Als ich letzten Sommer auf der Weight Stigma Conference in Prag einen Preis für das beste Plakat in einem Plakatwettbewerb bekam, waren es keine wissenschaftlichen Forschungsergebnisse, die überzeugten, sondern der niederschwellige Zugang über visuell starke Arbeiten und die damit einhergehende ungewöhnliche Methodik. Das Schöne an der Kunst ist, dass sie auf so vielen Ebene fordert und anspricht und eben forscht, und dass diese Besonderheit im Stande ist, auf Ebenen jenseits der Sprache zu vermitteln. Es wäre zu schön, um wahr zu sein, wenn sich dieses Spezifikum in den Leistungsvereinbarungen zwischen Kunstuniversität und Ministerium wiederfinden würde. Denn es ist nun mal so, dass für eine (konventionell) akademisch wissenschaftliche Karriere, sofern man diese anstrebt, Sprache das Mittel und Erkenntnisgewinn die Voraussetzung ist. In vielen Fällen führen diese Voraussetzungen allerdings zu einem unüberbrückbaren Spagat, der mitunter die Kunst zur Illustration wissenschaftlicher Erkenntnisse verkommen lässt oder die wissenschaftlichen Erkenntnisse wildeklektisch in künstlerische Arbeiten zu verwursten sucht.
Ich selbst habe mich noch nie also solche benannt: Künstlerisch Forschende oder besser forschende Künstlerin. Als ich mich entschied, diesen Weg einzuschlagen, war es die Selbstbezogenheit innerhalb der Kunst, die mich persönlich langweilte. Ich lechzte danach, unter Menschen zu sein und deren Geschichten zu erfahren. Meine Biotope, in denen ich heute lebe, liegen (auch) außerhalb der Kunstwelt, während ich die Mittel der Kunst nutze, um diese sichtbar werden zu lassen. Eine sogenannte Portfoliokarriere zu machen und somit sein Leben auf mehreren (finanziellen) Pfeilern aufzubauen, ist nicht immer einfach und durchaus mit vielen Selbstzweifeln verbunden: Künstlerin, Aktivistin, Theoretikerin, Sozialwissenschaftlerin und Medizinerin im Selbststudium, selbstverständlich neben der Fundraiserin, der Lohnarbeiterin, die die ansteigenden Lebenshaltungskosten deckt und der Buchhalterin, die das Finanzielle hybrider Arbeitsverhältnisse in Schach hält.
Und damit nicht genug, einer meiner heimlichen Wünsche wäre auch noch *tata* Buchautorin… Woran es bisher scheiterte, ist das nötige Handwerkszeug, denn um ein sinnerfassendes Buch bzw. auf akademischem Niveau eine Abschlussarbeit mit dreistelliger Seitenzahl zu verfassen, braucht es schlichtweg eine andere Struktur als Kunststudierende erlernen. Diese Erkenntnis fällt im Übrigen nicht nur mir auf den Kopf, sondern ebenso vielen Kunstuniversitäten, die brav nach den Leitlinien von Bologna wohlklingende Postgraduate- Programme und Ph.Ds in Practice eingeführt haben und noch immer tun. Momentan bleibe ich jedenfalls Buchautorin in spe. Wer künstlerisch forschend arbeitet, tanzt sprichwörtlich auf vielen Hochzeiten, wenn auch mitunter dilettantisch. Dennoch möchte ich sie nicht missen: Meine Fat Activists, KünstlerInnenfreundInnen, meine Krankenschwestern und meinen herzallerliebsten Krankenpfleger, meine PhilosophInnen und InterviewpartInnen aller „Class, Race & Genders” sowie meine immerfort positive Galeristin. Ohne euch wäre meine Arbeit niemals so reichhaltig.
Veronika Merklein lebt und arbeitet hauptsächlich in Wien. Als Künstlerin arbeitet sie in verschiedenen Medien mit dem Schwerpunkt Performancekunst.