Transnationale Bildungskämpfe und nationale Verfehlungen

Ein Kommentar zur Universitätsgesetz-Novelle

Stürmisch geht es zu in den hochschulpolitischen Landschaften dieser Tage. Wer die Beispiele dafür verfolgt, dass der universitäre Raum politisch umkämpft und derzeit vielerlei Angriffen ausgesetzt ist, sieht wie in Ungarn massiver politischer Einfluss von rechts auf die Hochschulstruktur ausgeübt wird, wie in bayrischen Hochschulen Selbstverwaltungsstrukturen abgebaut, in Griechenland Proteste gegen eine geplante Reform des Bildungsgesetzes verboten und in der Türkei Parteifunktionäre auf Rektoratsposten gesetzt werden. Das hiesige Pendant solcher Angriffe reiht sich in einen transnationalen Trend ein. Das österreichische Bildungsministerium hat sich nach den Wirren des ersten Corona-Semesters entschlossen, weiter an den Plänen einer Novellierung des Universitätsgesetzes (UG) festzuhalten und präsentierte am 1. Dezember 2020 den Gesetzentwurf. Darin befanden sich einschneidende Änderungen im Studien-, Organisations- und Personalrecht, die zu österreichweiten Protesten und Widerstand gegen die geplante Novelle führten. Nachdem die Begutachtungsfrist mit über 600 eingereichten Stellungnahmen zum Gesetz endete, legte der Minister*rat dem Parlament einen geänderten Entwurf vor.

Auch in diesem abgeschwächten Entwurf bleibt eine Mindestleistung von 16 ECTS pro vier Semester mit zweijähriger Sperrfrist bei Nichterbringung erhalten – egal ob Studierende ihr Studium durch Erwerbsarbeit finanzieren müssen, ob sie Care Arbeit leisten oder chronisch krank sind. Auch im abgeschwächten Entwurf werden Beschäftigungsverhältnisse des befristeten Mittelbaus prekarisiert und ein de facto Berufsverbot ermöglicht, wenn befristete Verträge nicht nach acht Jahren in unbefristete Stellen übergehen. Und es bleibt bei einer Schwächung der inneruniversitären Demokratie zugunsten direkter politischer Einflussnahme der Politik auf die Universitäten, unter anderem durch die Einführung einer Richtlinienkompetenz bei der Gestaltung der Studienpläne. Es wurden – wenn auch nun in einer weniger sichtbaren Form – gesetzliche Instrumente geschaffen, die einem neoliberalen und wirtschaftsaffinen Verständnis von Wissenschaft und Bildung zuträglich sind, jedoch Fragen und Herausforderungen unserer Zeit nicht beantworten können.

Es ist wichtig die gesetzlichen Entwicklungen nicht als singuläre Ereignisse zu sehen, sie müssen in einem größeren Zusammenhang kritisiert werden, um ihre Tragweite zu erfassen. Wie eingangs beschrieben, ist dies ein europäischer Zusammenhang, der im konservativen Idealbild der Ordinarienuniversität der 1960er-Jahre seinen Ursprung hat und mit dem Bologna-Prozess seit den Nullerjahren fortgeführt wird. Die vom Ministerium vorgelegten Entwürfe und damit einhergehende Vorstellungen von Hochschule müssen als Einschränkung der Hochschulautonomie und der freien Bildung verstanden werden.

Es gilt einem bevorstehenden Kahlschlag des politischen Hochschullebens und der Politik eines erstarkenden Elitarismus mit geschichtlichem Bewusstsein und transnationalen Perspektiven entgegenzutreten, denn unsere Bildung brennt!


Johannes Rips ist Referent für Bildungspolitik der Hochschüler_innenschaft der Akademie der bildenden Künste Wien.