Die Association of Visual Artists (AVA) in Island startete 2015 die Kampagne WE PAY VISUAL ARTISTS zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen von Künstler*innen. Welche waren die ersten Schritte, wie habt ihr die Kampagne vorbereitet?
Jóna Hlíf Halldórsdóttir: Mit der Kampagne haben wir am 20. 11. 2015 im Nordic House in Reykjavik gestartet. Ziel ist es, das künstlerische Arbeitsfeld zu fördern und somit den Künstler* innen eine faire Bezahlung für ihre Arbeit zu ermöglichen. Kern der Kampagne ist das neulich aufgesetzte Abkommen über Vergütungen für künstlerische Beiträge in Ausstellungen. Dieser Entwurf könnte dann Grundlage für einen Vertrag mit allen Museen in Island sowie für alle aus der öffentlichen Hand geförderten Ausstellungen sein. Zu den ersten Schritten gehörten die Durchführung einer Studie zur Einkommensverteilung bei unseren Mitgliedern sowie die Initiierung der Diskussion mit den Direktor* innen aller öffentlich geförderten Museen in Island. Im Rahmen der Studie, die bereits 2013 vorgebracht war, gab es verschiedene Fragen zur finanziellen Lage unserer Mitglieder. Die wichtigsten Erkenntnisse waren, dass die meisten Künstler*innen über ein niedriges Einkommen verfügen und ihre Ausbildung das Einkommen aus künstlerischer Tätigkeit nicht sichern konnte. Dazu kommt, dass das Fördersystem in Island sehr eng und seit Jahren nicht gewachsen ist. Die Diskussion mit den Museumsdirektor* innen resultierte in der Gründung einer Arbeitsgruppe mit dem Auftrag den Entwurf für einen sog. contribution contract, ein Abkommen für Künstler*innen, die in öffentlich geförderten Museen ausstellen, aufzusetzen. Die Arbeitsgruppe folgte dem schwedischen Beispiel MU Agreement, welches künstlerische Vergütung unabhängig von Kostenübernahmen für Transport, Aufbau oder Publikationen regelt. Der isländische Entwurf sieht vor, dass die Künstler*innen für ihre Arbeit vor, während und nach der Ausstellung bezahlt werden. Das wird schriftlich vereinbart und bezieht sich auf festgelegte Honorarsätze sowie eine Vergütung für das Ausstellen von Arbeiten. Das Abkommen haben wir 2016 verschiedenen Organisationen und Institutionen präsentiert, wie etwa dem Kulturministerium und dem Isländischen Gemeindeverband.
Welche weiteren Schritte habt ihr gesetzt? Wie sahen euer Zeitplan und die Etappenziele aus?
Die Vorbereitung der Kampagne dauerte ein Jahr. Die Arbeitsgruppe für den contribution contract war etwa ein halbes Jahr tätig. Das Abkommen war im Zentrum der Kampagne, aber wir wollten auch eine Info-Webseite machen, sodass Künstler*innen und die Öffentlichkeit sich jederzeit informieren konnten. AVA entschied sich für die Produktion von acht Videos für die Homepage und fragte Künstler*innen und andere Personen aus dem Feld danach, warum Künstler*innen bezahlt werden müssen. Auf der Kampagnen-Webseite gibt es auch Infos mit den Ergebnissen zur Studie sowie die Finanzjahresberichte von Museen und Beispiele, wie viel sie den Künstler*innen bezahlen sollten, wenn das Abkommen in Kraft träte. Wir haben auch einen Online- Kalkulator, worauf wir sehr stolz sind, denn somit können die Künstler*innen selber ausrechnen, wie viel sie nach dem Abkommen erhalten. Nach der Kampagne hatten wir keinen genauen Zeitplan für das Inkrafttreten des Abkommens. Wir wussten, das wird dauern und haben das letzte Jahr genutzt, um die Staatsund Gemeindebehörden auf die Lage der Künstler*innen aufmerksam zu machen sowie das Abkommen zu präsentieren. Wir haben auch eine schöne rote Stofftasche mit einem Cartoon und dem Spruch We Pay The Artists produziert. Die Tasche samt dem Abkommen und unserem Magazin STARA haben wir an alle Interessent* innen geschickt. Das wurde sehr beliebt, z.B. auch bei Politiker*innen und offiziellen Meetings mit Staats- und Gemeindevertreter* innen.
Welche Allianzen konntet ihr innerhalb der Kunstszene bilden? Wer aller hat am Entwurf des Beitragsabkommens mitgearbeitet?
