Eine Ironikerin ist jemand, die „der Tatsache ins Gesicht sieht, daß ihre zentralen Überzeugungen und Bedürfnisse kontingent sind“. So formulierte es der liberale Philosoph Richard Rorty in seinem zum Klassiker der Postmoderne-Debatte avancierten, nun in der 13. Auflage erschienenen Buch Kontingenz, Ironie und Solidarität. Rorty plädiert hier nicht für Beliebigkeit und anything goes, sondern dafür, trotz der Kontingenz die Fähigkeit zu entwickeln, „fremde Menschen als Leidensgenossen zu sehen“. Darauf sollte sich ihm nach Solidarität gründen. Aus der Sicht derjenigen, die für das Wir der Leidenden bisher nicht in Betracht kamen, erfordert das Protest. In den Worten der britisch-australischen Feministin Sara Ahmed kann feministisches Protestieren eine Form von Selbstfürsorge wie auch der Sorge um andere sein: „es abzulehnen, nicht zu zählen“. Für Ahmed ist Feminismus vor allem eine Sache von Spaßverderber*innen: Sie nerven mit ihrem Insistieren darauf, dass der neoliberale, heteronormative Normalzustand unerträglich und dass „das Leugnen von Ungleichheit unter der Annahme von Gleichheit eine Machttechnik ist“. Ganz anders das Herangehen von Ella Carina Werner und Katinka Buddenkotte. Sie versammeln in ihrem Band lustige Texte und Cartoons von Frauen. Während Humor und Komik lange Zeit dem hegemonialen Frauenbild widersprachen und Frauen deshalb bestenfalls auf „selbstironischen Wohlfühlhumor“ festgelegt gewesen seien, habe sich die Situation in den letzten zwei Jahrzehnten deutlich verbessert. Allerdings seien „weibliche Erfahrungswelten auf dem Feld der Komik“ nach wie vor „eher unbeackert“. Das liegt vielleicht auch daran, dass „die meisten Bereiche des Alltags der Ironie wenig günstig sind“, wie Uwe Japp in seiner Theorie der Ironie schreibt. Arbeit, Politik und Liebe erfordern Ernst und Einsatz und nicht die Verstellung oder den Vorbehalt der Ironie. Auf die Geschlechterdimension der Ironie geht Japp zwar nicht ein, dafür aber umso mehr auf Schlegel, Schopenhauer und Hegel. In der Moderne schließlich subvertiere die Ironie alles Geltende, „indem sie es unter einem durchgehenden Vorbehalt betrachtet“. Ironie ist ein Versuch, resümiert Japp, „zur Versprachlichung der Welt in Form einer gleichzeitigen Gegenrede“. Wann die Distanz zum eigentlich Gemeinten Distinktionsmittel und wann Kritik sein kann, bleibt relativ offen. Bei Thomas Mann schon wurde Ironie benutzt, um die „moderne Subjektivität […] zu kritisieren“, schreibt Reinhard Jellen in einem seiner zwischen Aphorismus und Seminararbeit changierenden Texte. Schon bei Hegel habe sich das Subjekt in der Ironie in erhabener Distanz über die Objektwelt gesetzt. Ironie kann Teil einer Außenseiterstrategie sein, gehört aber wohl auch, so Jellen mit Hegel, einem „notwendigen Bornierungsprozess“ an.
→ Sara Ahmed: Feministisch leben! Manifest für Spaßverderberinnen. Münster 2017 (Unrast Verlag).
→ Uwe Japp: Theorie der Ironie. Frankfurt am Main 2021, 3. Aufl. (Klostermann Verlag)
→ Reinhard Jellen: Ironie und Warenfetischismus: Schriften zu Philosophie, Kultur, Sex, Drogen und Northern Soul. Kassel 2022 (Mangroven Verlag)
→ Ella Carina Werner/ Katinka Buddenkotte (Hg.): Niemand hat die Absicht, ein Matriarchat zu errichten. Komische Texte und Cartoons von Frauen. Berlin 2022 (Satyr Verlag).
→ Richard Rorty: Kontingenz, Ironie und Solidarität. Berlin 2021, 13. Aufl. (Suhrkamp Verlag).
Jens Kastner ist Soziologe und Kunsthistoriker und unterrichtet an der Akademie der bildenden Künste Wien. www.jenspetzkastner.de