Bildstrecke: Fabiano Kueva
Mittelposter Christian Bendayán
Rückseite: Verena Melgarejo Weinandt
Drei künstlerische Beiträge begleiten jede Ausgabe des Bildpunkt und sind als eigenständige Kommentare und Reflexionen zum jeweiligen Thema des Heftes zu verstehen.
In der Bildstrecke stellen wir eine Arbeit des Künstlers und Forschers Fabiano Kueva vor. Atlas Pittoresque du Voyage (2011–2023) ist eine Aneignung, eine umgekehrte Lesart von Vue des Cordillères et monuments des peuples indigènes de l‘Amérique (1810), einem der einflussreichsten Bücher Humboldts. Die Arbeit dokumentiert mit Hilfe von Fotografien und Videos eine Reihe von performativen Reenactments durch Landschaften, Dokumentensammlungen, historische Stätten und Museumssammlungen, die direkt oder fiktiv mit Humboldt in Verbindung stehen. Kueva lebt und arbeitet in Ecuador und thematisiert von dort aus das Erbe und die Mythen des berühmten Forschungsreisenden in Form künstlerischer Fiktionen. Zwischen 2011 und 2023 leitete er das Projekt Alexander von Humboldt-Archiv, das sich mit der Wahrheitspolitik rund um die Amerikareise Alexander von Humboldts und Aimé Bonplands auseinandersetzt (https://www.archivohumboldt.org/).
Auf dem Poster präsentieren wir die Zeichnung Mapa Del Perú Amazónico (2023) des Künstlers Christian Bendayán. Sie bezieht sich auf die Fotografie Cabezas reducidas o Tzantzas (1927) von Walter O. Runcie. Dort sind auf einer Landkarte Perus zwei Tzantzas – Kriegstrophäen, die von Gesellschaften der Jivaroana-Sprachfamilie als Zeichen des Triumphs verwendet wurden – zu sehen. Auf Bendayáns Karte verweisen verschiedene Schriften, Jahreszahlen und Zitate auf Verbrechen, Völkermord und Ausbeutung, die im Amazonasgebiet systematisch stattgefunden haben. Hier formulieren die Tzantzas zwei Aussagen, die die Wahrnehmung des Amazonas geprägt haben: Einen Satz von Raúl Porras Barrenechea, mit dem er 1943 eine Amazonas-Ausstellung in Lima eröffnete: „Das Peruanische kann innerhalb und außerhalb des Amazonas nicht anders sein als der Kampf der Zivilisation gegen die Barbarei für die Menschlichkeit, für die Kultur und für das Kreuz“ und einen Satz über die Awajún in einer Rede vom ehemaligen Präsidenten Alan García, die schließlich 2009 den Baguazo auslöste: „Diese Menschen haben keine Krone, diese Menschen sind keine Bürger erster Klasse“. Bendayán schlägt so vor, Gedanken der Herrschaft über das Amazonasgebiet zu „enthaupten“.
Auf dem Rückcover ist eine Fotografie der bolivianisch-deutschen Künstlerin und Wissenschaftlerin Verena Melgarejo Weinandt als ihr Alter Ego namens Pocahunter zu sehen. Die bereits 2015 entwickelte Performance-Figur Pocahunter existiert in verschiedenen Gestalten und Umgebungen. Sie ist eine künstlerische Methode des Widerstands, der Rache und der Heilung rassifizierter Erfahrungen einer Kindheit im Berlin der 1990er Jahre, als die Künstlerin wiederholt mit der exotisierten Disney-Figur Pocahontas verglichen wurde. Als zombiesker Avatar präsentiert und inszeniert sich Pocahunter als Kämpferin gegen die gewaltvollen, rassistischen und kolonialen Stereotype von indigenen Frauen, insbesondere im deutschsprachigen Kontext. Pocahunter ist selbst eine Personifikation der Projektionen, die sie erlebt hat. Das hier dargestellte Bild ist Teil einer -Foto-Performance von 2020 und markiert einen Neubeginn der Arbeit als Pocahunter, mit der sie derzeit einen Videozyklus produziert.