Kampf um Anerkennung: Fair Pay für Künstler:innen (Yvonne Gimpel, in: Bildpunkt #69, 2024)

Kampf um Anerkennung: Fair Pay für Künstler:innen

und was dies mit den Lohnabschlüssen im Handel zu tun hat

Der Wert von Kunst und Kultur kann (und darf) sich nie auf eine finanzielle Ziffer reduzieren lassen. Und doch geht es im Kampf um Fair Pay zentral um die Frage, woran sich eine faire Entlohnung von Arbeit in Kunst und Kultur orientieren soll(te).¹ Die Antwort der IG Kultur: an den bestehenden Kollektivverträgen, die zwischen den Sozialpartner:innen und damit den Betroffenen selbst seit Jahrzehnten ausverhandelt werden. Das bringt nicht nur eine Einbettung in die bestehende Lohnstruktur, sondern entzieht Fair Pay auch staatlicher Einflussnahme durch die jeweiligen politischen Mehrheitsverhältnisse (wie etwa in Mindestlohn-Modellen üblich).

Anfang des Jahres wurde ein Meilenstein in diesem Kampf erreicht: Gewerkschaft GPA und Interessenvertretung IG Kultur haben erstmals eine Sozialpartnerempfehlung für freie Kulturarbeit verabschiedet. Sie definiert Empfehlungen zur Entlohnung von Kulturarbeiter:innen und Ausgestaltung der Arbeitsbedingungen in der freien Kulturarbeit – d.h. Angestellte in gemeinnützigen Kulturvereinen.

Für bildende Künstler:innen muss die Empfehlung vollkommen irrelevant erscheinen. Nicht nur ist ihre Arbeitsrealität davon gekennzeichnet, in den seltensten Fällen eine Anstellung zu begründen, sondern die Frage der Entlohnung stellt sich oft viel grundsätzlicher: Gibt es überhaupt ein Honorar? Von Mindeststandards im Sinne von „Fair Pay“ ganz zu schweigen. 

Die Empfehlung ist dennoch auch für die bildende Kunst ein Referenzrahmen, da sie die gleiche Grundlage hat: Das GPA-Gehaltsschema für Vereine, adaptiert für die Praxis der Kulturarbeit. Dieses basiert auf dem Kollektivvertrag der Handelsangestellten als Kollektivvertrag mit der größten Reichweite und folgt deren Lohnabschlüssen. Verhandeln die Handelsangestellten gut, so wirkt sich das auch auf die Fair Pay-Empfehlungen für freie Kulturarbeit wie bildende Kunst aus.

Wenn es wieder heißt: „Das ist alles viel zu hoch und illusorisch!“ – dann muss in Erinnerung gerufen werden: Die Grundlage unserer Fair Pay Empfehlungen ist der KV-Handel und die Lohnabschlüsse der Handelsangestellten! Dass es als illusorisch gewertet wird, liegt an Förderpraxis und Förderbudgets, welche eine jahrzehntelange verinnerlichte Praxis fortschreiben, in der Arbeit in Kunst und Kultur als selbstverständlich „billig“ bis „unentgeltlich“ angesehen wird.

Ohne fundamentale Änderungen in der Förderpraxis und Erhöhung der Förderbudgets ist auch die Umsetzung der Sozialpartnerempfehlung in der freien Kulturarbeit für die meisten utopisch. Wagen wir es aber nicht, eine Utopie zumindest zu formulieren, wird sich auch nichts ändern. Dass die Gewerkschaft nun diesen Kampf mit stützt, ist ein wichtiger Schritt. Dass die Einforderung von Mindeststandards, wie sie für 98 % der Arbeitnehmenden in Österreich selbstverständlich sind, als utopisch gilt, spricht für sich. Aber ist Kunst und Kultur nicht immer schon ein guter Ort gewesen, um scheinbaren Utopien Leben einzuhauchen? 


Yvonne Gimpel ist Geschäftsführerin der IG Kultur Österreich.

www.igkultur.at/projekt/sozialpartnerempfehlung-freie-kulturarbeit


1 Wohlgemerkt „Kampf“, denn auch wenn sich die Kunstproduktion einer kapitalistischen Tauschlogik entziehen will (und sollte), so ist es dennoch ein „Arbeitskampf“, den „wir“ führen – denn selbst wenn sich alles gegen die Reduktion von Kunst auf „Lohnarbeit“ sträubt, so muss es dennoch als „Arbeit“ anerkannt und entsprechend entlohnt sein – und sei es schlicht aus der simplen Frage heraus: Wer kann es sich leisten, professionell bzw. beruflich in diesem Bereich Fuß zu fassen, wenn monatlich die Miete, Energiekosten und andere Lebenserhaltungskosten zu zahlen sind – es sei denn, Kunstproduktion wird mit Privilegien/re/produktion gleichgesetzt. Provokanter Disclaimer: niemand will hören, dass es trotz der desaströs prekären Umstände im Kunstbetrieb ein Privileg ist, in diesem Bereich tätig sein zu können. Aber das ist weitgehend Fakt.