Die Freiheit des künstlerischen Schaffens ist im österreichischen Staatsgrundgesetz verankert und somit Bestandteil der österreichischen Verfassung. Dieses Grundrecht muss (wieder) das Recht auf freie Wahl des Arbeits- und Lebensmittelpunktes einschließen. Das Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz jedoch verfolgt eine systematische Diskriminierung aufgrund von Beruf und StaatsbürgerInnenschaft.
Sowohl die Abschaffung der Niederlassungsbewilligung für KünstlerInnen als auch die Aberkennung sämtlicher ausgestellter Niederlassungsbewilligungen von in Österreich lebenden KünstlerInnen ohne EU/EWR-Pass ist inakzeptabel und ein massiver Eingriff in das Privat- und Familienleben unter Missachtung der Europäischen Menschenrechtskonvention.
Während das bis 31.12.2005 in Kraft gewesene Fremdengesetz der Freiheit des künstlerischen Schaffens im Ansatz noch Rechnung getragen hat (quotenfreie Niederlassung für KünstlerInnen für den Aufenthalt auf Dauer), lässt seit 1.1.2006 das Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz nur mehr einen vorübergehenden Aufenthalt für KünstlerInnen zu (Aufenthaltsbewilligung für KünstlerInnen). Die neue Gesetzeslage hat auch Auswirkungen auf alle KünstlerInnen, die bereits seit Jahren mit einer Niederlassungsbewilligung in Österreich leben. Ihre Niederlassungsbewilligungen sind seit 1.1.2006 als solche ausnahmslos nicht mehr gültig und haben nur mehr den Wert einer Aufenthaltsbewilligung. KünstlerInnen ohne EU/EWR-Pass müssen früher oder später das Land verlassen oder den Beruf wechseln, um eine Chance auf einen anderen Aufenthaltstitel zu erhalten. Damit ist das Grundrecht auf Freiheit des künstlerischen Schaffens verletzt und den Interessen einer rigorosen Aufenthaltsregulierung unterworfen.
Das Recht hier zu leben muss verwirklicht werden und darf nicht länger auf EU/EWR-BürgerInnen beschränkt bleiben! Das Recht auf Aufenthalt und Niederlassung in Österreich muss für alle gelten. Unabhängig von Beruf, Einkommen und StaatsbürgerInnenschaft.
Die IG Bildende Kunst fordert daher
Achtung des Grundrechts auf Freiheit des künstlerischen Schaffens.
Sofortige Aufhebung der Durchführungsverordnung zum Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz, das KünstlerInnen aufgrund ihres Berufs diskriminiert und im Widerspruch zum Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens steht (Europäische Menschenrechtskonvention, Art. 8).
Keine Zurückstufung des aufenthaltsrechtlichen Status von KünstlerInnen, die vor dem 1.1.2006 bereits eine Niederlassungsbewilligung hatten. Alle KünstlerInnen müssen ihre Niederlassungsbewilligung zurückerhalten.
Sofortige Aufhebung des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes, das KünstlerInnen systematisch von einer Niederlassung in Österreich ausschließt und somit im Widerspruch zum Grundrecht der Freiheit des künstlerischen Schaffens steht (Staatsgrundgesetz, Art. 17a).
Keine Beschränkung auf vorübergehenden Aufenthalt für KünstlerInnen. KünstlerInnen, die in Österreich leben wollen, müssen auch dauerhaft in Österreich bleiben können – unabhängig von ihrem aus der Kunst erwirtschafteten Einkommen, gleichgültig welchen Kunstbegriff sie vertreten.
Stopp der systematischen Diskriminierung von MigrantInnen aufgrund von Beruf, Einkommen und StaatsbürgerInnenschaft.
Abschaffung sämtlicher Aufenthaltsregulierung von so genannten Drittstaatsangehörigen. Recht auf Aufenthalt und Niederlassung in Österreich für alle. Gleiche Rechte für alle!
Wien, August 2006
Positionspapier der IG Bildende Kunst