Has the Artist been paid? Ask! (image source: visualartists.ie)

Has the artist been paid?

Initiativen zur Verankerung von Künstler_innenhonoraren

„Yes! We pay artists!“ ist die Antwort, die Visual Artists Ireland drei Jahre nach Beginn ihrer Kampagne „Ask! Has the Artist been paid?“ auf Nachfrage bei Institutionen einholen möchten. Verschiedene Initiativen zur Verankerungen von angemessener Bezahlung für künstlerische Arbeit haben in der jüngsten Vergangenheit aufhorchen lassen. So auch Paying Artists (UK) oder W.A.G.E. – Working Artists and the Greater Economy (USA). Die Interessenvertretungen CARFAC und RAAV in Kanada konnten zuletzt gar von einem historischen Moment berichten: Es ist gelungen, mit der National Gallery of Canada den ersten Tarifvertrag für bildende Künstler_innen abzuschließen. Doch wie sehen die Inhalte solcher Vereinbarungen und Richtlinien aus? Welche Grundlagenarbeit und Umsetzungsstrategien gehen ihnen voran?

Die Interessenvertretung Visual Artists Ireland hat 2013 Honorarrichtlinien entwickelt und zieht positive Bilanz: Bislang konnten drei der großen öffentlichen Fördergeber_innen Irlands zur Unterstützung bei der Verankerung von fairer Bezahlung von künstlerischer Arbeit überzeugt werden. Es ist gelungen, mehr Institutionen für die Bezahlung von Künstler_innenhonoraren zu gewinnen. Auch selbstfinanzierte Produzent_innengalerien sowie Offspaces mit geringer öffentlicher Förderung nehmen die Richtlinien an. Kunst- und Kultureinrichtungen, die sich langfristig zu einer angemessenen Bezahlung von künstlerischer Arbeit bekennen, sollen nun eine sichtbare Ankerkennung erhalten. „Yes! We pay artists!“ ist daher Slogan eines Kampagnen-Sujets, das Visual Artists Ireland seit Jahresbeginn als Webbanner vergibt.

Best practice
Best practice sichtbar zu machen, ist auch Teil der W.A.G.E.-Aktivitäten mit dem W.A.G.E.-Zertifikat für Non-Profit-Kunst- Organisationen, die die Selbstverpflichtung eingehen, einen Mindeststandard an Künstler_ innenhonoraren einzuhalten.
W.A.G.E. ist 2008 aus informellen Treffen von Künstler_ innen und freien Kurator_innen in New York hervorgegangen. Erste Ergebnisse kulminierten in einem Manifest, dem wo/manifesto. Mittlerweile gibt es einen Honorarrechner, ein ausgeklügeltes Schema für 14 unterschiedliche Tätigkeiten (Ausstellungsbeteiligung, Performance, Artists’ Talk, Workshop, Textarbeit etc.) in dreierlei Kategorien (abhängig vom Jahresbudget der einladenden Institution) und das erwähnte W.A.G.E.-Zertifikat. Dazwischen liegen sieben Jahre intensive Auseinandersetzung über den Wert künstlerischer Arbeit: 2010 eine Umfrage zu Erfahrungen mit Honoraren im Non-Profit-Bereich mit fast 1.000 Rückmeldungen, die die omnipräsente Nicht-Bezahlung anschaulich dokumentieren; ab 2012 Workshops und Konferenzen in den USA, Kanada und Europa. Im Herbst 2014 fiel schließlich der offizielle Startschuss für das W.A.G.E.-Zertifikat.
Ziel: einen garantierten Mindeststandard an Bezahlung und organisatorischer Unterstützung (auch) im Non- Profit-Bereich zu verankern.

Zielgruppe: Non-Profit-Kunstbetrieb
Den typischerweise geringen (finanziellen) Ressourcen im Non-Profit-Sektor trägt das dreigliedrige W.A.G.E.-Honorarschema Rechnung: Die festgelegten Mindesthonorare sind abhängig vom Jahresbudget der Institution. Was heißt dies in Zahlen, z.B. bei einer Gruppenausstellung mit drei bis fünf Künstler_innen? Mindesthonorar 250 $ pro Künstler_in; ab einem Jahresbudget von 500.000 $ fallen 0,05% von ebendiesem an; ab 1 Million $ Jahresbudget wird ein Limit eingezogen: das Künstler_innenhonorar darf das Durchschnittsgehalt der Mitarbeiter_innen der Institution nicht übersteigen. Weitere Beispiele an Mindeststandards für „kleine“ Ausstellungsräume:
1.000 $ für eine Einzelausstellung, 250 $ für einen Workshop, 150 $ für einen Artists’ Talk. Die Übernahme von Produktionskosten ist zwar nicht erforderlich für das W.A.G.E.-Zertifikat, aber keinesfalls akzeptabler Ersatz für ein Honorar.

