Bildpunkt: Ist Ironie eine Waffe im feministischen Kampf?
Denice Bourbon: Ja, absolut! Ironie und Sarkasmus sind -großartige -Werkzeuge, um die absolute Absurdität der männlichen weißen Vorherrschaft aufzuzeigen. Und Ironie und Humor, als die händchenhaltenden Liebhaber*innen, die sie sind, bewahren uns davor, völlig den Verstand zu verlieren, wenn wir die Verteilung von Macht und Reichtum beobachten und sehen, was für lächerliche, komische Typen darüber verfügen. Zum Beispiel: Das „Umkehrspiel“ spielen, bei dem in einem Text alle Geschlechter vertauscht werden, wie in Gerd Brantenbergs Die -Töchter Egalias. Das ist ein großartiges Beispiel für Ironie als feministische Waffe in einem Roman.
Ella Carina Werner: Ironie ist eine Waffe unter vielen – ja, natürlich! Für feministische Humoristinnen ist sie ein wesentliches Mittel. Beispielsweise funktioniert Ironie ganz wunderbar im historischen Comic The trouble with women von Jacky Fleming, in dem diese sorgfältig begründet, warum es über die Jahrhunderte so wenige berühmte Frauen gab („there were a few women, but their heads were very small, so they were rubbish at everything apart from needlework and croquet“) – erst durch diesen affirmativen Dreh, diese Ironie, wird die Ignoranz gegenüber Frauen umso greller und komischer sichtbar.
Bildpunkt: Ella, Du hast gemeinsam mit Katinka Buddenkotte ein Buch mit lustigen Texten und Bildern von Frauen herausgegeben. Es gibt zwar keinen „weiblichen Humor“, schreibt ihr, aber weibliche Erfahrungswelten, aus denen besondere Aussageformen hervorgehen. Inwiefern?
Ella Carina Werner: Es gibt Erfahrungen, die halt vor allem oder ausschließlich Frauen machen, wie Schwangerschaft, Menstruation oder Menopause, Themenfelder, die humoristisch bislang weitgehend brachliegen – ja, letztlich das gesamte Aufwachsen als weiblich sozialisierte Person, zu dem auch gehört, stark über das eigene Aussehen wahrgenommen zu werden. Guter Input für politische Satire: Auch der Blick auf die (ja überwiegend männlichen) Mächtigen ist aus weiblicher Perspektive ein anderer, kommt mehr „von außen“. Ich mag es etwa, Politiker mit -Attributen wie „drollig“ oder „putzig“ auch ein bisschen kleinzumachen, zum Objekt zu degradieren. Wenden männliche Satiriker selbige Begriffe auf andere Männer an, hat das eine andere Wirkung.
Bildpunkt: Denice, Du bist ja nicht nur selbst Performerin, sondern auch -Organisatorin von PCCC* (Politically Correct -Comedy Club). Was war der Anlass dafür?
Denice Bourbon: Ganz einfach: Ich liebe Stand-Up-Comedy, und die einzige Stand-Up–Comedy, die ich in Wien gefunden habe, kam von heterosexuellen cis-Männern mit einem nicht enden wollenden Drang, über ihre Schwänze zu reden. Schlechte Witze, gewürzt mit der üblichen homotrans*fett-Phobie und dem gängigen Rassismus und Sexismus. Ich wollte gute Comedy sehen, also wusste ich, dass ich sie selbst machen muss! Bitte beachten, dass Kabarett und Stand-Up-Comedy nicht dasselbe sind! Und auch, dass sich die Zeiten geändert haben, seit wir 2017 angefangen haben. Wien hat jetzt viel mehr gute Comedians. Die -meisten von ihnen allerdings bei PCCC*, hahaha.
Bildpunkt: Theoretische Abhandlungen zu Komik, Humor und Ironie sind bis heute größtenteils geschlechtsblind. Dabei waren nicht nur die Kabarettbühnen und Redaktionen von Satiremagazinen noch bis vor wenigen Jahren extrem männlich dominiert. Gleichzeitig war Ironie gerade für feministisch inspirierte Künstlerinnen wie beispielsweise Pipilotti Rist oder Carola Dertnig eine wichtige Methode, um sich auch gegenüber einem bestimmten Genie-Habitus ihrer männlichen Kollegen zu behaupten. Wie schätzt ihr die aktuelle Situation ein?
