In vier Kategorien verleiht das PrekärCafé – ein Kollektiv von Aktivist*innen, das sich mit der Prekarisierung von Arbeit und Leben auseinandersetzt – seit einigen Jahren blaue Sterne. Anfangs gab es die begehrten Anstecknadeln ausschließlich für’s Blaumachen. Weil das aber gerade für prekär Tätige oft gar nicht machbar ist, waren die Vergabekriterien bald ausgeweitet: blaue Sterne für andere indirekte Maßnahmen für einen gerechten Lohnausgleich, für besondere Leistungen im Klassenkampf und für Gedichte zur Huldigung des blauen Montags. Im November 2016 haben PrekärCafé und Precarity Office erstmals zur öffentlichen Blaue-Stern-Verleihung eingeladen.
In der Therme lieg’ ich gerne und verdien’ so meine blauen Sterne
Im Mittelpunkt der Gala stehen vier Frauen und ihre gewonnenen Arbeitskämpfe – allesamt im Kunst-, Kultur- und Medienbereich. Eine Kunstvermittlerin eines großen Ausstellungshauses in Wien war über Jahre hinweg bestrebt gegen größere und kleine Verschlechterungen vorzugehen – immer im Versuch dies gemeinsam mit ihren Kolleg*innen zu tun. Unterschiedlichste Strategien wurden dabei angewandt. Ansprüche gerichtlich einzufordern, war in den meisten Fällen ob des drohenden Jobverlustes nicht möglich. Als sie gewusst hat, dass sie den Betrieb verlassen wird, war es dann aber doch soweit. In ihrem Vertrag war vereinbart, dass fremdsprachige Führungen sowie deren Vorbereitung extra vergütet werden. Der Betrieb wollte das nicht mehr zahlen und hatte diese Zahlungen schon seit längerem ausgesetzt. Mit Unterstützung der AK (Arbeiter*innenkammer) fordert sie die ausstehenden Gehaltsbestandteile ein. Fazit: Ein einseitiger Vertragsbruch ist klarerweise unzulässig, das Ausstellungshaus zahlt – problemlos. Auch nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses kann es sich noch sprichwörtlich lohnbringend auszahlen, die eigenen Rechte einzufordern.
In einem anderen Streifall hat die Mitarbeiterin eines Medienunternehmens festgestellt, dass ihr neuer Kollege – gleiches Studium, absolut vergleichbare berufliche Vorerfahrung – um 500 Euro mehr Gehalt erhält. Bestens gebrieft von der Gleichbehandlungsanwaltschaft konfrontiert sie ihren Chef mit dieser Ungleichbehandlung. Chef: Ich habe ja nicht gewusst, dass dir dein Gehalt nicht reicht. Dass sie sich wegen dieser Sache sogar hat beraten lassen, nimmt er ihr persönlich übel. Sie hätten doch so ein gutes Verhältnis zueinander. Aber die direkte Konfrontation hat sich ausgezahlt: 500 Euro mehr am Konto! Monatlich.
Ein weiterer blauer Stern geht an eine Mitarbeiterin einer Kunstinstitution für die Betriebsrät*innen-Gründung wider alle Verhinderungsversuche durch die Geschäftsleitung. Last but not least ein vierter gewonnener Arbeitskampf mit äußerst komplexer Vertragslage u.a. mit unzureichender Gehaltseinstufung. Zu einem Gerichtsverfahren ist es schlussendlich nicht gekommen, die Vergleichsverhandlungen waren bereits erfolgreich und für die potentielle Klägerin sehr zufriedenstellend.
Ich bin sternhagelvoll und träume vom blauen Stern in Moll
Summa summarum: vier mutige, ermunternde und würdige Heldinnen des Arbeitskampfes! Vier ausgezeichnete Kämpferinnen gekürt mit blauen Sternen! Womit alle vier auf die eine oder andere Art konfrontiert waren: Chefs* lügen und geben sich dabei unschuldig, Chefs* setzen auf Mitgefühl und moralische Erpressung, Chefs* brüllen, schreien und schimpfen auch mal bei Verhandlungen. Bezüglich letzterem, meinte eine der vier: daran gewöhnt frau sich, ich denke in dieser Zeit an etwas anderes und warte bis es vorbei ist, und trage dann in aller Ruhe meine Punkte vor. Als hilfreich und motivierend hat sich u.a. erwiesen: die Solidarität von Kolleg*innen und Freund*innen, gute rechtliche Beratung, die eigenen Rechte zu kennen, die Genugtuung Recht zu bekommen, das Gefühl für die eigene Würde und Anerkennung einzustehen und manchmal auch die richtige Kleidung bei den Verhandlungen.
Richtig gute Gedichte zur Huldigung des blauen Montags krönen den Galaabend – dafür gibt es zwei weitere blaue Sterne. Und dann: Dem Blaumachen huldigen? Gerne. Aber für einen blauen Stern dann auch noch etwas tun?, lamentiert schließlich eine Anwesende auf der Bühne. Das sehe sie nicht ein. Mit Blick auf einen Spickzettel nennt sie ein paar gute Argumente – und schluckt diesen schließlich runter. Applaus! Und am Ende wollen alle mehr: Arbeitskämpfe, Austausch darüber und gemeinsames Feiern solcher Erfolge. Kurzum: zwei, drei, viele… blaue Sterne und Galaabende.
Daniela Koweindl ist kunstpolitische Sprecherin der IG Bildende Kunst. Rosa Lenz ist da und dort aktiv und macht gerne blau.
Die Zwischenüberschriften sind Zitate aus den beim Galaabend vorgetragenen Gedichten.
Eine kürzere Version dieses Textes ist im Bildpunkt (Heft Frühling 2017) erschienen.
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