Kunstpolitischer Widerstand in Zeiten von Schwarz-Blau

In Vorbereitung der österreichischen Nationalsratswahl 2024

Die IG Bildende Kunst arbeitet aktiv an einer Kampagne, die ihre Mitglieder sowie Nicht-Mitglieder und andere Akteur:innen in der Kunst und Kulturszene ermutigt, den gesellschaftspolitischen Diskurs, vor allem im Hinblick auf die Kunstpolitik, mitzubestimmen. Im Folgenden präsentieren wir Zitate, Wortmeldungen und Gedanken aus dem Archiv der IG Bildende Kunst, die an wichtige kunstpolitische Kämpfe gegen die schwarz-blau/türkis-blauen Regierungen erinnern und für die Wahlbeteiligung bei der österreichischen Nationalratswahl 2024 mobiliseren sollen.

Jahr 2000 „Gemeinsam durchhalten“ – erstes Mal Schwarz-Blau

Winter 2000, Österreich ist seit fünf Jahren EU-Mitglied, es kommt zu einer Regierungskoalition zwischen ÖVP und FPÖ. Es bilden sich Widerstandsbewegungen, die Straßen sind voll mit Protestierenden, darunter viele Künstler:innen. Der Vorstand der IG Bildende Kunst (im Jahr 2000 noch BVÖ – Berufsverband bildender Künstler Österreich) ist in den vordersten Reihen und ruft zu Protest auf.

„Also, liebe BVÖ Künstler und Freunde, unsere große Hoffnung ist es, durch an-haltenden Widerstand die Regierung von Repressalien gegen Künstler und Kunstschaffende abzuhalten. Das -Motto ist -„Gemeinsam durchhalten“. [Aus dem Aufruf zu einem Kulturwiderstand von BVÖ, station3, SPÖ Ottakring und Ula Schneider, station3, Zeitschrift des BVÖ, Widerstand, nr. 3 2000.]

Interessenvertretungen sind als kunst- und kulturpolitisch aktive Gruppierungen eine wichtige Repräsentant:innenstimme

„Der Berufsverband bildender Künstler nennt sich überparteilich. Doch das bedeutet keinesfalls unpolitisch. Es stimmt schon, es gibt in unserem Falle keine Bindung an eine politische Partei […]. Und das aus gutem Grund, denn die Kunst will frei sein – und zwar so sehr wie nur irgend möglich.“

Martin Praska führt weiter aus, wie die politische Lage im Jahr 2000, das Wahlergebnis und die darauffolgende Regierungsbildung eine Situation schaffte, die als „reaktionäre Wende“ bezeichnet wird und verlangt von den Künstler:innen, „nicht nur inmitten des Sturmes Position zu beziehen, sondern auch eine generelle politische Standortbestimmung.“ Auch die Frage der Kunst- und Kultursubventionen bleibt nicht unerwähnt. Wie können Subventionsansuchen an eine rechte Regierung geschickt werden, ohne Gewissensbisse, dass dadurch ihre Politik legitimiert wird? „Wo gehen wir jetzt hin? Mit unserem Subventionsansuchen?“ Eine mögliche Antwort darauf – den Umgang mit den Regierungszuständigen für Kunst und Kultur auf möglichst „technische Ebene“ zu reduzieren. „Beamtenkontakte. Keine Einladung an schwarz/blaue Politiker. Keine entsprechenden Eröffnungsreden. […] Und keine freundlichen Grüße.“ [Martin Praska, aus dem Editorial von -station3, Zeitschrift des BVÖ, Widerstand, Nr. 3, 2000.]

2017 – Neuauflage von Schwarz-Blau als Türkis-Blau

Im Dezember 2017 wurde die Koalition zwischen ÖVP unter Sebastian Kurz und FPÖ verkündet. Für den Kunst- und Kulturbereich bedeutete das, Protest und Widerstand sind notwendig und das gleich ab dem ersten Tag der Regierungs-Angelobung.

 „Aus den Zweitausender-Jahren wissen wir, welchen massiven Schaden eine FPÖVP-Regierung anrichten kann. Privatisierungen, Sozialabbau, Korruptionsskandale, Rechtsruck und menschenfeindliche Politik standen und stehen seither auf der Tagesordnung. Seit damals ist die ÖVP weiter nach rechts gerückt und hat sich noch neoliberaler ausgerichtet. In der FPÖ haben inzwischen maßgeblich rechtsextreme Burschenschaften das Sagen. Diese sind nicht nur zutiefst anti-feministisch, rassistisch und völkisch – Träume vom deutsch-österreichischen ,Großreich‘ stehen auf der Tagesordnung. Es ist angebracht, dass wir uns breitest-möglich organisieren, um Widerstand zu leisten!“ [Aus dem Aufruf zum Protest am Tag der Angelobung der Regierung, OTS, Presseaussendung von 15. 12. 2017.]

Statt SchwarzBlau: pay the artist now!

Für bessere Arbeitsbedingungen für alle Kunst- und Kulturarbeiter:innen!

In einer gemeinsamen Pressekonferenz der IG Autorinnen Autoren, Musikergilde, Verband Filmregie unter Beteiligung von IG Bildende Kunst, Dachverband der österreichischen Filmschaffenden, Österreichischer Musikrat, IG Übersetzerinnen Übersetzer, IG Kultur Österreich, IG Freie Theaterarbeit, Kulturrat Österreich sowie weiterer Kunst- und Kulturverbände trat die IG Bildende Kunst mit einem Forderungskatalog an die türkis-blauen Regierung auf.

