Schon wieder Corona? Naja, eigentlich noch immer. Noch immer ein neuer griechischer Buchstabe, kurz vor Schließungen und eigentlich auch noch immer Krise. Die Pandemie trat als Auslöser einer Wirtschaftskrise in Erscheinung, die uns eigentlich schon lange begleitet hatte. Sie sagen: Wir müssen lernen, wie wir mit COVID-19 leben müssen … Ja. Aber müssen wir das auch mit einem Wirtschaftssystem, das für keine:n von uns wirklich funktioniert hat? Das Wirtschaftssystem, mit dem wir gezwungen sind, mitzuspielen, ist nicht das Problem. (Warte …) Es ist ein Handbuch, das von Leuten erstellt wurde, die wir (aus)gewählt hatten, um für uns einen politischen Rahmen zu gestalten, damit wir in der Lage sind, zwischen unseren persönlichen und unseren kollektiven Bedürfnissen zu manövrieren.
Diese handgefertigte Ordnung – die politische Ordnung – sollte auf der Grundlage einer Tauschvereinbarung entstehen und besteht darin, dass wir einigen Menschen etwas Macht zugestehen und uns – uns allen – unter anderem Schutz, Nahrung und Beschäftigung gewähren. Aber was uns bleibt, und das schon lange vor 2008, sind kurzfristige Lösungen und Aufarbeitungen der neoliberalen Ordnung, die eigentlich nur widerspiegeln, wie sehr wir in einer „noch immer“ politischen Stagnation stecken. In der berühmten Krise von 2008 hatten unsere politischen Akteur:innen beschlossen, diejenigen mit Liquidität zu versorgen, die als die Urheber:innen von allem bezeichnet werden können, und dadurch die Ungleichheit weiter zu vergrößern und die Kluft zu einer Schlucht zu machen.
Die Episode von 2008 hat es auch möglich gemacht, unsere Wahrnehmung des Kapitalismus zu radikalisieren. Deshalb sind glücklicherweise neue politische Bewegungen mit Forderungen entstanden, die für viele mehr von uns logisch sind. Eine davon war nach radikalen Veränderungen bei der Verwaltung unserer Wirtschaft. Die lauten Stimmen dieser neuen Bewegungen hätten dazu dienen können, in der Episode ab 2020 die Liquidität direkt auf unsere Bankkonten fließen zu lassen. 2008, 2016 oder 2020 sind nicht „schon wieder“, sondern noch immer. Die immer noch verdrehte Logik der Erstattungsmechanismen, die darauf abzielen, die ausgebeuteten Sektoren zu schützen, sie aber in Wirklichkeit innerhalb der Armut halten: COVID-Fonds, aber auch Mindestsicherung und Arbeitslosengeld. In der aktuellen Episode sprechen mehr und mehr Betroffene dieser exponentiell wachsenden prekären Sektoren, denen das universelle Grundeinkommen als Unsinn – Utopie – erschien, darüber. Sie mögen die Idee mit stichhaltigen Argumenten ablehnen, während sie die begehrten Gelder kassieren. Aber das Grundeinkommen ist in aller Munde.
Unsere Herausforderung bist nicht du, mein:e liebe:r Leser:in, sondern ist es, Affinität und Verbundenheit zu diesen Sektoren zu schaffen, die wir jahrzehntelang damit beschäftigt waren, zu kritisieren, zu dem grundlegenden Verständnis, dass wirtschaftliche Sicherheit ein Ergebnis des Verwaltens ist, das den aktuellen Bedarf widerspiegelt, und dass es nichts mit Arbeit zu tun hat, sondern vielmehr mit der Vereinbarung, dass darauf die aktuelle politische Struktur (der Staat) entstanden ist. Es ist, jedem von uns ein nachhaltiges Leben zu gewähren – Unterkunft, Ernährung und Beschäftigung.
Sheri Avraham ist Vorstandsmitglied der IG Bildende Kunst und Redakteurin des Bildpunkt.