“Ich möchte, dass wir KünstlerInnen von unserer Arbeit leben können.”

Für eine transparente Kunstförderung in Wien. Interview mit Birgit Zinner

Mit einer One-Woman-Demo hat Birgit Zinner im Mai 2014 Forderungen nach einer transparenten Kunstförderung der Stadt Wien öffentlich und wirksam Nachdruck verliehen. Knapp ein Jahr später gibt es erste Ergebnisse: Auf der Website sind erstmals die Beiratsmitglieder genannt sowie Ziel und Entscheidungskriterien für Kunstankäufe in aller Kürze formuliert, die Bekanntgabe der getätigten Ankäufe (Künstler_in, Werktitel und Ankaufshöhe) wird für den nachfolgenden Kunst- und Kulturbericht angekündigt. Mit diesem Mindestmaß an Transparenz zieht die Stadt Wien nun dem Status Quo anderer Fördergeber_innen nach.

Was war der Auslöser für deine Kritik? Und deine Forderungen?

Auslöser waren der Eindruck, einer willkürlichen Struktur ausgeliefert zu sein und das Gefühl, würdelos behandelt zu werden. Seit 1990 arbeite ich selbständig und unter schwierigen Umständen als bildende Künstlerin. 2013 hatte ich 15 Jahre lang immer wieder vergeblich bei der Stadt Wien um einen Ankauf gemäß der Einreichbedingungen auf der Website der Kulturabteilung angesucht. Im Herbst 2013, beim Besuch einer meiner Ausstellungen, stellte mir Dr. Ecker (Referatsleiter Bildende Kunst) einen Ankauf in Aussicht. Doch nachdem ich angesucht hatte, wurde mir mitgeteilt, dass die Ankaufsmodalitäten nach Ende der Einreichfrist geändert worden seien.

In Gesprächen mit KollegInnen hatte ich gehört, dass manche einen Ankauf unabhängig von der Jury bekommen, dass keine Einreichung notwendig ist, dass manche öfter als alle drei Jahre angekauft werden usw. So schrieb ich ein Mail mit der Bitte um Aufklärung bezüglich der Richtlinien und eines Kunstberichtes. Zuerst wurde gar nicht, dann mit Unverständnis und unbestimmt geantwortet. So wurden aus meinen Anfragen zunehmend Forderungen nach klaren, zugänglichen und verbindlichen Richtlinien und einem Kunstbericht mit Namensnennung der KünstlerInnen und Preis der angekauften Werke sowie der Bekanntgabe der Jury-Mitglieder. Nach mehreren Wochen wurde mir ankündigt, meine Anregungen intern diskutieren zu wollen. Daraufhin gab ich meine One-Woman-Demo bekannt.

Was hat deine One-Woman-Demo bewirkt? Wie hat sich die Kommunikation mit der Stadt Wien geändert?

Schon die Ankündigung hat etwas verändert. Am Tag der Demo, dem 20.5.2014, hat mich Dr. Ecker mit einem Anruf überrascht. Es war ein ausführliches und einfühlsames Gespräch und Dr. Ecker war in Vielem meiner Meinung. Danach war ich – ich gestehe es – kurz versucht, die Demo abzublasen. Doch ich habe die Tafeln mit den Forderungen mit Zetteln wie „ist versprochen“ und „wird überlegt“ beklebt und habe es durchgezogen. Darüber bin ich heute froh, denn es hat dann doch noch lange gedauert bis Ergebnisse vorlagen.

Dr. Ecker stimmte zwar mit mir überein, dass klare Richtlinien rund um den Ankauf wichtig sind. Doch wie das umgesetzt werden sollte, blieb unklar. Er wollte die Jurymitglieder und die KünstlerInnen, von denen ein Ankauf getätigt wurde, aus (Daten-)Schutzgründen nicht bekanntgeben. Ich hingegen finde es wichtig, Informationen über die Vergabe öffentlicher Gelder für alle und nicht einigen wenigen zugänglich zu machen.