Wie bereits erwähnt, haben Museumsdirektor*innen mit AVA zusammengearbeitet. Das ging sehr gut, und momentan arbeiten wir das Feedback zum Abkommen ab. Mir scheint, dass alle Museen den Künstler*innen angemessene Honorare bezahlen möchten, aber es ist immer die Frage der Förderung. AVA arbeitet momentan gemeinsam mit den Museumsdirektor*innen an der Sicherung der Subventionen für das Beitragsabkommen. Wir hoffen, dass das zuständige Ministerium eine Förderung für die Künstler* innenhonorare etabliert und die Gemeinden den Museen eine extra Förderung geben, um jede Arbeit bezahlen zu können.
Uns interessieren auch die methodische Seite eurer Arbeit und eure Kampagnen-Tools. Wie seid ihr vorgegangen, um Interessen und Forderungen durchzusetzen?
Ich denke, dass das Gespräch unser Hauptinstrument war. Ich hatte Diskussionen mit bildenden Künstler*innen, Kunsttheoretiker* innen, Anwält*innen, Museumsdirektor*innen, der Öffentlichkeit und Politiker*innen. Es war auch sehr wichtig, mediale Aufmerksamkeit zu bekommen, Interviews im Radio und in der Presse. Ich hatte noch kein Fernsehinterview, aber das ist das Ziel für dieses Jahr. Letztes Jahr gab es bei uns Wahlen, und unsere Kampagne wurde vor der Wahl im Parlament diskutiert. Das war sehr wichtig für uns. Es war auch enorm wichtig, die Unterstützung von anderen Kreativen zu bekommen, wie etwa Musiker* innen und Autor*innen, aber auch Kunsttheoretiker*innen, die über die Wichtigkeit der Bezahlung von Künstler*innen geschrieben haben. Es ist wichtig, regelmäßig Events zu machen und die Kampagne am Leben zu erhalten.
Was war die Rückmeldung von euren Mitgliedern? Wie waren sie in die Kampagne eingebunden?
Die Künstler*innen in Island wissen, was in den Nordischen Ländern passiert, und wir hatten produktive Gespräche mit Kolleg*innen in Schweden zu deren MU Agreement. Unser Beitragsabkommen ist ähnlich gestaltet. Wir Künstler*innen haben die Nase voll, dass unsere Ausbildung nicht wertgeschätzt wird. Ich denke, dass die Kampagne uns vereint hat. Dass die Kampagne so lebendig war, liegt an den AVA-Mitgliedern, die sie durch das Teilen von Videos und Artikeln am laufe hielten. Ich habe aktiv Mitglieder angefragt, Artikel zu schreiben, an Symposien teilzunehmen, und ich bin sehr dankbar für die Rezeption seitens der Mitglieder und wie sehr jede*r bereit war beizutragen. Viele waren auch sehr gesprächswillig gegenüber Politiker*innen und der Öffentlichkeit.
Was habt ihr bereits durchgesetzt? Welche Forderungen und Ziele sind noch offen?
Ich denke, dass wir es geschafft haben, die öffentliche Wahrnehmung in Bezug auf die Arbeit der bildenden Künstler*innen zu verbessern. Viele dachten, dass Künstler*innen für die Ausstellungen in öffentlich finanzierten Museen bezahlt werden oder dass die Arbeiten in den Museen zum Verkauf stehen. In Island ist Museen nicht erlaubt Kunstwerke zu verkaufen. Die meisten Museen haben die Bezahlung an Künstler*innen durch Budgetanpassungen erhöht, und unsere Forderungen sind ihnen bewusst. Das Allerwichtigste ist, dass nun den Künstler*innen bewusst ist, dass Bezahlung für die eigene Arbeit auch für Gleichstellung, Menschenrechte, Transparenz und die Erschaffung einer gesunden Arbeitsumgebung steht. Als nächstes steht ein Treffen mit dem neuen zuständigen Minister an, um die Kampagne sowie das Beitragsabkommen zu präsentieren. Als AVA bereiten wir gerade ein Symposium vor und erwarten Gäste wie Hilde Tördal (Künstlerin und Vorsitzende von der Künstler*innenvereinigung NBK in Norwegen), die uns ein Pilotprojekt zu Künstler*innenhonorare präsentieren wird.
Jóna Hlíf Halldórsdóttir ist Vorsitzende der Association of Visual Artists in Island, wo sie als bildende Künstlerin lebt und arbeitet. Sie absolvierte die Abteilung für bildende Kunst an der Art School Akureyri, ein Masterprogramm an der Glasgow School of Art und hat auch eine Ausbildung in künstlerischer Erziehung.
Vasilena Gankovska ist bildende Künstlerin, seit 2012 Vorstandsmitglied der IG Bildende Kunst, seit 2016 Ansprechperson für die Galerie IG Bildende Kunst in Wien.
Das Gespräch wurde im Feber 2017 per E-Mail geführt. Übersetzung aus dem Englischen: Vasilena Gankovska.
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