Zwischenbilanz nach Ende der "Pay the Artist Now!"-Infotour. Michael Strasser, in: Bildpunkt Nr. 70, 2024

Zwischen Utopie und Selbstverständnis

Eine Zwischenbilanz nach Ende der Pay the Artist Now! Infotour

Seit dem Erscheinen der von der Arbeitsgruppe Pay the Artist Now! erarbeiteten Tools für die bildende Kunst Ende 2021 – dem Leitfaden für faire Bezahlung, dem Honorarspiegel und den stetig wachsenden FAQs – und deren Anwendung in den folgenden Jahren, wurde uns klar, wie wichtig es ist, innerhalb der Szene nachzufragen. Da lag die Idee zur Pay the Artist Now! Infotour sehr nahe. Sheri Avraham, Vasilena Gankovska und ich haben die Infotour gemeinsam konzipiert. Zentral dabei war zum einen, über den aktuellen Stand des Fair-Pay-Prozesses zu informieren und zum anderen, so viele Erfahrungsberichte und Stimmungsbilder wie möglich zu sammeln. Wo machen die Werkzeuge Sinn und lassen sich gut einsetzen? Wo gibt es nach wie vor Probleme und braucht es Adaptierungen? Wie gestaltet sich das Arbeiten mit den adaptierten Einreich- und Abrechnungsformularen der unterschiedlichen Gebietskörperschaften? Wo stehen die unterschiedlichen Bundesländer im Fair-Pay-Prozesses? 

Die vier Tour-Stops Innsbruck, Klagenfurt, Graz und Linz haben deutlich gezeigt, wie unterschiedlich der Fair-Pay-Prozess an den unterschiedlichen Orten vorangeschritten ist und dass es in dem ein oder anderen Bundesland dringenden Nachholbedarf gibt.

Ein aufregender und produktiver Abend in Linz

Die Stadt Linz, die vergleichsweise noch am Anfang des Fair-Pay-Prozesses steht, hat unsere Kooperationsanfrage für die Tour zum Anlass genommen und die Abendveranstaltung im Theater Phönix vom 21. Mai 2024, organisiert von Vertreter:innen des Stadtkulturbeirates und Linz Kultur, als Auftakt für die aktuelle Kulturstrategie genützt und Fair Pay dadurch zu einem der zentralen Themen dieses Arbeitsprogramms gemacht. Nach einleitenden Worten durch die Veranstalter:innen, Olivia Schütz (Geschäftsführerin Theater Phönix), Oona Valarie Serbest (Vorsitzende des Stadtkulturbeirats Linz und GF FIFTITU%) und der Stadträtin und Kulturreferentin der Stadt Linz Doris Lang-Mayerhofer, ließen uns Nikola Majtanova und Marcin Denkiewicz mit ihrer Tanzperformance „Forthcoming“ auf ausdrucksstarke und wunderbar einfühlsame Art in das Thema des Abends eintauchen. Im folgenden Round-Table- Gespräch diskutierten Dagmar Aigner (Vorständin der Abteilung Kultur, Bildung, Wissen, Stadt Salzburg), Thomas Diesenreiter (Geschäftsführer, KUPF), Daniela Koweindl (kunstpolitische Sprecherin, IG Bildende Kunst), Johannes Nußbaumer (Gruppenleiter Kulturförderung, Abteilung Kultur, Land Oberösterreich), Julius Stieber (Kulturdirektor, Stadt Linz) unter der Moderation von Franz Koppelstätter & Uschi Reiter (afo – architekturforum Linz). Wichtigstes Fazit aus dieser Gesprächsrunde war abermals, dass es von Seiten der Politik ein Commitment und vor allem zusätzliche Budgets braucht, um Fair Pay nachhaltig umsetzen zu können. Gerade der Erfahrungsbericht von Dagmar Aigner gewährte interessante und nachahmenswerte Einblicke in das Modell mit dem die Stadt Salzburg seit 2022 schrittweise Fair Pay im Kunst- und Kulturbereich umsetzt. Unter anderem ist im Rahmen der Kulturstrategie 2024 ein „Kultur-Euro“ geplant, den die Stadt Salzburg zukünftig für jede Nächtigung einheben und davon 50% dem Kunst- und Kulturbudget zukommen lassen wird. Auch wurde deutlich, dass faire Bezahlung alleine nicht ausreicht, um eine nachhaltige Entwicklung zu gewährleisten und dass es mehrere zentrale Bausteine gibt, die es zu berücksichtigen gilt. Ein altbekanntes Problem vieler Kultureinrichtungen und Fördernehmer:innen ist die seit Jahrzehnten unregelmäßige bzw. oft nicht existierende Valorisierung von Fördermitteln durch die jeweiligen Gebietskörperschaften. Für viele Vereine und Institutionen bedeutet das über die Jahre einen Wertverlust der operativen Budgets von bis zu 50%. Was sich zuerst vornehmlich und nach außen wenig sichtbar in programmatischen Kürzungen und in unfreiwilligem Ehrenamt äußert, wird in Extremsituationen wie der Energiekrise von 2022 schnell zur existenziellen Bedrohung. Auch hier lohnt es sich, zur Orientierung einen Blick nach Salzburg zu werfen, wo die Abteilung Kultur der Stadt unter anderem eine jährliche Anpassung der Fördermittel an die Teuerungsrate bereits implementiert hat. 

