fail with consequence

Editorial

Den Anarchist*innen, schrieb der anarchosyndikalistische Aktivist und Autor Augustin Souchy (1892–1984) in seiner Autobiografie, sei das Erstrebenswerte stets wichtiger gewesen als das Erreichte. Souchy, der die Revolutionen in Russland, in Mexiko, in Spanien und später auf Kuba mitgemacht und/ oder kritisch begleitet hatte, schrieb in seinen Memoiren, er scheue sich daher nicht, die Bilanz seines Lebens in dem „lapidaren Satz“ zusammenzufassen: „Viel erstrebt, wenig erreicht“.

Das Scheitern ist ein vielgestaltiges Phänomen. Es kann groß angelegte Gesellschaftsentwürfe wie „den Kommunismus“ oder eben „den Anarchismus“ betreffen, scheitern lässt sich aber auch an Alltagsanforderungen wie an Bedienungsanleitungen für neue technische Geräte. In der Kunst war das größte Scheitern vielleicht das der künstlerischen Avantgarden, das bereits vor 50 Jahren vom Literaturwissenschaftler Peter Bürger konstatiert worden war. Aber was heißt das schon? Die historischen Avantgarden haben zwar die Kunst nicht ins Leben überführen können, aber immerhin solche Massen an Sekundärliteratur und Nachfolgekunst hervorgerufen, dass andere Versager*innen nur ins Schwärmen geraten können. Scheitern und Erfolg sind also relationale Größen, die Kriterien für sie sind keine selbstbestimmten. Fehlschläge, Irrtümer, Niederlagen, woran werden sie gemessen, wer entscheidet über die Maßeinheiten und wer verfügt über das Eigentum an Messinstrumenten?

Angesichts der total gewordenen Leistungsanforderung im neoliberalen Kapitalismus, für die das Scheitern das allerletzte und unbedingt zu vermeiden ist, könnte es glatt schon als emanzipatorische Perspektive in Anschlag gebracht werden. Scheitern als widerständiges Ausklinken. Wäre da nicht die Ratgeberliteratur, die Scheitern längst als Chance und Option für den kreativen Neustart entdeckt hat. Was bedeutet Scheitern in Kunst und Gesellschaft fragt diese Ausgabe des Bildpunkt, und wie lässt es sich erfolgreich reflektieren?

Auf dem Album Neon Golden (2002) der Band The Notwist gibt es einen Song namens Con-sequence. Darin werden unter anderem die schönen Zeilen gesungen: „fail with consequence/ lose with eloquence/ and smile“. Das hätte vielleicht auch Augustin Souchy gefallen. 


Jens Kastner ist koordinierender Redakteur.