Ausstellungshonorarmathematik
Komplexer noch als das W.A.G.E.-Honorarschema sind die Richtlinien der Visual Artists Ireland, wo zunächst mit einem Punktesystem das Erfahrungslevel der Künstler_in (Anzahl Einzel- und Gruppenausstellungen, Kunstankäufe, Stipendien, Tätigkeitsjahre als Künstler_in etc.) erfasst und zu einem Faktor in der Honorarberechnung wird. Im zweiten Kalkulationsschritt geht es um die Art der Institution bzw. Veranstaltung. Auch hier sind Jahresbudget und Art der künstlerischen Involvierung ausschlaggebend. Ein Beispiel: Für eine Künstler_in mit mittlerer Berufserfahrung wird bei Teilnahme an einer Gruppenausstellung in einem Ausstellungsraum mit Jahresbudget von 150.000 € ein Honorar von knapp 230 € empfohlen. Es gibt ein xls-File, das zu Rechenbeispielen einlädt. Ergänzend liefert ein 18seitiges PDF Erläuterungen und Hintergrundwissen.

Stundensätze und Pauschalbeträge
Auch NAVA – National Association for the Visual Arts (Australien) schlägt im Code of Practice ein Standardentgelt sowie ein niedrigeres für Künstler_innen beim Berufseinsteig und ein höheres für langjährig etablierte Kunstschaffende vor. Den Honorarempfehlungen liegen Studien im Kunstbetrieb zugrunde, auch Gehaltsschemen für strukturell vergleichbare Tätigkeiten wurden als Orientierungswerte herangezogen. Daraus resultieren einerseits Stundensätze (je nach Art und Dauer des Vertragsverhältnisses liegt die „standard rate“ für bildende Künstler_innen zwischen umgerechnet 24 und 47 €, bei Media Art geringfügig und bei Public Art- Projekten fast um ein Drittel höher); andererseits Pauschalbeträge beispielsweise für Publikationsbeiträge (je nach Wortanzahl bzw. Bildgröße), Jurysitzungen (253 € für max. drei Stunden, 362 € für max. sechs Stunden) oder Ausstellungsbeteiligungen in öffentlich finanzierten Ausstellungsräumen ohne Verkaufsabsichten: insg. 1.844 € sollen bei ein bis zehn beteiligten Künstler_innen zu gleichen Teilen bezahlt werden. Sind mehr als zehn Künstler_innen involviert, gilt ein Mindesthonorar von je 184 €. Dauert die Ausstellung länger als zwei Monate oder findet sie an mehreren Orten statt, steigen die Honorarsätze. Darüber hinaus sind Produktion bzw. Aufbau, Lectures sowie gegebenenfalls anfallende administrative oder kuratorische Arbeit extra zu bezahlen. NAVA versteht die Ausstellungshonorare im Sinne einer Leihgebühr und unterstreicht: Die empfohlenen Honorare sind Mindeststandards. Insbesondere in besser finanzierten Ausstellungsräumen sollte es möglich sein, höhere Honorare zu verhandeln.

Fix und fertig ausverhandelt
Verhandlungsergebnisse haben die kanadischen Interessenvertretungen bildender Künstler_innen CARFAC und RAAV mit der National Gallery of Canada vorzuweisen: Am 1. 4. 2015 ist – auch auf Grundlage einer Mitgliederabstimmung mit Rekordbeteiligung – erstmals eine verbindliche Vereinbarung über Künstler_innenhonorare in Kraft getreten. Laut CARFAC orientiert sich diese stark am MU Agreement. Das zuletzt im Juli 2014 aktualisierte MU Agreement – unterzeichnet vom Swedish Arts Council als Regierungsbehörde und drei Interessenvertretungen von Künstler_innen – gilt verbindlich für alle öffentlichen Kunst- und Kultureinrichtungen in Schweden. Darüber hinaus ist es Richtlinie für alle Ausstellungsprojekte mit öffentlichen Förderungen. Beim MU Agreement hängt das Honorar stark von der Ausstellungsdauer ab. Unterschieden wird zudem zwischen vier Kategorien von Ausstellungshäusern. Für Einzelausstellungen gelten wöchentliche Basishonorare von umgerechnet 118 € (in kleinen Galerien, Artistrun Spaces, etc.) bis 460 € (in Museen). Bei einer Gruppenausstellung mit z.B. vier bis acht Künstler_innen wird der Basisbetrag mit zwei multipliziert und durch die Anzahl der Künstler_innen dividiert. Ab der 13. Ausstellungswoche fallen nur mehr 75% des Wochenbetrags an usw. usf. Beim Tarifvertrag mit der National Gallery of Canada (mit 250.000 bis 400.000 Besucher_innen allein am Hauptstandort) gelten von vornherein höhere Beträge: 6.100 € für eine Einzelausstellung, bei einer Gruppenausstellung wird durch die Anzahl der Künstler_innen geteilt, wobei ein Minimum von 480 € nicht unterschritten werden darf. Auch für das Ausstellen von angekauften Werken sind Tarife festgelegt.

Why pay artists?
Viele dieser Initiativen verweisen auf ihre Analysen zu Arbeitsbedingungen und Honorarpolitiken. Visual Artists Ireland hat nach Gründen für die Nicht-Bezahlung künstlerischer Arbeit gefragt und die häufigsten Stehsätze zusammengefassst. Paying Artists wiederum zeigt in Interviews mit Leiter_innen verschiedener Ausstellungsräume Beispiele guter Praxis. Und sammelt damit auch gleich einen Argumentationskatalog zur Kampagnenfrage: „Why pay artists?“


Daniela Koweindl ist kulturpolitische Sprecherin der IG Bildende Kunst.


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