Fair Pay Gap: Wie viel fehlt zwischen tatsächlicher und fairer Bezahlung? (Foto: D.K.)

Mind the Fair Pay Gap!

70% Fair-Pay-Gap in der bildenden Kunst. Künstler_innen mitgemeint.

Wie viel fehlt zwischen tatsächlicher und fairer Bezahlung? Dieser Frage ist das Kulturministerium (BMKÖS) nachgegangen und hat eine Erhebung in Auftrag gegeben. Die Ergebnisse liegen nun vor: „Der Fair-Pay-Gap beträgt gesamt 21% der jeweiligen Personalkosten im Jahr und macht damit rund 10 Mio. Euro innerhalb der Stichprobe aus.“, stellen die Studienautor_innen des Gallup Instituts fest. Der Blick aufs Detail zeigt allerdings bedeutende Unterschiede je nach Fördernehmer_innen.

Die Stichprobe – wir sprechen von 262 bzw. 195 Teilnehmer_innen an der Online-Befragung – kann nur erahnen lassen, wie es insgesamt um faire Bezahlung in Kunst und Kultur in Österreich bestellt ist. Das BMKÖS hat den Endbericht der Studie zum Anlass genommen, um erste Gegenmaßnahmen zu setzen: 6,5 Millionen stehen in einer Pilotphase 2022 für Fair-Pay-Zuschüsse zur Verfügung. Diesen wichtigen ersten Schritt verbuchen wir auch als Erfolg der Interessengemeinschaften im Kampf um faire Bezahlung. #paytheartistnow #fairpay  

Der Gender-Gap im Fair-Pay-Gap

Innerhalb der Sparten sticht die bildende Kunst mit dem höchsten Fair-Pay-Gap hervor: Es fehlen satte 70% zwischen tatsächlich erfolgter und fairer Bezahlung entsprechend den Empfehlungen von Interessenvertretungen. Das überrascht nicht. Angesichts der Tatsache, dass etwa für Ausstellungsbeteiligungen weit verbreitet gar keine Honorare gezahlt werden (können), liegt der Gedanke nahe, dass bei den bildenden Künstler_innen selbst noch weit höhere Diskrepanzen zwischen tatsächlicher und fairer Bezahlung liegen.

Und während der Gender-Gap im Fair-Pay-Gap über alle Teilnehmenden hinweg 18% bei Frauen*,  25% bei Männern* bzw. 30% bei Personen mit diverser Geschlechtsidentität ausmacht, zeigt auch hier die bildende Kunst auffällig andere Verhältnisse: 77% Fair-Pay-Gap bei Frauen*, 55% Fair-Pay-Gap bei Männern*. Der Fair-Pay-Gap bei Personen mit diverser Geschlechtsidentität bleibt in der Spartenauswertung unberücksichtigt. [1] 

Worst of Fair-Pay-Gap: Einzelunternehmer_in, projektorientiert, ländlicher Raum

Die Studie wertet die erhobenen Daten zum Fair-Pay-Gap nach verschiedenen weiteren Aspekten aus. Nach der Organisationsstruktur betrachtet sind es die Einzelunternehmer_innen (z.B. Künstler_innen), die mit 87% den höchsten Fair-Pay-Gap verbuchen müssen – gegenüber beispielsweise 37% Fair-Pay-Gap bei Vereinen oder 2% bei GmbHs. Ein trauriger Spitzenwert von 111% Fair-Pay-Gap sticht wiederum bei der Betrachtung nach Geschäftsmodell hervor und gilt den projektorientierten Einrichtungen (Künstler_innen mitgemeint). Bei Festivals schlagen 49% Fair-Pay-Gap zu Buche. Bei Einrichtungen im dauerhaften Jahresbetrieb sind es 17%. Auch die geografische Lage wirkt sich deutlich auf den Fair-Pay-Gap aus: Von 18% in Landeshauptstädten bis zu 77% im ländlichen Raum.

Künstler_innen mitgemeint

Woher kommen die Ergebnisse? Wer wurde befragt? Zielgruppe der Online-Befragung waren laut BMKÖS-Einladung „alle Kunst- und Kulturorganisationen sowie Institutionen und Unternehmen (inkl. Einzelunternehmen/Neue Selbständige) in Kunst und Kultur*, in deren Wirkungsbereich Honorar- oder Gehaltsempfehlungen vorliegen“.

Niederschwellig war die Teilnahme nicht, Künstler_innen eher mitgemeint als direkt angesprochen. Registrierung zur Teilnahme im August, Zusendung eines Links zum Fragebogen im Herbst 2021 – beide Male durchaus mit Fristverlängerung. Die Beteiligung war letztlich niedrig, die Ergebnisse sind nicht repräsentativ. 262 „Einrichtungen“ (Künstler_innen mitgemeint) haben teilgenommen, 195 haben alle Hürden genommen und den Online-Fragebogen bis zum Schluss ausgefüllt. Gerade gegen Ende der Befragung sind relativ viele Respondent_innen weggebrochen. Gerade dort ging es um Kernfragen, nämlich um Personalkosten (Gehälter, Honorare, Eigenhonorare) und die – mitunter auch aufwändige – Neuberechnung dieser Personalkosten anhand der Gehalts- und Honorarempfehlungen von Interessengemeinschaften.

Wesentliche Einblicke, wesentlicher Ausblick

Wenige Teilnehmer_innen, aber viele in Kunst- und Kultur Tätige sind von der Befragung erfasst: “Insgesamt sind in den 261 Einrichtungen, die hierzu Angaben machten, 8.372 Mitarbeitende in unterschiedlichen Beschäftigungsverhältnissen tätig, 2.194 Personen davon üben eine ehrenamtliche Funktion aus.”

„Es handelt sich dabei um eine Zufallsstichprobe, die keinen Repräsentativitätsanspruch erfüllen kann.“, schreiben die Studienautor_innen im Endbericht, halten aber auch fest, dass die Umfrage jedenfalls „wesentliche Einblicke“ liefert und „eine zentrale Beurteilung des Fair-Pay-Gap“ ermöglicht.

In einem nächsten Schritt startet das BMKÖS eine “Fokusgruppe Fair Pay”. Auf der Agenda steht die im Regierungsprogramm verankerte Umsetzung einer gemeinsamen Fair-Pay-Strategie von Bund, Ländern und Gemeinden. Interessengemeinschaften – so auch die IG Bildende Kunst – sind zur Involvierung in den Prozess eingeladen.

 


[1] „Das Geschlecht Divers wird nur in der Auswertung zur gesamten Stichprobe berücksichtigt, nicht aber in der weiteren Ausdifferenzierung, da diese Gruppe insgesamt nur 48 Personen umfasst und diese Beschäftigten nicht in allen Kategorien vertreten sind.“ (Fair-Pay-Gap in Kunst und Kultur, Endbericht, Seite 9)