung in einem international renommierten Museum angefragt. Materialkosten für die Abzüge der zu zeigenden Fotoserie würden übernommen, heißt es in der Einladung. Ausstellungshonorare sind jedoch nicht vorgesehen. Deniz hält Rücksprache mit Kolleg_innen und mit der Interessenvertretung. Danach verhandelt Deniz die Finanzierung der Reisekosten für die Teilnahme an der Eröffnung und ein Honorar für einen Artist Talk am Folgetag, besteht aber nicht weiter auf einem Ausstellungshonorar – aus Sorge, die Ausstellungsbeteiligung oder zukünftige Anfragen zu gefährden.
Mit fairer Bezahlung Altersarmut entgegenwirken
Praxisbeispiel: Alex Fine ist über die Lebenspartner_in sozialversichert, um Kosten zu sparen. Zwar hat eine befreundete Künstlerin Alex ermutigt, sich zur Pflichtversicherung bei der SVS anzumelden und Beitragszuschüsse beim Künstler_innen-Sozialversicherungsfonds (KSVF) zu beantragen. Aufgrund des geringen und schwankenden Einkommens aus der künstlerischen Tätigkeit ist Alex jedoch vor diesem Schritt bisher zurückgeschreckt. Alex ist 48 Jahre alt. Durch die Mitversicherung konnte Alex bislang weder Pensionszeiten noch Beiträge auf dem Pensionskonto sammeln.
Durch faire Bezahlung von der Kunst leben können
Praxisbeispiel: Noah Kolarič ist Teil eines Künstler_innen-Kollektivs, das einen kleinen Ausstellungsraum („Off-Space“) betreibt. Spenden und Projektförderungen tragen die Raumkosten und ermöglichen geringe Ausstellungsbudgets. Seit 2022 erhält der Ausstellungsraum Fair-Pay-Zuschüsse des Bundes, auch die Stadt Wien hat die Förderung erhöht. Erstmals können Honorare bezahlt werden, aber Fair Pay für alle ist nicht möglich. Noah hat einen „Brotjob“ zur Finanzierung des Lebensunterhalts. Für die eigene künstlerische Arbeit bleibt kaum Zeit.
Erschienen in: Fair Pay – Fair Play – Für faire Bedingungen in Kunst, Kultur und Medien. (Hg.: Kulturrat Österreich, 2024)
Als Beispiele zum Textbeitrag Pay the Artist Now! And forever über Arbeitsrealitäten in der bildenden Kunst. Beispiele zusammengestellt, überarbeitet und aktualisiert von Jannik Franzen (2021), Vasilena Gankovska, Daniela Koweindl.