 „Der Gesamteindruck auf den Punkt gebracht: ,Immer wieder Österreich‘. Chauvinismus durchzieht das gesamte Programm wie ein blauer Faden. Die dringend notwendige Verbesserung der sozialen Lage von Künstler_innen ist kein Thema. Förderung von Exzellenz, Effizienz, klar definierte Qualitätskriterien, klare Ergebnisorientierung sollen hingegen die Parameter in der Kunstförderung heißen. Wie soll sich das mit der Freiheit der Kunst ausgehen?“

fragten Daniela Koweindl und Vasilena Gankovska, stellvertretend für die IG Bildende Kunst. Wichtige Themen, die kaum bis gar keinen Platz im Regierungsprogramm hatten, wie Mobilität, soziale Absicherung, faire Bezahlung, Qualität und bessere Planbarkeit bei Abwicklung von Kunstförderungen, Budget-Valorisierungen haben sie hervorgehoben und forderten, dass diese ihren Platz auf der politischen Tagesordnung einnehmen. [Aus dem Forderungspapier der IG -Bildende Kunst, Pressekonferenz am 10.1.2018.]

2024: Künstler:innen gegen Rechts – neue Kampagne und Protestformate

Künstler:innen gegen Rechts ist von der IG Bildende Kunst als eine hybride Kampagne konzipiert, die sowohl online als auch offline ein breites Publikum erreichen soll. Mitglieder sowie Nicht-Mitglieder und andere Akteur:innen in der Kultur-Szene werden ermutigt, den gesellschaftspolitischen Diskurs, vor allem im Hinblick auf die Kunstpolitik, mitzubestimmen. Anlass für die Kampagne ist die Nationalratswahl 2024, die laut aktuellen Umfragen einen erheblichen Rechtsruck erwartet.

„Wie wir von anderen Ländern wissen und auch aus der Erfahrung der letzten Jahrzehnte in Österreich: ein Rechtsruck in der Regierung bedeutet immer, dass Künstler:innen und Kulturarbeiter:innen eingeschränkt in ihrer Arbeit, ihrem Ausdruck, ihren Inhalten und auch materiell benachteiligt werden. Jeder politisch–institutionalisierte Rechtsruck bedeutet immer eine klare Beschneidung der Künstler:innen. Wir müssen unsere Freiheiten, Sicherheiten davor schützen sowie gegen die Einschränkung wer sprechen darf, wessen Arbeit gesehen und gefördert wird und vor allem Schutz vor rechts auch für Künstler:innen, die keine österreichischen Papiere haben, aber unsere reiche und diverse Kunstlandschaft prägen.“ [Ruby Sircar, stellvertretende Vorsitzende der IG Bildende Kunst.]

Ziel der Kampagne ist es, auf der einen Seite als Vertreter:innen der bildenden Künstler:innen Stellung zu beziehen, dazu zählt auch Information über aktuelle und möglich-zukünftige Kulturpolitik anzubieten, und auf der anderen Seite zur Wahlbeteiligung gegen Rechts aufzurufen. Wir möchten auch auf die Tatsache aufmerksam machen, dass viele der Künstler:innen, die hierzulande tätig sind, kein Wahlrecht haben und auch deren Stimmen miteinbeziehen.

„Wir wollen Stimmen gegen Rechts vielfältig und kreativ, humorvoll und ernst, breit in die Welt tragen. Denn: Wir sind viele! Und wir wollen noch mehr zum Mitmachen einladen. Diese Idee ermöglicht auch, alle, die sonst in Kunst und Kultur aktuell gegen rechts aktiv sind, zu involvieren.“, so Daniela Koweindl, kunstpolitische Sprecherin der IG Bildende Kunst.

Protestformate

Zur Verfügung wird ein niederschwelliges Tool-Kit zur weiteren Nutzung gestellt, für alle Personen, die sich gegen rechts positionieren wollen. Das Tool-Kit wird sowohl online als auch offline zur weiteren Verbreitung für alle Interessierten frei nutzbar und individuell gestaltbar sein. Außerdem werden im Rahmen der Aktion die Fenster der IG Bildende Kunst in den Sommermonaten in Schaufenster verwandelt, die auf die Geschichte des Kampfes gegen Rechts blicken.

 „Wir möchten unsere Fenster zur Gumpendorfer Straße verwenden, um – auch wenn wir unseren Blick nach vorne richten – nach hinten zu schauen und zu sehen, dass wir im Kampf gegen den Rechtsextremismus nicht von Null anfangen. Mithilfe von verschiedenen Wiener Initiativen, wie Basis Wien und WienWoche, sowie unserem eigenen Archiv, werden wir Poster, Flyer sowie andere ephemere Medien sammeln und zeigen solche, die für Protestaktionen aus der Kunstszene gemacht wurden.“ [Guilherme Maggessi, Vorstandsmitglied der IG Bildende Kunst.]

Es lohnt sich also, im Sommer an der IG Bildende Kunst vorbei zu spazieren und einen Blick in die Fenster zu werfen. Die Wahlmobilisierung beginnt, machen Sie Gebrauch von Ihrer Stimme und überzeugen Sie andere Wahlberechtigte davon!


Zitatensammlung zusammengestellt und kommentiert von Vasilena Gankovska, kunstpolitische Redakteurin von Bildpunkt.

Text und Zitate zur Kampagne 2024 in Zusammenarbeit mit Dila Kaplan, Öffentlichkeitsmitarbeiterin, Ruby Sircar und Guilherme Maggessi, Vorstandsmitglieder der IG Bildende Kunst.