„Bei der Kritik des Begriffs Arbeiterklasse ging es schon um die patriarchalischen und rassistischen Dimensionen in Klassenkämpfen“, heißt es rückblickend in einem Text von Klaus Viehmann u.a., der Anfang der 1990er Jahre viele Linke beschäftigte. Der Artikel heißt Drei zu eins und handelt, so der Untertitel, von „Klassenwiderspruch, Rassismus und Sexismus“. Lange bevor die Intersektionalitätsforschung die akademische Bühne im deutschsprachigen Raum betreten hat, wurde bereits in den sozialen Bewegungen über die Überschneidungen und Überkreuzungen (intersections) von Unterdrückungsformen diskutiert. Kimberlé Crenshaw und Patricia Hill Collins hatten das Konzept im Rahmen der Debatten innerhalb des Schwarzen Feminismus in den 1980er Jahren entwickelt. Es ging darum, die Ausblendungen zu vermeiden, die entstehen, wenn nur Klasse oder nur Geschlecht oder nur ethnische bzw. rassialisierte Zuschreibung in den gesellschaftsanalytischen Blick genommen werden. Es geht um Wechselwirkungen zwischen den Marginalisierungen und um politische Strategien, die sich daraus entwickeln könnten.

Mit der Intersektionalität hat sich mittlerweile, wie Gabriele Winker und Nina Degele betont haben, ein Konzept entwickelt, dass über ein „Strömungen übergreifendes Potenzial verfügt“, weil es verschiedenste Methoden und Disziplinen miteinander verknüpft.

In die kunstsoziologischen Diskussionen hat das Konzept bis heute allerdings kaum Einzug gehalten. Hier kommen Black Studies und dekolonialstische Theorie noch kaum zum Einsatz, werden selten Zusammenstöße mit nicht-westlich-kanonischen Texten riskiert. Künstler*innen hingegen arbeiten schon lange an unterschiedlichen Formaten, die diversen Schnittstellen zwischen Ausbeutung und Diskriminierung an verschiedenen Kreuzungen zu untersuchen. Sie durchkreuzen dabei auch die gesellschaftliche Arbeitsteilung von Kunstproduktion, Aktivismus und Theorie, deren gemeinsame Terrains und unterschiedliche Funktionsweisen immer auch Inhalte dieser Zeitschrift sind.

Diedrich Diederichsen hat kürzlich in einem Text im Merkur dafür plädiert, den Traum vom „Intersektionalismus als zeitgemäße Realisierung universellen Widerstands“ zumindest doch zu benennen. Dem kommen wir an der nächsten Kreuzung gerne entgegen.

Jens Kastner, koordinierender Redakteur