Für mehr Budget-Transparenz und Engagement – Diskussion und Workshop in Graz

Dass auch beim Land Steiermark und bei der Stadt Graz dringender Handlungsbedarf besteht, war während unseres Tour-Stops in Graz Anfang April sehr deutlich zu spüren. Ein Thema, das während der Infotour immer wieder aufkam und in Graz unter anderem anhand der Steiermark Schau diskutiert wurde, war das Thema Transparenz. Neben fairer Bezahlung und Valorisierung von Fördermitteln ist die transparente Vergabe von Fördergeldern ein weiterer wichtiger Baustein für faire und nachhaltige Arbeitsbedingungen. Die Einladung zur Podiumsdiskussion im Zentrum für zeitgenössische Kunst <rotor>, durch unsere Kooperationspartner:innen der IG Kultur Steiermark, wurde durch die Kulturabteilung des Landes zur Gänze unbeantwortet gelassen. Schlussendlich diskutierten am Podium unsere Gastgeberin Margarethe Makovec (Leiterin und Gründungsmitglied des Zentrum für zeitgenössische Kunst <rotor>), Daniela Koweindl (IG Bildende Kunst), Vasilena Gankovska (AG Pay the Artist Now!, IG Bildende Kunst) und ich, Michael Strasser. Aus gesundheitlichen Gründen musste Michael Grossmann, Leiter des Kulturamts der Stadt Graz, seine Teilnahme kurzfristig absagen. Moderiert wurde die dennoch lebendige Diskussion, inklusive Beteiligung aus dem Publikum, von Simon Hafner (Vorsitzender der IG Kultur Steiermark). Die Besetzung des Workshops am Folgetag war dann deutlich ausgewogener. Es nahmen Künstler:innen aus der freien Szene, Vertreter:innen kleiner Kunstvereine und Kolleg:innen wichtiger lokaler Institutionen sowie Birgit Kulterer für das Kulturamt der Stadt Graz teil. Auch in Graz war der Grundtenor zum Thema und den ersten Schritten in Richtung faire Bezahlung in der bildenden Kunst ein positiver. Nichts desto trotz gibt es noch viel Unsicherheit in wie weit sich Stadt und Land dem Thema Fair Pay verpflichten werden. Ein herzlicher Dank an dieser Stelle geht an Lidija Krienzer-Radojević (Geschäftsführerin IG Kultur Steiermark) und Belinda Winkler (Projektleitung und Presse, Zentrum für zeitgenössische Kunst <rotor>) für die Organisation des Tour-Stops Graz.

Ein Glossar und Blick nach Vorne

Ein Grundproblem, das im Rahmen der Infotour immer wieder aufkam, hat mit der oft nicht eindeutigen Differenzierung unterschiedlicher Begriffe zu tun. Die Workshops gaben uns unter anderem die Möglichkeit, die Terminologie auf ihre Verständlichkeit hin zu testen. Und so begann parallel zur Infotour die Entwicklung eines Glossars zum Thema Fair Pay in der bildenden Kunst, das in Kürze als ein kleines Handbuch und zusätzliches Tool zur Verfügung stehen wird. 

Faire Bezahlung und faire Arbeitsbedingungen sind und bleiben ein herausforderndes Ziel, das kontinuierliches Engagement, Vernetzung und vor allem strukturelle Anpassungen braucht. Vielfach wird Kunst auch heute nicht als „Arbeit“ wahrgenommen und gerade deshalb braucht es eine breite Aufklärung in Form von Informationskampagnen, welche die Position von Künstler:innen und Kulturarbeiter:innen stärken, das Bewusstsein für die Bedeutung von Kunst und Kultur innerhalb der Gesellschaft schärfen und nicht zuletzt die damit einhergehende Wertschöpfung als wirtschaftlicher Faktor verdeutlichen. Die Fortschritte, die wir in den letzten Jahren erzielt haben, zeigen, dass Veränderungen möglich sind und dass unsere Forderungen nach fairer Bezahlung und fairen Arbeitsbedingungen zunehmend an Bedeutung gewinnen. Zentral dabei ist, dass es die gemeinsame Anstrengung von Künstler:innen, Institutionen, Politik und Gesellschaft braucht, um eine nachhaltige faire Bezahlung Realität werden zu lassen. Neben vielen Gesprächen und Erfahrungsaustausch hat die Pay the Artist Now! Infotour zur Stärkung von Netzwerken und zu mehr Solidarität untereinander beigetragen. Die Utopie einer fairen Bezahlung wird von Künstler:innen für Künstler:innen zur Realität von morgen geformt. Den wichtigsten ersten Schritt sind wir bereits gegangen! Die Bewegung wächst und neue Formate und Tools kommen sehr bald!


Michael Strasser ist bildender Künstler, Vorstandsmitglieder der Künstler:innen Vereinigung Tirol und Teil der Arbeitsgruppe Pay the Artist Now!

Hörtipp: Podcast Episoden zur Pay the Artist Now! Infotour unter: https://shorturl.at/cqyQ1