Beim Fairness Symposium am 30.9.2021 lud das BMKÖS zur Auseinandersetzung mit der Frage „Was bedeutet Fairness in Kunst und Kultur?“ ein – nicht ohne vorangegangene Detailkritik der IGs an der Programmgestaltung. Die Abschlussdiskussion unter der Moderation von Asma Aiad bestritten IGs, D/Arts und Vertreter_innen aus Kulturabteilungen der Bundesländer. Für die IG Bildende Kunst sprach Daniela Koweindl am Podium über Ausschlussmechanismen, Teilhabe, Maßnahmen zur Verankerung fairer Bezahlung – und forderte ein gutes Leben für alle. In den Schlussstatements skizzierten alle acht Podiumsteilnehmer_innen ihre Perspektiven und Wünsche für die Zukunft.
Asma Aiad: Was ist für Sie Fairness in Kunst und Kultur? Aus eurer Institution, aus Ihrem Bundesland heraus verstanden.
Daniela Koweindl (IG Bildende Kunst): Fairness in Kunst und Kultur bedeutet für uns als Interessenvertretung immer die Arbeit gegen Ausgrenzungen, gegen Ausschlüsse und für die Ermöglichung von gleicher Teilhaber für alle – sei es auf der Seite derer, die Kunst und Kultur produzieren oder für diejenigen, die Kunst und Kultur besuchen, konsumieren möchten. Deshalb: faire Bezahlung, auch in der bildenden Kunst! Denn wenn keine faire Bezahlung herrscht, heißt das, dass diejenigen, die nicht etwa auf reiche Eltern oder eine Partner*in mit einem stabilen Einkommen zurückgreifen können, Ausschlüsse zu erleben haben. Sie haben auch Ausschlüsse zu erleben, wenn Kinderbetreuungspflichten dazukommen, auch dann wird es wieder schwierig: Kann ich mir eine Tätigkeit leisten, von der ich nicht leben kann? Deshalb ist uns faire Bezahlung ein wichtiger Punkt, aber auch die Arbeit, Herausforderungen für Künstler_innen mit Kinderbetreuungspflichten zu reduzieren, Visahürden abzubauen, auch Hürden bei den Aufenthaltspapieren abzubauen – im Sinne von leichteren Zugängen und Arbeit gegen rassistische Ausschlüsse, die natürlich auch strukturell verankert sind.
Wir haben in diesem Fairness Prozess des BMKÖS, in den wir als eine von zehn Interessenvertretungen involviert sind, im Wesentlichen drei Grundsätze erarbeitet, drei Maßnahmen, zu denen wir kommen wollen. Das sind: Wir wollen faire Bezahlung als Kriterium in der Kunst- und Kulturförderung. Weil wir sagen: Keine öffentlichen Gelder an Kunst- und Kulturprojekte oder -einrichtungen, wo die künstlerische oder kulturelle Tätigkeit auf Basis von unbezahlter oder unterbezahlter Arbeit stattfindet. Dafür kein öffentliches Geld. Zweiter Punkt ist die Erhöhung der Budgets. All diese Maßnahmen werden sich nicht umsetzen lassen ohne eine entsprechende Anhebung der Budgets, wenn wir eine kulturelle Vielfalt erhalten und weiter fördern und ausbauen möchten. Ich glaube, darin sind wir alle sehr d’accord! Das dritte ist ein Urheber_innenvertragsrecht, das für eine angemessene und faire Vergütung bei der Verwertung künstlerischer und kultureller Werke sorgt.
In diesem Sinne – die Forderungspalette ist natürlich noch viel größer –, das sind die zentralen Punkte zu fairer Bezahlung. Und es ist uns auch immer wichtig, zügig daran zu arbeiten. Der Begriff des Marathons [Anm.: das Schlagwort hatte Staatssekretärin Andrea Mayer in Bezug auf den Fairness Prozess ins Spiel gebracht] ist ein sehr feiner. Wir haben den Marathon vor mindestens zehn Jahren gestartet, mit sehr konkreten Richtlinien. Gerade die IG Kultur Österreich hat eine erste wichtige Fair-Pay-Kampagne schon vor zehn Jahren gestartet, andere Interessenvertretungen arbeiten zum Teil schon länger, in den letzten Jahren aber arbeiten wir alle an Richtlinien und Empfehlungen.
