Eröffnung: 25.4.2024, 19 – 21 Uhr
Künstlerinnen: Ayesha Zulfiqar (PAK) (AIR – ARTIST IN RESIDENCE Niederösterreich), Elisabeth Czihak (A) (https://czihak.at/)
Kuratorische Begleitung: David Komary und Vasilena Gankovska
Die Ausstellung „On the Edge“ zeigt Arbeiten zweier Künstlerinnen, deren Interesse sich auf Räumliches und Geometrisches richtet, dabei aber nicht nur den Blick, sondern stets auch das Verhältnis zum Körperlichen mitdenkt. Sowohl Ayesha Zulfiqar als auch Elisabeth Czihak arbeiten mit Momenten formaler Abstraktion, mit räumlicher Leere und Absenz, mit Zwischenräumen und negativem Raum. Doch steht Raum hier weder als homogene Ausdehnung noch als abstrakte Denkfigur oder gar als Absolutes zur Diskussion. Vielmehr findet bei beiden Künstlerinnen ein Fragen nach dem jeweiligen Standpunkt statt, nach dem veränderlichen Verhältnis zum Raum, was letztlich auch das Verhältnis zu Raum und Ort in einem gesellschaftlichen, urbanen Sinn miteinschließt.
Die pakistanische Künstlerin Ayesha Zulfiqar, die von Februar bis April 2024 zu Gast bei AIR – ARTIST IN RESIDENCE Niederösterreich in Krems ist, hat während ihres Aufenthaltes kleine Keramik- und Porzellanskulpturen entwickelt, die sich mit räumlichen Geometrien, genauer: mit dem Umschlagsphänomenen von Raum in Fläche und vice versa beschäftigen. Zulfiqar schafft dabei zweidimensionale Permutationen ursprünglich triaxialer Strukturen (Kuben), die sie dann wieder ins Objekthafte, realiter in kleine geometrische Tonskulpturen transkribiert. Das Gegebene, Physische und Taktile führt so zuerst ins Grafisch-Abstrakte, um alsbald als eine Art skulpturaler Rückkoppelung wiederum in den Realraum zu münden. Bei Zulfiqar ereignet sich so nicht nur ein Umschlagen, sondern eine reziproke Durchdringung unterschiedlicher räumlicher Lagen und Ontologien. In einer zweiten Werkgruppe spannt die Künstlerin mittels in Porzellan modellierter Eckfragmente, die auf Zulfiqars Atelierraum in Krems rekurrieren, ein imaginäres Volumen auf, das den gegebenen, aktualen Raum der Ausstellung nicht nur erweitert, sondern auf subtile Weise transzendiert.
Elisabeth Czihak porträtiert in großformatigen Analogfotografien leerstehende Räume einer geradezu architekturgeschichtlichen Ikone Wiens, doch geht es in ihren Aufnahmen der Villa Beer in Wien-Hietzing weniger um das Ästhetisieren bestimmter formaler Qualitäten des Gebäudes, sie zeigt die Innenräume vielmehr als ehemalige „Habitate“ und somit als Träger zeitlicher Spuren und Signaturen menschlichen Lebens und Handelns. Czihak scheint den Innenräumen, ihren Verbindungen und räumlichen Paradoxien, dabei nicht nur visuell zu begegnen, sondern sie im Sinne eines anthropogenen Palimpsests einer vorsichtigen, unterschiedliche Zeitschichten verbindenden Befragung zu unterziehen. Sie zeigt die Räume ungeschönt, wie sie sind, beschädigt, vernachlässigt, also einerseits in ihrer ikonischen Anmut latent gebrochen und andererseits doch auch wieder souverän. Der Blick erweist sich dabei als taktiles, suchendes Instrument, er ist nicht auktoriales Auge, sondern körperlich bewegter und spürender, empathischer Blick. Das Überzeitliche, gar Auratische der Architektur trifft hier nicht einfach auf Spuren des Gebrauchs, diese verweisen vielmehr auf eine Dimension des Wandels und der Transformation, auf Momente architektonischer „Individuation“.
(Text David Komary)
Gefördert durch das Land Niederösterreich