»You are an artist and that means: you don’t do it for the money. That is what some people think. It is a great excuse not to pay you for all the things you do«, inszeniert die Künstlerin Ina Wudtke den von Dieter Lesage verfassten Text in der Videoarbeit »A Portrait of the Artist as a Worker (rmx.)« (2006). Auch gegenwärtig haben der Text und dessen Inszenierung nur wenig an Aktualität eingebüßt. Aber hier und da tut sich etwas, auch in Österreich. Die aktuelle Regierung hat das Thema faire Bezahlung in Kunst und Kultur erstmals in ihrem Regierungsprogramm verankert.
Tiroler Künstler:innenschaft und IG Bildende Kunst
Die Tiroler Künstler:innenschaft (Bereich: Interessenvertretung) und die IG Bildende Kunst machen sich seit vielen Jahren für eine angemessene Bezahlung künstlerischer Arbeit stark. In den Ausstellungshäusern Kunstpavillon und Neue Galerie Innsbruck werden seit 2020 explizit Ausstellungshonorare an ausstellende Künstler:innen ausbezahlt – allerdings zulasten der Produktionsbudgets, eine adäquate Anpassung der Fördergelder blieb bis dato aus. Bereits seit 2011 arbeitet die IG Bildende Kunst am Schwerpunkt »Über Geld reden« und setzt sich seit 2016 mit »pay the artist now!« für die Verankerung von angemessenen Honoraren ein. Im November 2018 initiierte und organisierte sie ein Vernetzungstreffen, an welchem Vertreter:innen österreichischer Künstler:innenvereinigungen in Wien zusammenkamen, um sich über den Status Quo sowie mögliche Lösungsschritte auszutauschen. »Gemeinsames Ziel ist, dass Künstler:innen in Österreich für geleistete Arbeit auch angemessen bezahlt werden! Das oft von Kritiker:innen angeführte Argument, Künstler:innen könnten ihre Kunstwerke nach Ausstellungen verkaufen, perpetuiert einen Werkbegriff, der antiquiert und in vielen Fällen auch nicht mehr zutreffend ist«, schreibt Michael Strasser (Vorstandsmitglied, Tiroler Künstler:innenschaft) im Anschluss an das Treffen in der Bildpunkt, der Zeitschrift der IG Bildende Kunst.
Panel-Diskussion und Vernetzungstreffen in Innsbruck
In einer Kollaboration zwischen der IG Bildende Kunst, der Tiroler Künstler:innenschaft (Bereich: Interessenvertretung) und der battlegroup for art (ein Netzwerk von Interessenvertretungen, Plattformen und Zusammenschlüssen im Bereich zeitgenössische Kunst und Kultur in Innsbruck) wurde an das Vernetzungs- und Arbeitstreffen “pay the artist now!” 2018 in Wien angeknüpft und von 16. bis 19. Oktober 2020 der viertägige Themenschwerpunkt »Fair Pay in Kunst und Kultur« in Innsbruck umgesetzt. Den Auftakt machte eine Panel-Diskussion, in welcher erste Überlegungen zu fairer Bezahlung im Programm der österreichischen Bundesregierung sowie Best-Practice-Beispiele präsentiert und diskutiert wurden. Anschließend kamen Künstler:innen sowie Vertreter:innen von Off-Spaces, Kunstvereinen, Kunsthallen und Künstler:innenvereinigungen im digitalen bzw. physischen Raum zusammen. Das Kulturministerium des Bundes, die Stadt Innsbruck und die Bildrecht haben das Wochenende finanziell unterstützt.
Just am selben Wochenende wurde publik, dass die Entwicklung einer Fair-Pay-Strategie für Österreich, initiiert von Kunst- und Kulturstaatssekretärin Andrea Mayer, auf den Weg gebracht wurde. Seit November 2020 kommen Vertreter:innen der Kunst- und Kultursektion des Bundes mit zehn geladenen Interessenvertretungen bzw. Vertreter:innen aus den Bundesländern regelmäßig im Forum Fairness bzw. in der Arbeitsgruppe Fairness zusammen, um über Maßnahmen zur Verbesserung der Arbeitssituation der freischaffenden Künstler:innen sowie Kulturarbeiter:innen zu beraten. Als erstes Ergebnis – und einer langjährigen Forderung der Interessenvertretungen folgend – wird derzeit eine systematische Erhebung des Fair-Pay-Gap durchgeführt. Ziel ist es, die Differenz zwischen den tatsächlich bezahlten Honoraren bzw. Gehältern und den von Interessenvertretungen empfohlenen Mindeststandards zu erheben.
Leitfaden und Honorarempfehlung
Seit Dezember 2020 kamen Sheri Avraham, Jannik Franzen (bis April 2021), Vasilena Gankovska und Daniela Koweindl für die IG Bildende Kunst sowie Petra Poelzl und Michael Strasser für die Tiroler Künstler:innenschaft (Bereich: Interessenvertretung) wöchentlich zusammen, um – auf Basis der Resultate der oben genannten Vernetzungstreffen in Wien und Innsbruck – Empfehlungen und Kalkulationshilfen für faire Bezahlung in der Kunst- und Kulturarbeit auszuformulieren. Veröffentlicht wurden im Juli 2021 ein Leitfaden, ein Honorarspiegel sowie ergänzende FAQ, welche als Grundlage und Hilfestellung für die systematische Erhebung des Fair-Pay-Gaps sowie als Ausgangspunkt für weitere Gespräche mit Fördergeber:innen dienen sollen. Die Devise bleibt: »pay the artist now!«
Der Text von Petra Poelzl erschien zuerst in der Vierteljahreszeitschrift des BBK Bundesverband: kultur politik, Ausgabe 03/2021: Künstlerisches Einkommen. Blick in andere Länder. Aus dem Inhaltverzeichnis:
- Aussstellungsvergütung im internationalen Kontext (Doris Granz)
- Ausstellungsvergütung in Europa: Modelle, Initiativen und Austausch (Thomas Weis)
- pay the artist now! Für bessere Arbeitsbedingungen im Kulturbereich Österreichs (Petra Poelzl)
- Künstler:innenhonorare in der Schweiz (Regine Helbling)
- Schweden: Allgemeine Geschäftsgrundsätze auch für Ausstellungen gültig (Katarina Renman Claesson)
- Das niederländische Modell für die Ausstellungsvergütung von Künstler:innen (Annelinde de Jong, Sofia Kapnissi, Loek Schönbeck)
- Kanada: CARFAC Mindesthonorarempfehlungen (April Britski)