Was ist faire Bezahlung? Dazu eine kurze Werbeeinschaltung für alle, die den Fair-Pay-Reader noch nicht gesehen haben, der Reader ist gestern erschienen. Er enthält eine Sammlung mit allen Leitfäden und Kalkulationshilfen und Richtlinien und unverbindlichen Empfehlungen aus allen Sparten der Kunst, Kultur und Medien, die wir uns als Grundlage für faire Bezahlung ins Spiel bringen – auf jeden Fall im geförderten Bereich, aber natürlich auch darüber hinaus.
Asma Aiad: In der Pandemie sind unterschiedliche Themen aktueller geworden – Digitalisierung, agile Strukturen, Diversität, Kommunikationsformen usw. Wie hat sich die Rolle eurer, Ihrer Institution in dieser Covid19-Krise geändert?
Daniela Koweindl: Diese Corona-Krise hat beschleunigt und zugespitzt, was zuvor schon im Argen lag. Wir wissen aus der Studie zur sozialen Lage der Künstler_innen und Kulturvermittler_innen von 2018, dass die Armutsgefährdung von Künstler_innen fünfmal so hoch ist wie die Armutsgefährdung der Erwerbstätigen in der Gesamtbevölkerung. In solch einer existenziellen Ausgangslage war es natürlich entsprechend schwieriger, in dieser Krise überhaupt noch über die Runden zu kommen. In dieser Zeit hat sich der Dialog mit den Entscheidungsträger_innen auf politischer Ebene, aber auch mit den Beamt_innen ganz stark intensiviert. Aber es hat sich auch noch einmal verdeutlicht, wie dringend Änderungen notwendig sind. Und wir freuen uns jetzt auch sehr, dass die Erhebung zu diesem Fair Pay Gap stattfindet, die klare Zahlen auf den Tisch legen soll. Wir drängen jedoch genauso auch auf die vom BMKÖS angekündigte Fokusgruppe Fair Pay und darauf, diese auch schon vor dem Erscheinen der Fair-Pay-Gap-Ergebnisse zu starten, weil wir meinen, es geht ja nicht nur um budgetäre Veränderungen, die sicher notwendig sein werden, sondern auch ganz klar um Änderungen in der Förderpraxis, in der Förderverwaltung. Das fängt damit an, dass alle möglichen Informationen oder Formulare auf Deutsch sind. Ich muss Anträge auf Deutsch machen. Auch das produziert Ausschlüsse. Eine andere offene Frage sind die Eigenhonorare. Es ist so oft leider keine Selbstverständlichkeit, dass ich bei einem Förderantrag überhaupt Eigenhonorare in Rechnung stellen kann, dass ich sie abrechnen kann. Hier braucht es eine Klärung bei Bund, Ländern, Gemeinden. Das gehört alles mit in den Fair Pay Prozess. Auch das Ausfüllen von den jetzt sehr verbreiteten digitalen Förderformularen: Sie sind eine gute Entlastung in der Bürokratie, aber es gibt dann wiederum Beispiele – etwa Stadt Wien –, wo ich ein Geschlecht angeben muss. Und das Formular ist nach wie vor rechtswidrig auf zwei Geschlechter beschränkt. Das heißt, nichtbinäre Personen sind de facto ausgeschlossen oder müssen vorsätzlich eine falsche Angabe machen, um überhaupt einen Kulturförderantrag stellen zu können. Das betrifft jetzt nicht nur die Kulturformulare, das betrifft alle Formulare auf der Website der Stadt Wien.
Asma Aiad: Was glaubst du, wie ihr damit jetzt weiterkommt? Welche Schritte passieren gerade von eurer Seite?
Daniela Koweindl: In der IG Bildende Kunst haben wir jetzt – gemeinsam mit der Tiroler Künstler:innenschaft – Honorarempfehlungen für faire Bezahlung in der bildenden Kunst erarbeitet. Damit liegt jetzt etwas auf dem Tisch, woran wir uns orientieren können. In den Jahren zuvor haben wir viel Recherche und Bewusstseinsarbeit geleistet. Jetzt sind die Materialien da, wir freuen uns auf eine zügige Umsetzung – als Endspurt in diesem Marathon.