Die Mühlen mahlen offenbar langsam… Im Juli 2014fanden Gespräche zwischen Dr. Ecker und der IG Bildende Kunst, Künstlerhaus und Secession statt. Und du bist hartnäckig geblieben: Im März 2015 hast du eine Unterstützungserklärung „Für klare Richtlinien und einen transparenten Kunstbericht bezüglich des Ankaufs von Kunstwerken durch die Stadt Wien“ verfasst und zur Unterzeichnung aufgerufen. Bis dahin war noch immer nichts passiert?

Nach der Demo habe ich nichts mehr gehört. Ich habe gewartet und mit vielen – ca. 60 – KünstlerInnen über ihre Erfahrungen gesprochen. Viele sind mit den Förderungsmöglichkeiten der Stadt Wien sehr unzufrieden und frustriert. Viele glauben, dass es keinen Sinn hat, sich zu bewerben. Anfang 2015 habe ich meine Recherchen in einer Tabelle „Rund um den Kunstankauf“ zusammengefasst und die Unterstützungserklärung „Für klare Richtlinien und einen transparenten Kunstbericht“ verfasst. Interessant war, dass Befürchtungen von KünstlerInnen geäußert wurden, Einbußen oder Nachteile zu haben, wenn sie ihre Meinung öffentlich machen. Das finde ich verständlich, aber entsetzlich. Darum auch mein Hinweis, dass die Unterstützungserklärung auch nur mit einem Kreuz anonym unterschrieben werden kann. So sind auch die Angst und das Gefühl der Abhängigkeit sichtbar. Die Unterstützungserklärung mit den vielen Kreuzerln wollte ich dann der Kulturabteilung überbringen.

Schließlich überraschte mich die Stadt Wien mit den Veränderungen bzw. Ergänzungen auf ihrer Website, sodass ich nicht mehr dazu kam, die Unterstützungserklärungen zu nutzen.

Wie war eigentlich die Resonanz von Kolleg_innen aus dem Kunst- und Kulturbereich auf dein Engagement?

Ich weiß nicht, ob ich durchgehalten hätte ohne die Unterstützung vieler KünstlerInnen. Auch hier vielen Dank! Ich habe im Laufe des letzten Jahres viel erfahren über das Überleben von KünstlerInnen und viele FreundInnen gewonnen. Die soziale Situation spitzt sich meiner Meinung nach immer mehr zu. Ein Kunstmarkt für mittelpreisige Kunst ist kaum vorhanden, in Zusammenarbeit mit Galerien sind KünstlerInnen immer mehr gezwungen, Kompromisse zu machen. Allerdings sehe ich auch den Wunsch nach solidarischem Handeln. Darin setze ich meine große Hoffnung.

Ein Etappensieg. Welcher Verbesserungsbedarf ist weiterhin gegeben?

Prinzipiell möchte ich, dass wir KünstlerInnen von unserer Arbeit leben können. Es geht hier genausowenig um Selbstverwirklichung wie um Almosen. Wir KünstlerInnen erzeugen hochwertige Produkte. Gäbe es diese nicht, wäre unsere Gesellschaft so nicht denkbar. Wir wollen aber nicht, so wie viele nun gefeierte KollegInnen aus der Vergangenheit, verhungern. Darum soll es gehen.


Birgit Zinner arbeitet seit Mitte der 1980er Jahre an einem Gesamtkunstwerk, dessen Einzelteile sich aufeinander beziehen und ergänzen. Sie schneidet und montiert Objekte und Bildobjekte, der Produktionsprozess und dessen Reflexion sind dabei wichtige Bestandteile.

Das Interview wurde Ende Mai 2015 per Email von Daniela Koweindl (IG BILDENDE KUNST) geführt und ist in der Printausgabe des Bildpunkt (Sommer 2015) in einer gekürzten Fassung erschienen.