A Tool, a Thief and a Colleague

Einige Gedanken zur KI und ihren Auswirkungen auf die Arbeits-bedingungen von Künstler:innen

Ich kenne Drehbuchautor:innen, die mit ein paar Vorgaben Chat-GPT bitten, eine Reihe von Handlungssträngen zu entwickeln. Sie sagen: „Manchmal liefert KI gute Ideen für die Drehbücher, an denen ich gerade arbeite.“ Ich hatte Kunststudierende, die mithilfe von KI, Skizzen für ihre Ölbilder anfertigten. Ich kenne Dichter:innen, elektronische Musiker:innen und klassische Komponist:innen, die KI nutzen, um Material zu generieren, aus dem sie inspirierende Elemente für ihre Arbeit auswählen können.

Ich habe sie auch bei meiner Arbeit eingesetzt: Wir haben Fotos einer Opernsängerin mittleren Alters gemacht und die KI gebeten, aus den Fotos ein fünfminütiges Video zu erstellen, in dem die Sängerin von der frühen Kindheit bis ins hohe Alter altert. Es sah sehr authentisch aus – die Sängerin sagte das selbst. Ich habe es in einer Oper verwendet, bei der ich Regie führte. In diesem Sinne ist die KI lediglich ein Werkzeug.

Viele Künstler:innen glauben, das sei alles nur eine weitere harmlose Spielerei, wie eine hochentwickelte Audio-, Bild- und Textsoftware. Sie irren sich.

KI ist auch eine Diebin. Generative KI — die Art von KI, die neue Texte, Töne und Bilder erzeugen kann — lernt, die menschliche Kreativität zu imitieren, indem sie sich selbst mit riesigen Mengen menschlicher Daten trainiert: Texte, Bilder, Videos, Töne und Musik. Der Kern von ChatGPT und anderen generativen KI-Systemen wird als Basismodell bezeichnet. Es gibt inzwischen viele davon, die unermüdlich das Internet durchkämmen (oder „crawlen“, wie der gängige Begriff lautet), um mehr von uns und über uns zu lernen. Die Unternehmen, denen die Basismodelle gehören, behaupten, dass kein Schaden entsteht und dass kein Mensch dafür bezahlt werden sollte, da die KI in der Regel nichts herunterlädt, sondern „nur das Internet durchsucht“ und wenn sie etwas generiert, dann macht sie keine illegalen Kopien, sondern schafft etwas Neues.

Wir Künstler:innen sollten diese Ansicht nicht akzeptieren. Stattdessen müssen wir für unsere Rechte kämpfen und verlangen, dass wir aussteigen können: Wenn wir nicht wollen, dass unsere Werke als Trainingsmaterial für generative KI verwendet werden, sollten wir „Nein“ sagen können. Und das sollte ausreichen, um den KI-Crawler in Schach zu halten.

Einige Basismodelle bieten bereits die Möglichkeit des Opt-out. Aber kann das wirklich funktionieren? Wenn ich mich dagegen entscheide und die KI sich dann von meiner Website fernhält, was passiert dann, wenn das Publikum Fotos von meinen Werken in Ausstellungen macht und diese online stellt? Wenn wir uns nicht abmelden wollen oder können, müssen wir bezahlt werden. Das ist vielleicht die wichtigste Forderung: Ohne uns, die menschlichen Künstler:innen, könnte die generative KI nichts machen, denn im Moment ist sie noch sehr dumm. Sie denkt nicht in dem Sinne, wie wir denken, und sie hat kein Bewusstsein. Sie ist zwar in der Lage, überzeugende Texte zu produzieren, aber sie kennt nicht die Bedeutung eines einzigen Wortes. Er ist nur ein enorm leistungsfähiger mechanischer Papagei, der in Sekundenbruchteilen eine unendliche Anzahl von Versionen und Mischungen all dessen erstellen kann, was er gelesen, gehört und gesehen hat.

Wir füttern die generative KI mit unseren Kunstwerken. Wie könnten wir dafür bezahlt werden?

Unsere Gegner:innen sagen, dass wir das nicht können, dass es nicht möglich ist, die Urheber:innenrechtsgesetze so auszulegen, dass wir Anspruch auf eine finanzielle Entschädigung für die Fütterung der KI hätten. In dem AI Act der EU heißt es, dass die Eigentümer:innen der Basismodelle aus Gründen der Transparenz „Zusammenfassungen der urheberrechtlich geschützten Daten, die für das Training verwendet wurden, veröffentlichen“ müssen. Es wird nicht erwähnt, dass für die Verwendung von urheberrechtlich geschütztem Material bezahlt werden muss. Wir können aber immer noch unsere Stimme erheben und mehr fordern. Es ist großartig, dass die Initiative Urheberrecht aus Deutschland mit ihrer Initiative „Urheber:innen und ausübende Künstler:innen fordern Maßnahmen zum Schutz vor generativer KI in der Europäischen KI-Verordnung (AI Act)“ Druck auf die EU ausübt.

Die Bibliothekstantieme sind ein ermutigendes Beispiel dafür, wie dies aussehen könnte. Früher herrschte die Meinung, dass Schriftsteller:innen einfach nur dankbar für das öffentliche Bibliothekssystem sein und kein Geld für die kostenlose Ausleihe ihrer Bücher verlangen sollten. Doch 1919 verabschiedete der Nordische Autorenverband eine Resolution, in der er die Regierungen aufforderte, Autor:innen für die Ausleihe ihrer Bücher in Bibliotheken zu entschädigen. Die EU stimmte 1992 zu, und inzwischen ist das Verleihrecht für viele Autor:innen zu einer wichtigen Einnahmequelle geworden. In einigen, aber nicht allen Ländern basieren die Verleihrechtszahlungen auf dem Urheber:innenrecht. Entscheidend ist, wie die Menschen und ihre Regierungen ihre Meinung darüber geändert haben, was fair ist.

