Online-Umfrage zu Ateliers: Knappes Gut

324 Künstler_innen beantworteten bis Herbst 2019 den Online- Fragebogen der IG Bildende Kunst zu Ateliers. Vorweg: Die Befragung ist nicht repräsentativ. Sie bietet jedoch einen Einblick in die Ateliersituation bildender Künstler_innen, vertieft durch zahlreiche Kommentare in freien Textfeldern.

Lebt und arbeitet …
Drei Viertel der Teilnehmenden wohnen in Wien, 9% in Niederösterreich, 7% in Oberösterreich, 3% in der Steiermark, je 2% im Burgenland und Tirol. Auch einige Künstler_innen aus Salzburg, Vorarlberg und Kärnten haben sich beteiligt. Gut 80% leben in großen Städten, knapp 7% in einer Kleinstadt, 13% wohnen in einer ländlichen Region. Viele Künstler_innen arbeiten in mehreren Sparten oder interdisziplinär. Am häufigsten vertreten ist die Malerei (45%), gefolgt von konzeptueller Kunst (31%), Fotografie (28%), Bildhauerei (25%), Grafik (25%), Medienkunst (22%) und Performance (12%). Weitere Betätigungsfelder sind unter anderem Mode, Textilkunst, Schmuck, Keramik, Kunst im öffentlichen Raum oder künstlerische Forschung. Daraus ergeben sich sehr unterschiedliche Anforderungen an Arbeitsräume, von Tageslicht bis Dunkelkammer, von hohen Decken, belastbaren Böden, Toleranz für Schmutz oder Lärm bis zu Vorkehrungen für empfindliche Arbeitsmaterialien.

„Ich kann es mir nicht leisten, nur als Künstlerin zu arbeiten.“ [1]
34% der Teilnehmenden arbeiten ausschließlich, 40% überwiegend als Künstler_innen. Hingegen sind 22% hauptsächlich in nicht-künstlerischen Bereichen tätig, um ihren Lebensunterhalt zu sichern. Die übrigen nennen etwa künstlerische Tätigkeit in der Pension, AMS-Leistungen oder wechselnde Arbeitssituationen.

„Zu wenig Räume, Mieten zu hoch, kaum bis gar keine Förderungen“
67% der Teilnehmenden verfügen über ein Atelier. Davon geben 86% an, dass ihre Ateliers nicht gefördert sind. Die immerhin zweistellige Prozentzahl von Atelierförderungen, die sich scheinbar daraus ergibt, täuscht allerdings aufgrund einer Besonderheit in Wien: Die unter Förderungen der Stadt Wien gelistete Befürwortung eines Arbeitsateliers, für die bildende Künstler_innen sich einmal jährlich bewerben können, ist keine finanzielle Förderung. Sie stellt lediglich eine Empfehlung dar, mit der Künstler_innen bei der Vergabe von Ateliers in Gemeindebauten vorgereiht werden. [2] Förderateliers bzw. Förderung für Atelierkosten bildender Künstler_ innen seitens der Stadt Wien gibt es derzeit nicht. Abzüglich der nur durch diese Befürwortung unterstützten Künstler_innen in Wien ergeben sich 91% ungeförderte Ateliers bei den Teilnehmer_ innen. Lediglich 4% der Künstler_innen mit Atelier erhalten eine Förderung durch Städte und Gemeinden, 3% vom Bund und 2% durch Stiftungen. In Wien werden 4% der Ateliers vom Bund und 1% von einer Stiftung, 95% hingegen nicht gefördert.

„Ich habe drei Jahre nach einem Atelier gesucht.“
Viele Künstler_innen beschreiben die Schwierigkeiten, ein passendes Atelier zu finden. Oft gehen sie Kompromisse bei der Größe, Lage oder Ausstattung ein. Fast ein Viertel der Ateliers der Befragten hat keine Heizung, zwei Drittel sind schlecht isoliert, 15% haben keine Toilette. Dennoch sind fast drei Viertel der Befragten mit ihrem Atelier zufrieden. 60% der Teilnehmenden haben ein Atelier für sich allein, 35% einen Arbeitsplatz in einem Gemeinschaftsatelier. Die übrigen Künstler_innen beschreiben etwa, dass sie ihr Atelier zeitweise untervermieten, oder dass es Teil ihres Wohnraums ist. Rund die Hälfte der Teilnehmer_innen kann ihr Atelier unbefristet nutzen. 33% haben befristete Verträge. Vielen von den übrigen gehört ihr Arbeitsraum. Jedoch geben manche auch an, keinen Mietvertrag zu haben, andere nutzen Räume mit einem Prekariatsvertrag. Ein Prekariat bedeutet die Überlassung von Räumen mietfrei oder gegen einen symbolischen Betrag bzw. die Zahlung der Betriebskosten. Das Prekariat kann jederzeit widerrufen werden.

