Über das gesprochene Wort ist viel geredet worden. Dass nicht alles Gesagte gleichermaßen gehört wird und dass die Subalternen schwer im Nachteil sind, wenn es darum geht, sich Gehör zu verschaffen, hat sich mittlerweile herumgesprochen. Die mündliche Befragung und Oral History wurden als emanzipatorische Korrektive gedacht. Zugleich wird kritisiert, Kritik sei zu Sprachpolizei verkommen. Und es wird die Notwendigkeit einfacher Sprache auch in der Linken angemahnt. Verständlichkeit war allerdings in der bildenden Kunst, zu deren zentralen Charakteristika Ambiguität und Offenheit zählen, nun gerade kein Gütekriterium. Dennoch hielten klare An- und Aussagen auch hier nicht erst mit Barbara Kruger oder Lawrence Weiner Einzug.
Die um Materialität und Erfahrung kreisende Rezeptionsfrage bildender Kunst hat sich seitdem auch um die Vermittlung mit Worten und Schrift gedreht. Immer geht es auch um die Form des Gesagten – erzählt oder geschrieben, fragmentarisch oder systematisch, usw. – und um den Ort des Sprechens. „Von wo aus wir sprechen“, wie der kürzlich verstorbene Philosoph Enrique Dussel schrieb, disponiert das Gewicht des Gesagten. Damit ist allerdings noch nicht gesagt, dass das Gehörtwerden vorherbestimmt ist: Wo wer gehört wird und wo nicht – im Museum, auf der Bühne, auf der Straße –, hängt von vielen Faktoren ab.
Die vorliegende Bildpunkt-Ausgabe widmet sich solchen Fragen entlang sehr unterschiedlicher Gegenstandsbereiche vom anthropologische Tonaufnahmen unter kolonialen Bedingungen über die Oral History bis zum Diary Slam. Es geht um die Macht des gesprochenen Wortes, die Schwierigkeiten der Repräsentation und das Gerede darum zwischen Kunst, Aktivismus und Theorie. Schließlich hatte Louis Althusser wohl recht als er meinte, der Klassenkampf werde zuweilen um ein Wort geführt.
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Jens Kastner ist koordinierender Redakteur.