Denice Bourbon: Ich bin eine unermüdliche Optimistin und denke, dass jeder Schritt, den wir zurück gehen, einen weiteren nach vorne mit sich bringt. Es ist für die binary- and male-worshipping straight cis society nicht länger möglich, uns zu ignorieren. Ich würde auch sagen, dass die „angry-baby-screams“, die wir immer wieder in Bezug auf „cancel culture“ hören (ein erfundenes Phänomen, das es nicht gibt) und dass die Gruppe „weiße heterosexuelle cis-Männer“ jetzt beim Namen genannt wird und nicht mehr nur „die Leute“ sind, alles Beweise dafür sind, dass es in die richtige Richtung geht. Auch all die Memes, die sich über das zerbrechliche männliche Ego lustig machen, zeugen davon. Nicht zu vergessen mein Lieblingsspruch: „Ich wünschte, ich hätte das Selbstvertrauen eines mediokren weißen Mannes“! Dass die Reaktionen auf diese Witze, Wortspiele, Sprüche und, to be honest, Wahrheiten aus der Männerwelt dort drüben überwältigend laut, defensiv und völlig humorlos sind, finde ich fantastisch unterhaltsam. Ihre Reaktionen sprechen Bände.
Ella Carina Werner: In der Literatur existiert auch bei Männern kein wirklicher Geniekult mehr. Ich freue mich über die quatschig-ironische Bossy-Attitüde einer Stefanie Sargnagel („Immer wenn mein Professor Daniel Richter auf Kunststudentenpartys auftaucht, verhalten sich plötzlich alle so, als würde Gott zu seinen Jüngern sprechen. Ich weiß nie, wie ich damit umgehen soll, weil ich ja Gott bin“), aber genauso über das Gegenteil: Das nüchterne, genie-ferne Sichtbarmachen der eigenen Arbeitsmittel, etwa wenn ein*e Humorist*in im Interview aufdröselt, wie sie ihre Pointen aufbaut, um ihr künstlerisches Schaffen auch mal als schnödes, erlernbares Handwerk zu präsentieren.
Bildpunkt: Ironie wurde eine Zeit lang auch als emanzipatorische politische Strategie angesehen, als antiautoritäre Geste sozusagen. Aber die Distanz, die sie zum Ernst der Dinge aufbaut, schlägt auch leicht um: in Überheblichkeit oder in Zynismus. Wie lässt sich dieses Abdriften verhindern?
Ella Carina Werner: Indem Ironie nicht der Modus der gesamten Weltwahrnehmung ist, sondern als ein in diesem oder jenem Kontext gerade passendes Stilmittel eingesetzt wird, idealerweise, um gesellschaftliche Schieflagen sichtbar zu machen.
Denice Bourbon: Eine Sache, die ich an den 90ern gehasst habe, war genau das: die übertriebene Ironie, die zynische Arschlöcher für cool und Freundlichkeit für uncool hielt. Aber ich glaube auch, dass das ein ziemliches dude-bro thing ist, ein Männerding. Überheblichkeit und Zynismus sind beides sehr toxische männliche Waffen. Deshalb mache ich mir persönlich darüber keine Sorgen. Wie kann man das vermeiden? Ganz einfach: Sei kein Tyrann und kein Arschloch. Und wenn wir uns die Comedy der 90er Jahre anschauen, gab es großartige feministische Shows und Sitcoms, die völlig auf Ironie basierten, ohne einen schlechten Geschmack im Mund zu hinterlassen: French & Saunders, Absolutely Fabulous, Smack the Pony (alle aus Großbritannien, der Hochburg des ironischen Humors).
Denice Bourbon is a lesbian/queer feminist performance artist, singer, writer, show host, curator, and stand-up comedian. Sie nutzt Humor und Unterhaltung als aktivistische Mittel, um auf politische Themen aufmerksam zu machen. 2017 gründete sie den Politically Correct Comedy Club (PCCC*).
Ella Carina Werner lebt als Satirikerin, Kolumnistin sowie Mitherausgeberin des Satiremagazins TITANIC in Hamburg. Im Mai erscheint ihr neuer Geschichtenband Man kann auch ohne Kinder keine Karriere machen im Rowohlt Verlag.
Das „Gespräch“ wurde im Februar 2023 von Sophie Schasiepen und Jens Kastner per E-Mail geführt.