„Wohne ich in meinem Atelier oder arbeite ich in meiner Wohnung?“
33% der Teilnehmenden verfügen nicht über ein Atelier. Lediglich 5% von ihnen nennen als Grund, dass sie keines brauchen. Mehr als die Hälfte hat bisher kein bezahlbares Atelier gefunden. 18% gaben ihr Atelier auf, weil sie es sich nicht mehr leisten konnten. 7% erhielten keine Vertragsverlängerung, 4% gaben ihr Atelier wegen einer Mieterhöhung auf. 8% konnten keinen Raum finden, der ihren Anforderungen entspricht.

„Wohin mit den Werken?“
Auf der Wunschliste für die Ausstattung steht nach Toilette und Heizung an dritter Stelle eine Lagermöglichkeit (67%). Zwischennutzungen sind für bildende Künstler_ innen oft keine Option, weil Transport und Lagerung ihrer Arbeiten und Materialien zu aufwändig sind. Jeweils 34% der Künstler_innen auf Ateliersuche wünschen sich einen Raum, der für öffentliche Veranstaltungen geeignet ist, sowie eine Küche.

„In der Stadt würde ich kein so günstiges Atelier finden.“
Manche Teilnehmende, die nicht in einer Stadt leben und arbeiten, heben geringere Atelierkosten im ländlichen Raum hervor. Andere beklagen dort die mangelnde Auswahl an geeigneten Arbeitsräumen. Die Ateliers vieler Künstler_innen am Land sind keine gemieteten Räume, sondern Eigentum, oft liegen sie im eigenen Haus. Zwar bietet unsere Umfrage keine belastbaren Daten, wirft aber die Frage auf, ob und welche Arbeitsräume für Künstler_innen abseits von Hausbau oder Immobilienmarkt außerhalb größerer Städte zu finden sind.

Strukturelle Hürden
Teilnehmer_innen nutzten die Kommentarfelder auch, um auf strukturelle Ungleichheiten bei der Ateliervergabe hinzuweisen, etwa Hürden für nicht im Kunstfeld etablierte Personen sowie ältere Künstler_innen. Auch Auswirkungen der oft prekären Arbeitssituation bildender Künstler_innen werden angeführt: „Als (unfreiwillige) Nebenerwerbskünstlerin habe ich keinen Zugang zu geförderten oder günstigen Ateliers. Es ist schwer aus dieser Spirale wieder herauszukommen, die einen aus dem Kunstschaffen langsam aber sicher hinausbugsiert.“ Das Fehlen eines geeigneten Arbeitsraums erschwert zusätzlich die Produktion von Werken. Mehrere Künstlerinnen problematisieren ihr Arbeiten im Wohnraum. „Viele Künstler_innen haben ihr Atelier in der eigenen Wohnung und erfahren das Problem, dass sich ihr Arbeitsbereich immer mit dem Privatbereich (z.B. Haushalt, Kinderbetreuung) vermischt. Das macht den Arbeitsprozess und die eigene Anerkennung oft schwierig.“

Wien: „Entweder teuer, dafür Lage okay, oder billig, dafür im feuchten Keller oder weit draußen“
Viele Künstler_innen aus Wien beklagen hohe Mieten, selbst bei schlechtem Zustand, und ein geringes Angebot an Räumen, die keine „Schreibtischateliers“ sind. Unzufriedenheit und Missverständnisse gibt es in Bezug auf die Atelierbefürwortung der Stadt Wien. Wie beschrieben, bewirkt die Befürwortung auf Empfehlung eines Fachbeirats lediglich eine Vorreihung bei der Vergabe von Ateliers in den von Wiener Wohnen verwalteten Gemeindebauten. Dies sind sehr einfache Gewerberäume, nicht selten im Keller oder Dachgeschoß. Ein Programm zur Atelierförderung, das den Kostenanteil der Künstler_innen für solche Ateliers reduzieren oder eine bessere Ausstattung der Räume ermöglichen würde, existiert in Wien derzeit nicht. Manche Wiener Künstler_innen beschreiben, dass sich die Ateliers, für die sie eine Befürwortung erhalten haben, gar nicht leisten können – trotz des niedrigen Standards dieser Räume, der als Ausstattung lediglich fließend kaltes Wasser und eine Toilette vorsieht. Die IG Bildende Kunst hat bei Wiener Wohnen und der Stadt Wien Kultur nachgefragt und Fragen und Antworten zur derzeitigen Vergabe von Ateliers in Gemeindebauten zusammengestellt. [3]

In Wien findet am 17. und 18. April ein internationales Symposium zu Räumen und Infrastruktur für Kunst und Kultur auf Initiative der Kulturstadträtin Veronica Kaup-Hasler in Zusammenarbeit mit Interessenvertretungen statt. Um die fehlenden leistbaren Arbeitsräume für Künstler_innen zu schaffen, braucht es Lösungen auf politischer Ebene.


Jannik Franzen ist kunstpolitische_r Sprecher_ der IG Bildende Kunst.

[1] Die Zwischenüberschriften sind Zitate aus den Kommentarfeldern.
[2] www.wien.gv.at/amtshelfer/kultur/projekte/subventionen/atelier.html
[3] https://www.igbildendekunst.at/politik/raeume.htm