Ich erinnere mich nicht genau, wo ich gelesen habe, dass das urbane Leben der Pflanzen in Südafrika eine Art unsichtbaren Unort darstellt, einen Ort zwischen dem, wo du bist, und dem, wo du vorhast zu sein. Zwischenorte werden oft übersehen, unsichtbar gemacht von den wichtigeren Räumen beider Seiten. In Townships in Städten wie Johannesburg ist das womöglich besonders ausgeprägt. Die Stadtplanung der Apartheid hat selten solchen „Luxus“ wie Pflanzenleben und Erholungsgebiete mitgedacht, sodass offene Grünflächen meist Bereiche waren (und oft sind), die zu durchqueren sind – um zum Bahnhof zu kommen oder zur nächsten Zone, Teil der langen Wege zu urbanen Massen-Arbeitslagern für das Schwarze Südafrika, an den Peripherien der Städte.
Aber diese Zwischenorte zeigen uns potentiell etwas sonst Ungesehenes. Besonders wenn wir sie vor dem Hintergrund eines Ortes wie dem Museum ins Blickfeld rücken. Im Gegensatz zu kolonialen und Apartheid Township-Realitäten waren formale Strukturen wie Gerichte, Universitäten und Museen Teil der whites-only Bereiche. Die Johannesburg Art Gallery ist eine solche Struktur. Ihre griechischen Säulenhallen öffneten erstmals 1915, sammelten Monets, Rembrandts, später Picassos und Warhols. Und sind heute, lange nachdem dieses Europain- Afrika-Projekt delegitimiert worden ist, in der Krise. Was fangen wir mit einem Kunstmuseum an, das so ausdrücklich in Widerspruch zu seiner Umwelt gebaut wurde? Was ist die Identität eines Kunstmuseums außerhalb des kolonialen Zivilisierungsprojekts? Wie kann sich ein Museum der Zukunft neu erfinden? Auch wenn diese Fragen an einem Ort wie Johannesburg besonders krass zum Ausdruck kommen, sind sie ebenso relevant für Museen auf der ganzen Welt. Museen und Kolonialismen sind Zwillinge des gleichen Mutterleibs, für immer miteinander verbunden.
Das Ejaradini-Projekt wollte sonst wenig beachtete, unsichtbar gemachte Zwischenorte in Kontakt mit dem Museum bringen. Wir haben besondere Aufmerksamkeit auf Höfe urbaner Townships gelegt und auf die Gärten, die ihre Besitzer_innen darin anlegten. Ähnlich wie Museen es sind, ist das Gärtnern, in der Art wie es in den meisten häuslichen Bereichen existiert, ein Relikt des kolonialen Erbes. Gärtnern ist Teil von Sammlungsgeschichte (oft von exotischen Pflanzen neuer Territorien), Kategorisierung (durch koloniale Namensgebungstraditionen) und der Kontrolle und „Domestizierung“ „Anderer“, in diesem Fall der natürlichen Umgebung. Im südafrikanischen Kontext wird das Gärtnern oft mit weißen Mittelklasse- Vororten assoziiert und mit der rassialisierten Arbeit Schwarzer Männer, die herablassend als „garden boys“ bezeichnet wurden. In Populärkultur und Wissenschaft ist hingegen den Gärten, die Schwarze Männer und Frauen für sich selbst angelegt haben, wenig Aufmerksamkeit geschenkt worden. Wenig ist darüber nachgedacht worden, was diese Zwischenorte uns darüber zu sagen haben, wie Schwarze Südafrikaner_ innen Strategien gefunden haben mit kolonialem Erbe umzugehen.
Es ist wichtig, Township-Gärten als Orte des Widerstands innerhalb kolonialer Strukturen zu denken, als Anwendung der „masters’ tools“. In Archiven von Township-Gärten aus den 1950er Jahren sehen wir Gärten, die im Schatten von unmittelbar bevorstehenden Zwangsumsiedlungen der Apartheid-Ära gepflanzt wurden. Wir sehen auch Leute, die, nachdem sie gerade zwangsumgesiedelt wurden, sofort „Wurzeln geschlagen“ haben, eine starke Geste der Zugehörigkeit unter solch prekären Umständen. Township-Gärten sind zudem wichtige öffentliche Indikatoren persönlicher und Vergnügungs-orientierter Arbeit, in Umständen, in denen der Staat Schwarzes Leben in erster Linie auf Grundlage des Beitrags von entfremdeter Arbeit zur Apartheid-Ökonomie betrachtete. In fotografischen Archiven erscheint der Garten auch als Erholungsort, als Ort für familiäres und gemeinschaftliches Vergnügen innerhalb der häuslichen Sphäre. Das ist ein wichtiger Hinweis auf Schwarzes Leben außerhalb, oder vielleicht sogar innerhalb, der Erzählungen von Kampf und Unterdrückung, die sonst die historischen Narrative dominieren. Diese und viele weitere Akte des Widerstands innerhalb des Township- Gartens sind wertvolle Strategien mit kolonialem Erbe umzugehen, invertiert sowie an und für sich bieten sie uns Orte Schwarzen kollektiven Lebens und der Emanzipation.
Was sagt uns das über Museen? Das Ejaradini- Projekt hat einen Garten eingerichtet, durchsetzt mit photographischem Archivmaterial von Township- Gärten, innerhalb der Johannesburg Art Gallery. Es hat einen Township-Garten direkt auf das Museum übertragen. Als Teil des Projektes wurde der Garten Gastgeber von Lyrik- Lesungen, einem Programm für junge Leute, Vorträgen Schwarzer Farmer und war ein Ort zum Ausruhen und Nachdenken darüber, was diese Geschichte der Gärtnerei für uns bedeutet. Der Garten war mit Pflanzen bestückt, die typischerweise in Township-Gärten zu finden sind, die ernährenden, medizinischen, spirituellen und auch ornamentalen Wert haben – aus diesem Garten haben wir gegessen und Medizin gemacht. Im Garten zu sein gab uns die Möglichkeit, auszuprobieren, was ein Museum Praktiken Schwarzen kollektiven Lebens und emanzipativen Projekten vielleicht zu bieten hat. Es hat uns erlaubt, Formen des Studiums, der Kontemplation, der Rolle visueller Geschichte und anderer materieller Formen, und somit viele der Konventionen der Museumspraxis, neuzudenken. Im Kern hat dieses Projekt versucht, umzusetzen, was es heißt Sozialität ins Zentrum der Verantwortlichkeit von Museen zu stellen, und Antworten zu finden auf die vielfältigen Geschichten und damit verbundenen Bedürfnisse der community eines Museums.
MADEYOULOOK ist eine interdisziplinäre Zusammenarbeit der Künstler_innen Nare Mokgotho und Molemo Moiloa in Johannesburg. Ihre Arbeiten beziehen sich oft auf alltägliche Praktiken und Aspekte innerstädtischen Lebens für die Wissensproduktion.
Übersetzung aus dem Englischen von Sophie Schasiepen.