Universelles Grundeinkommen

Das wachsende Interesse an der Umsetzung des UBI – Universal Basic Income oder des bedingungslosen Grundeinkommens könnte als eine staatliche Politik gegen die negativen Auswirkungen der Automatisierung wahrgenommen werden. Es könnte als eine staatliche Politik zur Beseitigung der wachsenden Armut betrachtet werden. Es könnte als Versuch einer Regierung gesehen werden, die Macht des Staates auszuweiten, oder sogar als widersprüchlicher Versuch, eine Umverteilung von Macht anzuerkennen durch die Bildung eines Gesellschaftsvertrags zwischen Menschen, die zusammenleben und eng miteinander verbunden und voneinander abhängig sind, wie COVID-19 beweist. Es besteht kein Zweifel daran, dass die Wirtschaftskrise, in der wir uns aufgrund der Pandemie befinden, und die die Regierungen dazu bringt, ein bisschen länger in den Staatskassen zu graben und den Einwohner_innen Geld zu geben, einer einst utopisch erscheinenden Wirtschaft eine größere Popularität verschafft hat.

Soweit sollte es klar sein. Dies ist kein Forschungstext, der Objektivität vorgibt, eher ist es eine neue Kolumne mit (m)einer Meinung. Jedoch bin ich auch interessiert, hier andere Meinungen zu diskutieren. In den nächsten Bildpunkt-Ausgaben soll sich die Kolumne jeweils auf eine Frage im Zusammenhang mit dem Platzhalter namens Universelles Grundeinkommen konzentrieren. Wir werden wirtschaftliche, soziologische, philosophische und politische Expert_innen bitten, uns ihre Ansichten mitzuteilen.

Ein universelles Grundeinkommen oder Arten von Sozialschutz, der ein einkommensartiges System ist, oder anders ausgedrückt: Arten von regel­mäßiger Zahlung, die direkt an die Individuen überwiesen wird, wurde schon mehrmals eingeführt oder erprobt. 2010 war der Iran der erste Staat, der ein einkommensbasiertes System einführte, das sich hauptsächlich über die Öldividende finanziert, dies jedoch nur für seine Bürger_innen. Die Mongolei experimentierte mit einem universellen Grundeinkommen von 2010 bis 2012 [1] und teilte die Dividende aus den Gewinnen der vorhandenen Mineralien. Auch in Alaska gibt es seit 1982 ein universelles Grundeinkommen durch den Alaska Permanent Fund, der ein einkommensähnliches Schema pro Einwohner_in zahlt.

In den Vereinigten Staaten von Amerika hat Andrew Yang, ein demokratischer Präsidentschaftskandidat bei den Wahlen 2020, seine Kampagne auf die Forderung eines universellen Grundeinkommens ausgerichtet. Damit hat er ein öffentliches Bewusstsein geschaffen, das mit der relativ großen Zustimmung innerhalb der Demokrat_innen und der Republikaner_innen zum Corona Virus Aid, Relief, and Economic Security Act führte, eine einmalige Barzahlung an Einzelpersonen als Reaktion auf die Wirtschaftskrise infolge der ­Covid-19-Pandemie.

Was ist mit Österreich?
Nun… Als Antwort auf die aktuelle Wirtschaftskrise hat Österreich das U in UBI fallen gelassen: Es gibt weder ein universelles noch ein bedingungsloses Grundeinkommen, sondern unterschiedliche Möglichkeiten für Einwohner_innen, eine Zahlung zu erhalten. Auch hier gibt es Menschen, die sich seit langem für unkompliziertere und nachhaltigere Modelle einsetzen und das UBI auch in Österreich umsetzen wollen. Ingrid Farag und Klaus Sambor reichten bereits 2019 im Namen einiger Organisationen ein Volksbegehren mit dem Titel „Bedingungsloses Grundeinkommen umsetzen“ beim Innenministerium ein.[2] Bis Ende 2021 können Wahlberechtigte dieses wichtige Volksbegehren unterstützen.[3]

Warum also ein universelles Grundeinkommen?
Ich möchte die Frage anders formulieren: Warum nicht? Es gibt viele offene Fragen im Zusammenhang mit so einer Wirtschaftsreform. Einige sind interessanter als andere, aber die meisten werfen neue Fragen und viele mögliche Antworten auf: Wie wirkt so eine Reform auf wenig privilegierte Personen in verschiedenen Teilen der Erde? Wird der Globale Norden die soziale Reform erneut durch Ausbeutung finanzieren? Wie könnte die Reform in Ländern mit einem komplexen Sozialschutz wie in Österreich ausschauen? Und zuletzt: Sind Wir – die Menschen, die in dieser globalisierten Welt leben – bereit für so eine globale Reform?

Weniger interessante Fragen kurz beantwortet:

Woher wird das Geld kommen?
#wo ein Wille ist, ist auch ein Weg, Punkt #globale Steuerreform: Amazon / Google / Saudi Arabian Oil Company/ Microsoft / Apple / Nestlé / Alibaba / Facebook und so viele weitere Möglichkeiten.

Werden Menschen aufhören zur Arbeit zu gehen?
Grundeinkommen-Experimente[4] in verschiedenen Teilen der Welt zeigen, dass dies nicht der Fall ist. #attraktiver Lohn für wenig attraktive Arbeit: bei der MA48[5] hat es sehr gut funktioniert.

Aufgrund des UBI werden andere Sozialleistungen beschränkt oder sogar abgeschafft?
Die Möglichkeit der Kürzung von Sozialleistungen besteht leider mit oder ohne UBI.


Sheri Avraham wurde 1979 in Beit Dagan geboren. Sie ist Künstlerin, Kuratorin und Theatermacherin und lebt und arbeitet in Wien. Sie sieht ihre Praxis als Übersetzungsprozess zwischen Klassen, Religionen, Geografien und Generationen. 


[1] https://basicincome.org/news/2020/09/mongolias-resource-to-cash-transfers/#_ftn1

[2] Eligible for the direct cash payment were U.S. citizens, green card holders, refugees, asylees, and others with no minimum residency requirement. (https://home.treasury.gov/policy-issues/cares)

[3] www.bmi.gv.at/411/start.aspx#pk_00

[4] Mehr Info:

– Black S, Schanzenbach D, Breitwieser A., The Recent Decline in Women’s Labor Force Participation. In: Schanzenbach D, The 51%: Driving Growth through Women’s Economic Participation. The Hamilton Project, 2017, pp. 5–17.

– Calnitsky D, Latner JP, Basic income in a small town: understanding the elusive effects on work. In: Social Problems 64(3): 373–97, 2017.

– Cesarini D, Lindqvist E, Notowidigdo M, ­Östling R., The effect of wealth on individual and household labor supply: evidence from Swedish lotteries. American Economic Review 107(2), 2017, 3917–46.

– Jones D, Marinescu I., The labor market impacts of universal and permanent cash transfers: evidence from the Alaska Permanent Fund. Working Paper 24312, National Bureau of Economic Research, Cambridge (MA) 2018.

[5] Abfallwirtschaft und Straßenreinigung in Wien.