Zur Abstimmung im Europäischen Parlament über Folgerechts-Richtlinie: Die IG Bildende Kunst spricht sich für die Einführung eines Folgerechts aus. Eine Maßnahme, die bildenden KünstlerInnen zu Einnahmen – in diesem Fall durch den Wiederverkauf von künstlerischen Arbeiten – verhilft, ist selbstverständlich zu begrüßen. Die Umsetzung eines Folgerechts, wie sie im Rahmen der Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates stattfinden soll, ist allerdings in einigen Punkten zu kritisieren. Hier in Kürze die wichtigsten:
Künstler_innenbild nicht zeitgemäß
Die erarbeitete Richtlinie begünstigt KünstlerInnen, deren Arbeiten am Kunstmarkt ohnehin Absatz zu achtbaren Preisen findet. Die Vorstellung der brotlosen Künstlerin / des brotlosen Künstlers, die / der am Lebensende mit ansehen muss, wie ihre / seine Arbeiten zu horrenden Preisen die BesitzerInnen wechseln (und gleichzeitig keine künstlerischen Arbeiten mehr haben soll, die sie / er selbst verkaufen könnte), ist zumindest als nicht zeitgemäß und jedenfalls als nicht repräsentative Klischeevorstellung zu bezeichnen.
Ein hoher Mindestbetrag, ab dem eine Folgerechtsabgabe fällig wird, schließt jene KünstlerInnen aus, die diese Erlöse am dringendsten brauchen würde, weil sie mit ihrer künstlerischen Arbeit eben (noch) keine hohen Preise erzielen.
Fragwürdige Begünstigung von ErbInnen
Eine Begünstigung von ErbInnen bzw. RechtsnachfolgerInnen ist als höchst fragwürdig einzustufen. Fallen Folgerechtsabgaben aus der Wiederveräußerung von Arbeiten bereits verstorbener KünstlerInnen an, wäre es erstrebenswert zumindest einen Teil dieser Beträge für soziale Anliegen („Sozialtopf“, Fonds,… etc.) für bildende KünstlerInnen verbindlich zur Verfügung zu stellen. Mit einer Umverteilung dieser Art könnte auch einem sozialen Grundgedanken des Folgerechts Rechnung getragen werden.
Ausnahmeregelungen kontraproduktiv
Die Ausnahme des Anwendungsbereiches für Privatverkäufe scheint kontraproduktiv. Eine Verschiebung des Kunsthandels in Grauzonen ist zu befürchten, die letztendlich auch den Verbleib von Kunstwerken verschleiern.
Zu lange Übergangsfristen
Die geplanten Übergangsfristen (vier Jahre für die Umsetzung der Richtlinie in innerstaatliches Recht; sechs Jahre für Mitgliedsstaaten, die noch kein Folgerecht anwenden) laufen der Intention nach rascher europäischer Harmonisierung des Folgerechts und Beseitigung von wettbewerbsverzerrenden Umständen zuwider.
Anachronistischer Originalitätsbegriff
Bildende Kunst, die keine Produkte im Sinne eines Originals hinterlässt, wird völlig ausgeklammert, ist aber wesentliches Merkmal des 20. Jahrhunderts. Wertsteigerung von “Sekundär-” oder “Folgeprodukten” (als prominente und bereits viele Jahrzehnte zurückliegende Beispiele seien Marcel Duchamps “ready mades” genannt) passiert durchaus – eine Berücksichtigung im Folgerecht fehlt. Allein die Versuche (gleichgültig ob Rat, Kommission oder Parlament) einer Definition des “Originals” bei Werken aus dem Bereich Druckgrafik oder Fotografie für die Anwendbarkeit der Richtlinien zum Folgerecht spiegelt die diesbezügliche Problematik des “Kunstwerks im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit” wider.
In Anbetracht dieser Kritikpunkte hält die IG Bildende Kunst die Richtlinie zum Folgerecht für ein unausgereiftes Flickwerk, zum Teil auch schon wieder von Entwicklungen in der zeitgenössischen Kunst überholt aufgrund der langjährigen Verhandlungen.
– Wien, 25.7.2001
Standpunkt der IG Bildende Kunst zur EU-Richtlinie über das “Folgerecht des Urhebers des Originals eines Kunstwerks”