Solidarisch handeln im Kulturbereich

Eine Antwort auf prekäre Verhältnisse

Als vor rund 150 Jahren der organisierte Kampf für eine Verbesserung von Arbeits- und Sozialrechten begann, schienen Errungenschaften wie geregelte Arbeitszeiten, kollektivvertraglich vereinbarte Mindestlöhne und finanzielle Absicherung im Krankheitsfall für Arbeiter*innen und Angestellte in weiter Ferne zu liegen. Durch die solidarische Organisation zu Gewerkschaften konnten sie jedoch ein System schaffen, das heute die Grundlage unseres Sozialstaats bildet und sich über viele Jahrzehnte bewährt hat. Veränderungen in der Arbeitswelt haben dieses System inzwischen aber brüchig werden lassen. Denn für atypisch und hybrid Beschäftigte, Neue Selbständige und vor allem auch Solo-Selbständige, die insbesondere im Kunst- und Kulturbereich gehäuft anzutreffen sind, bietet das bestehende Sozialversicherungssystem keine ausreichende Absicherung. Dieser Missstand führt viele Betroffene immer tiefer in die Prekarität. Trotz jahrelanger Bemühungen der zuständigen Interessengemeinschaften scheint die Situation derzeit festgefahren.

Spartenübergreifende Solidarität als Ausweg?

Es stellt sich nun folgende Frage: Wie können sich im Kulturbereich tätige Menschen spartenübergreifend so organisieren, dass sie die gemeinsamen arbeits- und sozialpolitischen Interessen nachhaltig durchsetzen?

Die gewerkschaftliche Initiative vidaflex engagiert sich als freiwillige Interessenvertretung für Ein-Personen-Unternehmen (EPUs) und Neue Selbständige auch für Künstler*innen. Krankengeld ab dem vierten Tag für Solo-Selbständige als Leistung aus der Pflichtversicherung zählt dabei zu den wichtigsten Forderungen. Um diese auch durchzusetzen, ist eine aktive Beteiligung der betroffenen Personen nötig. Denn auch vor 150 Jahren war nicht plötzlich „die Gewerkschaft“ da, um für bessere Arbeitsbedingungen zu kämpfen: die Arbeiter*innen selbst haben das Heft in die Hand genommen und gemeinsam ihre heute so einflussreichen Gewerkschaften begründet.

Veränderung braucht Handeln

Eine Initiative wie vidaflex kann Strukturen bieten, die eine starke Interessenvertretung und damit auch eine nachhaltige Verbesserung der sozialen Absicherung ermöglichen, wie etwa durch ein existenzsicherndes Krankengeld und durch eine flexiblere Arbeitslosenversicherung, die den Bedürfnissen von Solo-Selbständigen und hybrid Beschäftigten gerecht wird. Es braucht aber Menschen aus der Branche, die sich solidarisch für die gemeinsamen Anliegen einsetzen und mithelfen, die unterschiedlichen Sparten zu organisieren. Menschen, die zusätzlich zu den bereits bestehenden Mitgliedschaften in den IGs und Berufsverbänden auch in eine Mitgliedschaft bei der Gewerkschaft investieren.

Der Kunst- und Kulturszene wird oft vorgeworfen, dass sie zerklüftet ist. Manche Bereiche sind besser organisiert als andere. Was aber nach wie vor fehlt, ist ein einheitlicher Auftritt, gemeinsam definierte Ziele und eine spartenübergreifende Solidarität. Die Zeit dafür ist mehr als reif! 


Nadja Puttner ist Tänzerin/Performerin, Choreografin und Tanzlehrende in Wien. Seit 2020 Obfrau der Initiative Tanz und Bewegungskunst Österreich, seit 2021 Branchensprecherin für Kunst und Kultur bei der gewerkschaftlichen Initiative vidaflex.