„Es wurden vielleicht 5% der Vorhaben umgesetzt. Und auch das ohne die Szene“, bilanzierte Willi Hejda, Vorsitzender der IG Kultur Wien, bei einer Pressekonferenz im WUK am 1. 9. 2015 zum Auftakt der Kampagne Eine andere Kulturpolitik ist möglich. „Wir streiten uns um Brösel, während der Kuchen an uns vorbeigetragen wird“, legte die Künstlerin Julia Zdarsky nach, um die prekäre Lage der freien und autonomen Kunst- und Kulturszene auf den Punkt zu bringen. Kunst- und Kulturschaffende untermauerten ihre Kritik an der zurückliegenden rot-grünen Wiener Legislaturperiode unter Kulturstadtrat Mailath-Pokorny (SPÖ) mit anschaulichen Beispielen und stellten ihrer Abrechnung mit der Stadt Wien ein pointiertes Forderungspapier gegenüber. Mit einer Arbeitsdemonstration, Protestfrühstück, Workshops und andere Aktivitäten in den Wochen bis zu den Wiener Wahlen wurde den artikulierten Anliegen Nachdruck verliehen. Ein roter Faden zog sich auch durch diese Kampagne: das Einfordern einer solidarischen und menschlichen Flüchtlingspolitik.
Es brodelt. Diskussionen, Demonstrationen, Diskussionen.
Dialogverweigerung, Intransparenz, Subventionsbürokratie, diskriminierende Statements gegenüber Künstlerinnen, strukturelle Ungleichbehandlungen beim Zugang zu Ressourcen und andere Vorwürfe mehr flogen den Verantwortlichen um die Ohren. Kurzum: Auch zahlreiche Punkte, an denen das viel bemühte Killerargument von mangelnden Budgets nicht greift, zeichnen für den Unmut verantwortlich. Was tun? Ärger, Kritik und Forderungen auf die Straße tragen. Diskussionsveranstaltungen boten den Rahmen für weitere inhaltliche Auseinandersetzung. „Was begründet diesen Unmut?“, fragte auch Martin Wassermair wenige Tage vor der Wahl als Moderator einer kulturpolitischen Diskussionsrunde im TAG Theater. In einer illustren Runde von sieben Männern und einer Frau stellten sich Vertreter_innen der wahlwerbenden Parteien – unter Einbeziehung der IG Kultur Wien – einer Auseinandersetzung zu Kunst und Wert. Schwung kam in die Diskussion als sich Klaus Werner Lobo (vormals Kultursprecherder Grünen Wien) gegen Ernst Wollers (SPÖ) Schulterklopfen für die koalitionäre Zusammenarbeit verwehrte. Und Visionen? „Das gute Leben für alle, gleiche Rechte für alle!“, so die langjährige Kulturabeiterin und Wien ANDAS-Kandidatin Ulli Fuchs.
Refugees Welcome.
Sie griff damit auch einen Punkt aus dem erwähnten Forderungspapier auf, wo es heißt: „Freie Kunst- und Kulturarbeit erfordert Bewegungsfreiheit für alle. Wir fordern eine solidarische und menschliche Flüchtlingspolitik, die Menschen unabhängig von ihrer Herkunft die Chance gibt, in Wien, Österreich und Europa gleichberechtigt zu leben.“ Diesem Forderungspapier ging eine intensive Auseinandersetzung in der freien und autonomen Kunst- und Kulturszene voraus – ein Prozess, den die IG Kultur Wien koordiniert hat. Ergebnis war nicht „bloß“ ein Forderungskatalog, sondern auch eine kollektive Positionierung, die auf einer breiten Basis fußt und ebenso den Austausch untereinander forciert hat. Vor diesem Hintergrund ist auch der Schlusssatz von Willi Hejda bei der Podiumsdiskussion Kunst und Wert zu sehen, lästig zu bleiben: „Wir werden uns weiter dazu äußern und laut sein.“ Ein nächstes Kampagnentreffen nach dem Wahltag ist bereits in Planung.
Daniela Koweindl ist kulturpolitische Sprecherin der IG Bildende Kunst.