pay the artist now! (Tasche) (Foto: Daniela Koweindl)

Warum ein Leitfaden für faire Bezahlung?

Ein Problemaufriss und Lösungsbeitrag zur Situation in der bildenden Kunst

(Bildende) Künstler_innen hören oft, die Gelegenheit ihre künstlerische Arbeit zu zeigen, sei Lohn genug. Diese Einstellung ist so weit verbreitet, dass viele sich immer noch scheuen, ein Honorar zu verlangen, oder sich mit sehr geringen Beträgen zufriedengeben. Neben Ausstellungen sind für bildende Künstler_innen – teils orts- oder anlassbezogene – geförderte Projekte wichtig. Manche Projektförderungen schließen jedoch die Abrechnung von Honoraren für die Fördernehmer_innen explizit aus. Die Förderungen können nur für Produktionskosten verwendet werden, nicht aber für die eigene Arbeit und damit den Lebensunterhalt. Auch in Ausstellungshäusern und bei Festivals sind innerhalb von Produktionsbudgets regelmäßig sehr geringe bis gar keine Künstler_innenhonorare vorgesehen.

… weil das Einfordern von angemessener Bezahlung allzu oft Tabu ist!

Künstler_innen berichten uns regelmäßig, die Frage nach dem Honorar überhaupt erst selbst ins Spiel bringen zu müssen, damit auf Irritation zu stoßen und Abfuhren zu erhalten. Die Sorge, durch das Einfordern von angemessener Bezahlung eine Zusammenarbeit zu gefährden, ist groß. Damit ist (Selbst-)Ausbeutung Tür und Tor geöffnet. Gleichzeitig fehlen – insbesondere Berufseinsteiger_innen – Kalkulationshilfen, um eine angemessene Bezahlung beziffern zu können. Betriebswirtschaftliches Basiswissen ist im Curriculum von künstlerischen Ausbildungen nicht ausreichend vorgesehen. Existenzsicherung durch Erwerbseinkommen für künstlerische Tätigkeit ist im Kunst- und Kulturbetrieb ein stark tabuisiertes Thema.

… weil die Einkommenssituation von Künstler_innen höchst prekär ist!

Einkommensdaten zeigen die Konsequenzen dieser Ausgangslage auf. Bildende Künstler_innen sind in der Regel selbstständig erwerbstätig und haben laut jüngster Studie zur sozialen Lage der Kunstschaffenden und Kunst- und Kulturvermittler_innen (2018) das geringste Einkommen aller Sparten. Die Hälfte der bildenden Künstler_innen verdient mit der Kunst unter 3.500 Euro netto pro Jahr. Das mittlere Jahres-Nettoeinkommen aus allen (künstlerischen, kunstnahen und kunstfernen) Tätigkeiten liegt bei 11.000 Euro. Bildende Künstler_innen, die ausschließlich künstlerisch tätig sind, erzielen bei künstlerischer Erwerbstätigkeit im Vollzeitausmaß ein Medianeinkommen von 8.800 Euro jährlich – und das bei einer Akademiker_innenquote von 64%.

… weil un(ter)bezahlte Arbeit Ausschlüsse produziert!

Viele bildende Künstler_innen sind zur Deckung des Lebensunterhalts auf weitere Erwerbsarbeit neben der künstlerischen Tätigkeit angewiesen. Dies führt wiederum zu strukturellen Benachteiligungen im Kunstfeld: Geringerer künstlerischer „Output“ und verminderte Flexibilität in Bezug auf Reisen und Auslandsaufenthalte wegen des Jobs und/oder Care-Arbeit passen nicht ins Bild der produktiven, „aufstrebenden“ Künstler_in. Kindererziehungszeiten und „verspätete“ Karriere bedeuten zusätzliche Ausschlüsse durch Altersgrenzen bei Förderungen und Stipendien.  

Wir präsentieren: Ein Leitfaden für faire Bezahlung in der bildenden Kunst!

Die IG Bildende Kunst und die Tiroler Künstler:innenschaft haben nun Empfehlungen für eine faire Bezahlung in der bildenden Kunst erarbeitet. Sie sollen Wege zu einer angemessenen Bezahlung aufzeigen und helfen, für Ausstellungen, Veranstaltungen und andere Vorhaben in der bildenden Kunst eine faire Bezahlung zu kalkulieren. Ein Leitfaden (mit Empfehlungen für Basissätze, insbesondere für den Ausstellungsbetrieb) und ein Honorarspiegel (mit Empfehlungen für Stundensätze, insbesondere für die künstlerische Produktion) ergänzen einander und stehen als Kalkulationshilfen zur Verfügung. Die begleitenden Frequently Asked Questions steuern vertiefende Informationen und Hintergrundwissen bei.

Wir fordern: pay the artist now!

Uns ist bewusst, dass die empfohlenen Beträge für viele in der Freien Szene noch nicht umsetzbar sind. Mit der Forderung nach angemessener Bezahlung wollen wir jedoch Künstler_innen und alle Akteur_innen, die mit bildenden Künstler_innen professionell zusammenarbeiten, einladen, gemeinsam für die Verankerung fairer Bezahlung einzutreten und die unverbindlichen Empfehlungen als Kalkulationshilfe zu nutzen, um gemeinsam und konsequent den finanziellen Bedarf aufzuzeigen – beispielsweise in Förderanträgen.

Damit einher geht auch die Forderung nach deutlicher Erhöhung der öffentlichen Ausgaben für Kunst und Kultur (von derzeit 0,5%) auf mindestens 1% des Bruttoinlandsprodukts (BIP), davon 50% für die Freie Szene. Wir fordern: Angemessene Bezahlung künstlerischer Arbeit! Keine öffentlichen Förderungen ohne angemessene Bezahlung künstlerischer Arbeit! Pay the artist now!