Es kommt nicht oft vor, dass in einem Hollywood-Film jemand Karl Marx zitiert. Darum darf es, wenn es doch geschieht, schon ein bissl ungenau sein, nicht einwandfrei korrekt wiedergegeben, sondern nach jener Art von Übersetzung, durch die Wiedergabe, Reproduktion, erst lebbar wird. Jedenfalls wird klar, was und wer gemeint ist, wenn in Scream IV aus dem Jahr 2011, der jüngsten Ausgabe einer Reihe selbst- und medienbewusster Slasher-Horrorfilme, der seit Scream Teil 1 von 1996 gealterte Kleinstadt-Hilfssheriff Dewey tiefsinnig seufzt: „One generation’s tragedy is the next one’s joke.“
Schon klar, im Rahmen der Story geht’s darum, dass die Jugend der Zehnerjahre jene lokalen Mordserien, die ihre Elterngeneration in den Neunzigern geschockt und dezimiert haben, verkultet bzw. zerblödelt. Aber bei einem so forciert reflexiven Film, wo zu Beginn gar die Rede ist von „deconstructing horror movies“ als Massensport, wie sollten wir da in Deweys Worten nicht ein Zitat hören, in dem Marx’ Gespenster umgehen? Es sei denn, der Satz bezieht sich, vermittelt über den Namen des halbwegs pragmatisch orientierten Hilfssheriffs, auf den Moral-, Kunst- und Demokratiedenker John Dewey. Aber hat der viel über Reproduktion gesagt? Eben.
Also Marx. Bei ihm steht das, was Dewey seufzt, am Beginn seines Achtzehnten Brumaire des Louis Bonaparte von 1852. Ein Fetzer von einem Titel, da ist Das Kapital nix dagegen. Da heißt es: „Hegel bemerkte irgendwo,“ – super: Das prominente Zitat enthält selbst ein Zitat, reproduziert aber seinen Herkunftstext mit einer Quellenangabe, mit der Studis heute nicht mehr durchkämen (bzw. heißt „irgendwo“ heute „wikipedia“), jedenfalls „bemerkte“, wie es heißt, Hegel „irgendwo, dass alle großen weltgeschichtlichen Tatsachen und Personen sich sozusagen zweimal ereignen. Er hat vergessen hinzuzufügen: das eine Mal als Tragödie, das andere Mal als Farce.“
So weit, so Marx. Sein Tragödie/Farce-Gegensatz ist Auftakt zu seinem Vergleich der heroisch-revolutionären, geschichtsadäquaten Rolle des Bürgertums um 1789 mit seiner späteren Erscheinung in Zeiten monarchischer Restauration. Für Marx ist das der Horror: Überall Finanzvampire, Bohèmes, Lumpen anstelle von Rationalisierung; und das Proletariat, seufzt er, lässt sich anstecken und verlottert gleich mit, anstatt Verhältnisse umzuwälzen. Wo die Menschheit sich in der Geschichte ihrer Kämpfe „auf erweiterter Stufenleiter“ reproduzieren soll (wie die Orthodoxie der Ostkirche von St. Marx gern sagte), geht’s de facto auf der Leiter runter (Dekadenz nennt das die Musikologie); bzw. werden nur jene allzumenschlichen Begierden, Bosheiten und anachronen Kostümrevuen reproduziert, aus denen – so der andere mit dem Bart (Nietzsche) und der mit der Glatze (Foucault) später – Geschichte besteht.
Zumindest jene, die Genealogie heißt. So sind wir wieder bei Deweys Generationen, wo der einen zum Witz wird, was der vorigen Tragödie war. Und da trifft Dewey noch einen Punkt: Reproduktion heißt zuletzt, dass Verfügbarkeit kommt, wo Aura abtritt, und Gewöhnung einzieht, wo Schock regierte, oder, um einen dritten Reproduktionsdenker mit Bart ungenau zu zitieren: Wo Scream war, muss Kichern werden.
Drehli Robnik ist Filmtheoretiker, Autor/Co-Editor von Büchern zu Rancière und Kracauer; FWF-Projekt zur politischen Theorie des Horrorkinos.