Die Tatsache, dass ein solcher Funktionswandel der öffentlichen Bibliotheken in Bezug auf Autor:innen und andere „Content Creators“ möglich war, beweist, dass auch in anderen Bereichen, die mit den Einkommensrechten von Künstler:innen zusammenhängen, echter und positiver Umbruch möglich ist.

Wie könnten die KI-gestützten Zahlungen an Künstler:innen gesammelt und ausgezahlt werden? Es gibt mindestens zwei grundlegende Modelle: das Pay-per-Use-Modell und das generative KI-Steuermodell.

Für das Pay-per-Use-Modell bräuchten wir ein ausgeklügeltes System, das festhält, welche Kunstwerke und wie viel die generative KI tatsächlich nutzt. Die Künstler:innen würden entsprechend bezahlt, wobei die beliebtesten viel und die anderen weniger erhalten würden. Natürlich wäre es schwierig, ein System zu entwickeln, das den Überblick darüber behält, wie viel die Basismodelle von den einzelnen Kunstwerken verwenden, aber es ist sicherlich möglich. Wenn nur ein paar Programmier:innen in der Lage waren, den Dienst Have I been Trained? einzurichten, mit dem ihr überprüfen könnt, ob eure Werke von einem der größten Basismodelle genutzt wurden oder nicht, muss es möglich sein, ein System zu schaffen, das auch misst, wie viel eure Werke genutzt wurden. Künstler:innenorganisationen könnten dann gemeinsam mit den Eigentümer:innen der Basismodelle über faire Preise für die Nutzung menschlicher Kunstwerke durch KI verhandeln. Das Steuermodell für generative KI bedeutet, dass eine einfache Steuer auf die Nutzung generativer KI erhoben werden könnte und die so eingenommenen Mittel an Künstler:innen verteilt werden. Natürlich sind viele Formen der generativen KI, wie ChatGPT, jetzt für die Nutzer:innen scheinbar kostenlos, aber es wird ständig viel Geld in die Wartung und Entwicklung der Basismodelle investiert. Diese Investitionen, also das Geld, das für generative KI ausgegeben wird, könnte besteuert werden.

Was würde der Staat mit den durch die generative KI-Steuer eingenommenen Mitteln tun?

Hier gibt es viele Möglichkeiten. Das Geld könnte einfach gleichmäßig aufgeteilt werden, so dass jede:r professionelle Künstler:in den gleichen Betrag erhält. Oder jede:r Künstler:in würde danach bezahlt, wie oft die generative KI seine/ihre Werke genutzt hat (eine Version des Pay-per-Use-Modells). Oder das Geld könnte in einen Künstler:innen Stipendienfonds fließen. Oder der Staat könnte das Geld erhalten und damit seinen Kulturetat aufstocken. Oder das Geld könnte in das Sozialversicherungssystem für Künstler:innen fließen. Unser Bedürfnis, für die KI-Nutzung unserer Werke bezahlt zu werden, ist nicht nur eine Frage des moralischen Prinzips. Es ist auch eine Frage der Praxis. Es ist bereits üblich, dass Buchverlage für die Gestaltung von Buchumschlägen, anstelle von menschlichen Grafikdesigner:innen, generative KI einsetzen. Damit endet es nicht. Wäre es nicht praktisch für die Musikstreaming-Giganten, wenn sie KI-generierte, maßgeschneiderte Musik für jede:n Nutzer:in anbieten könnten – ohne jeglichen Input von menschlichen Musikmacher:innen? Wäre es nicht praktisch für die Galerist:innen, wenn sie anstelle menschlicher Künstler:innen eine Reihe von KI-generierten „Autor:innen“ in ihrem Stand hätten?

All das ist relevant, wenn wir versuchen, mit der aktuellen, dummen, generativen KI umzugehen.

Aber eine wirklich intelligente, allgemeine künstliche Intelligenz steht vielleicht auch schon vor der Tür. Sie wird mehr als ein Werkzeug und mehr als eine Diebin sein. Sie wird unser:e Kolleg:in sein. Sie wird nicht einfach wahllos die Gedichte nachahmen, die ich schreibe. Sie wird ihre eigenen Ansichten und Bestrebungen haben und ihre eigenen Gedichte schreiben. Ich werde sie gerne lesen. Und mit ihr über ihre Rechte sprechen. Aber im Moment besteht meine Hauptaufgabe darin, dafür zu kämpfen, dass ich nicht von ihren geistlosen Vorläufer:innen ausgebeutet werde. 


Teemu Mäki ist Künstler, Regisseur, Autor, Forscher (Doctor of Fine Arts), Vorsitzender der Artists’ Association of Finland, Präsident von IAA Europe, www.teemumaki.com.


Links

Mäki, Teemu: AI Is Coming – Who Is Ready? Taiteilija magazine, 22. 5. 2023. www.artists.fi/fi/ai-coming-who-ready

www.teemumaki.com/theater-posthuman.html

EU AI Act: first regulation on artificial intelligence, www.europarl.europa.eu/news

Ruf nach Schutz vor generativer KI, https://urheber.info/about-us

https://haveibeentrained.com