Asma Asad: Wie sehen Sie die Zukunftsperspektiven? Was sind Ihre, eure Forderungen? Was möchten Sie – ganz kurz und knackig – mitgeben, wenn jetzt jemand mitschreibt für ein Paper mit Forderungen aus diesem Panel?
Eva-Maria Bauer (Vize-Präsidentin Österreichischer Musikrat): Ich wünsche mir ein anderes Berufsbild von Musiker_innen, das nicht geprägt ist vom armen Künstler. Ich wünsche mir Unternehmer_innen, die selbstständig und selbstbewusst auftreten – und auch als solche wahrgenommen werden, nicht als Bittsteller_innen.
Gabriele Ecker (Bereichsleitung Kunst, Land Niederösterreich): Ich wünsche mir weiterhin oder verstärkt das Verständnis der einzelnen Player für die unterschiedlichen Positionen. Ich wünsche mir aber, dass trotzdem allen das gemeinsame Ziel vor Augen ist. Und ich wünsche mir, dass der sehr intensiv begonnene Kommuniaktionsprozess zwischen allen Beteiligten weiter erhalten wird und wir auch voneinander lernen können und nicht jeder das Rad neu erfinden muss. Ich muss auch sagen, vom Beispiel Salzburg, da können auch wir noch einiges mitnehmen, das wir auch sicher machen werden.
Daniela Koweindl (Kulturpolitische Sprecherin, IG Bildende Kunst): Ich wünsche mir ein gutes Leben für Künstler_innen, für Kulturarbeiter_innen – und für alle! Mit einem bedingungslosen Grundeinkommen, mit Bewegungsfreiheit und Bleiberecht unabhängig von einem Reisepass, gute soziale Absicherung, gute Gesundheitsversorgung, schönes Wetter und Sonnenschein. Aber auch viele Fördermaßnahmen, damit alle teilnehmen können und wirklich ein gutes Leben leben können.
Ulrike Kuner (Geschäftsführung, IG Freie Theaterarbeit): Fokus auf die Künstler_innen, auf die künstlerische Arbeit, auf die Kunstschaffenden, auf die Kulturvermittler_innen, auf alle, die dazu aktiv beitragen, dass Österreich als Kunst- und Kulturland wahrgenommen wird. Nicht die Bühnenmaschinerie macht die Kunst, es sind die Menschen. Darauf muss auch der politische Fokus liegen. Die Gelder, die Förderinstrumente, die Strukturen müssen klar mit dem Ziel ausgerichtet sein, dass genau diese Leute gut leben können. Das heißt: Strukturen hinterfragen, Aufgaben wahrnehmen, Verantwortung wahrnehmen.
Winfried Nussbaummüller (Leitung Kulturabteilung, Land Vorarlberg): Ich wünsche mir Transparenz, Vielfalt, Nachhaltigkeit und respektvolles Miteinander.
Ivana Pilić (Kuratorin D/Arts): Ich wünsche mir ein stärkeres Nachdenken darüber, wer überhaupt mitspricht. Ich wünsche mir tatsächlich, genau solche Sachen in Dialog zu bringen – button up und top down, um in diesen Querschnittsmaterien auch gemeinsam zu denken und zu arbeiten. Ich wünsche mir tatsächlich aber auch Förderungen im Bereich Diversität und Strukturveränderungen für Kulturinstitutionen.
Igor Pucker (Leitung Abteilung Kunst und Kultur, Land Kärnten): Ich wünsche mir, dass wir uns alle weiter wandeln, aber im Sinne von verbesserten Rahmenbedingungen, verbesserten existenziellen Bedingungen. Dass der Dialog oder der Polylog, der jetzt gewählt wird, weiter ausgeformt wird, und – wir haben ja eine wesentliche Gruppe jetzt noch nicht erwähnt, das ist die Politik –, dass sich die Politik dann genauso in diese Runde setzt und sagt: Das sind Perspektiven, die wir gerne verfolgen.
Thomas Randisek (Geschäftsführer, Dachverband Salzburger Kulturstätten): Meine Prognosen gehen leider immer in die Hosen. Aber ein Szenario, das ich mir gerne vorstellen würde – etwa wenn wir in dieser Konstellation in fünf Jahren wieder zusammensitzen –, dass wir ein Thema nicht mehr behandeln müssen, nämlich das Thema Fair Pay für Kulturarbeit, weil es politisch abgeschlossen und umgesetzt ist.