Vom Loslassen und Nachlassen

Was lasse ich los, was vor und was nach?

Diese elementare Frage aus der Diskussion während des Aktionstages der IG Bildende Kunst zum Thema Fokus: Senior Artist zeigt unsere Sorgfaltspflicht in ihrer gesamten Dimension. Die eigene Arbeit zu pflegen und sie so wichtig zu nehmen, dass sie leicht in andere Hände genommen oder aus der eigenen gegeben werden kann, ist eine in jeder Hinsicht fordernde Aufgabe. Ein künstlerisches Testament ist dabei ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur Selbstermächtigung, denn niemand kennt die eigene Arbeit besser als der/die: Künstler:in als Autor:in.

Veranlassen

Der Nachlass hat das „Lassen“, im Sinne von Loslassen, schon eingeschrieben: Welche Werke, Korrespondenz, Materialien sind wichtig und erhaltenswert, um sie privat oder institutionell zu archivieren? Welche Vision für mein Werk habe ich als Künstler:in? Was soll damit passieren und wem möchte ich es anvertrauen? Und auch: Was kann ich tun, damit meine Vorstellung Realität werden kann? In der Folge: Wo hole ich mir Hilfe in der Beantwortung dieser Fragen? Hier kommt die kunstpolitische Verantwortung zum Tragen, die Arbeit öffentlicher Institutionen und Vereine, denn: Wer spricht und wer entscheidet über die Bedeutung eines künstlerischen Schaffens?

Sich einlassen

Im Feld zwischen institutioneller, persönlicher und kunstpolitischer Verantwortung braucht es das Zurverfügungstellen von entsprechender Beratung und Informationen für Künstler:innen und deren Nachkommen, einen Ausbau von digitalen und analogen Archiven und Bereitstellung von Raum dafür. Gleichermaßen wichtig ist die Erarbeitung spezifischerer Policies in institutionellen Sammlungen, die thematisch und zeitgeschichtlich unverkennbare Kriterien zur Auswahl heranziehen. Eine stärkere Lehre und Forschung für Gegenwartskunst in Österreich, aber auch individuelle und kollektive Initiativen zur Gründung von Vereinen für Künstler:innennachlässe, können mit Hilfe öffentlicher Förderungen nachhaltige Nachlassarbeit in Österreich verankern.

Darüber hinaus bleibt die fundamentale Frage: Wie kann ein breit aufgestelltes und gut gepflegtes Archiv künstlerischer Werke im lebendigen Umlauf bleiben? Welche neuen (und möglicherweise alten) Distributions- und Vermittlungsstrukturen sind hierfür sinnvoll und machbar?

Die IG Bildende Kunst bringt sich momentan aktiv im Rahmen der Arbeitsgruppe „Künstlerische Nachlässe“, initiiert von BMKÖS und Bildrecht, in den Arbeits- und Gestaltungsprozess ein. Wir arbeiten darauf hin, dass wir in der Zukunft für unsere Mitglieder und darüber hinaus für alle Künstler:innen auch in diesem wichtigen Bereich umfassende Beratung und Vernetzung anbieten können. 


Almut Rink ist bildende Künstlerin und Co-Vorsitzende der IG Bildende Kunst.