Über Verträge reden

Ich mache Kunst! Nicht Buchhaltung. – Das geht leider nicht auf…

Mehrere Künstler_innen, die sich großteils kannten, wurden in ein renommiertes Ausstellungshaus in Niederösterreich eingeladen, um separate Teile einer zeitlich begrenzten Sonderausstellung zu gestalten. Eine davon war ich. Ob bereits existierende oder neu geschaffene künstlerischen Arbeiten verwendet würden, war freigestellt. Für das Werk gab es ein festgelegtes Honorar. Werkumfang und Zeitplan waren in einem schriftlichen Vertrag klar formuliert.

Überraschung im Ausstellungshaus: Ich war nicht einverstanden

Ebenso klar, aber zum Nachteil der Künstlerin, war der Passus, in dem die Rechte „geklärt“ wurden: „Die Werknehmerin räumt der Werkgeberin an sämtlichen Urheberrechten, welche die Werknehmerin als Urheber (§ 10 UrhG) oder Miturheber (§ 11 UrhG) im Zuge der Vertragserfüllung erwirbt, das ausschließliche sowie örtlich, zeitlich und inhaltlich unbeschränkte Werknutzungsrecht ein, das Werk auf alle heute und zukünftig bekannten Nutzungsarten zu verwerten.“ Auf Nachfrage gab man sich überrascht, dass ich nicht damit einverstanden wäre, diese Rechte abzugeben. Die selbstgestellte Aufgabe war nun, diesen Absatz in ein Werknutzungsrecht zu ändern, das nur für die Dauer der Ausstellung Gültigkeit hat.

Ich habe kein ausgeprägtes künstlerisches Standesbewusstsein, aber in diesem Jahr habe ich mich oft dabei ertappt zu denken: Wie komme ich eigentlich dazu? Ich mache Kunst! Nicht Buchhaltung. Das geht leider nicht auf; auch wenn es im Honorar für das künstlerische Werk keinen ausgewiesenen Posten für Büroarbeit gibt.

Womit habe ich mich herumgeschlagen? Noch dazu alleine

In einem ersten Vertragsgespräch, das am Rande eines Treffens zur inhaltlichen Konzeption stattfand, habe ich den Vertrag nur überflogen und Kleinigkeiten angemerkt. Monate später wurde er mir in leicht überarbeiteter Fassung per Post zugesendet. Erst dann habe ich begonnen, mich mit der Rechtefrage zu beschäftigen. Es war rasch klar, dass alle eingeladenen Künstler_innen davon betroffen waren, dennoch wurden keine gemeinsamen Strategien entwickelt. Auf Nachfrage erfuhr ich, dass die anderen Künstler_innen den Vertrag alle entweder individuell verhandelt oder ihn einfach unterschrieben hatten, ohne sich mit den möglichen rechtlichen Konsequenzen zu beschäftigen.

Die Kommunikation mit den Auftraggeber_innen war zäh. Wann kann ein Gespräch stattfinden? Wann ist mit Korrekturen im Vertrag zu rechnen? Besteht überhaupt ein reales Interesse an den uneingeschränkten Werknutzungsrechten oder stehen sie nur der Einfachheit halber im Vertrag? Unklar war bis zuletzt auch, ob die Intransparenz in diesen Dingen eine Strategie des Hinhaltens oder Zeichen der Überarbeitung auf Seiten des Ausstellungshauses war. Nach mehreren, teils in sich widersprüchlichen Vertragsversionen und viel Unmut habe ich eine zufriedenstellende Fassung (Werknutzungsrechte für die Ausstellungszeit und zeitlich unbegrenzte Bildrechte zu Dokumentationszwecken) in der Woche der Eröffnung erhalten. Mein Werk war bereits montiert. Ich hätte also gerade noch die Möglichkeit gehabt, zur Eröffnung zu fahren und es wieder mitzunehmen.

Nach jahrelangem Arbeiten in selbstorganisierten Strukturen hatte ich zum ersten Mal mit einem Ausstellungshaus dieser Dimension verhandelt. Ich hatte allein aufgrund der Größe Vertrauen gehabt, dass professionell gearbeitet und niemand übervorteilt würde. Gut gemeint, aber eben auch ein bisserl naiv.

Erkenntnis Nr. 1: den Vertrag prüfen
Es ist klug, den Vertrag mitzunehmen, zu lesen und im Detail zu prüfen, sich nicht zu genieren, rechtliche Beratung einzuholen, und ihn dann korrigiert zurückzuschicken. Es ist nicht unprofessionell, wenn man sich dafür adäquat viel Zeit lässt – im Gegenteil. Es ist ratsam, sich mit Kolleg_innen zu besprechen, die mehr Erfahrung haben. Seid großzügig! Teilt eure Erfahrungen!

Erkenntnis Nr. 2: (gemeinsam) mit der Auftraggeberin reden
Statt monatelang frustriert auf Verbesserungen zu warten und sich mit mauen Antworten auf Nachfragen abspeisen zu lassen (während die künstlerische Arbeit immer weiter fortschritt), wäre es sinnvoller gewesen, umfassend informiert und gemeinsam mit anderen betroffenen Künstler_innen zu einem einmaligen Face-to-Face-Termin zu fahren, bei dem sich alles auf einmal klären lässt – und die Ergebnisse schriftlich festzuhalten. Im konkreten Fall wollte die Auftraggeberin keine Gruppentermine wahrnehmen. Doch dagegen kann man sich auflehnen – oder sich zumindest vorher absprechen.

Erkenntnis Nr. 3: miteinander reden
Wozu rühmen wir uns permanent der kollektiven Arbeitsweise, der künstlerischen Freund_innenschaften, unseres politischen Verständnisses von Arbeit, wenn wir dann doch vereinzelt zu Hause sitzen und mit einer viel zu großen Auftraggeberin kämpfen? (Ganz egal, möchte ich hinzufügen, ob das nun Nahkampf oder Schattenboxen war.) Wir müssen reden! Wie sieht dein künstlerischer Beitrag aus? Wie berechnest du deine Arbeitszeit zwischen Honorarvorgaben und Anspruch an dein Werk? Wer liefert es, wer montiert es oder: Wer hilft dir dabei? Hast du deinen Vertrag schon bekommen? Durchgelesen? Wie gefällt er dir? Verstehst du ihn? Was sind deine Zweifel? Bei wem könnten wir uns gut beraten lassen? – All diese Fragen lassen sich vortrefflich bei einem Bier besprechen; oder noch besser: in der bezahlten Arbeitszeit.


Lore Misetics ist akademischerweise als Künstlerin zertifiziert, verdient ihr Geld aber in einer anderen Branche und genießt dort ausgezeichnete Vertragsklarheit.

Dieser Text ist im Bildpunkt Winter 2016/17 in einer gekürzten Fassung erschienen.