Pay the Artists, pay them now!

best practices für die gesellschaftliche Anerkennung vom Wert der Kunst als Arbeit

Seit Monaten warten wir gespannt auf die Ergebnisse der neuesten Studie zur sozialen Lage der Künstler_innen in Österreich. In der Zwischenzeit besuchen wir mit einem Glas Wein in der Hand Diskussionen mit Entscheidungstragenden für jene Probleme, die uns als Künstler_innen ganz offenbar betreffen. Vielleicht seid ihr als Künstler_innen nicht einmal ein Teil davon. Vielleicht findet ihr es sogar amüsant. Seid ihr diejenigen, für die wir stehen? Vielleicht haben Gewerkschaften die Bedürfnisse der Gruppe, die sie vertreten, falsch interpretiert? Wahrscheinlich ist es nicht einmal eine Gruppe, die auf gemeinschaftlichen Interessen basiert. Das Teilen des gemeinsamen Interesses kann bereits als Ideologie interpretiert werden. Und Regulierung nötig zu haben, stellt dich bereits in die Tradition historisch aufgeladener, aber immer noch präsenter Kategorien. Arbeiter_in vs. Angestellte. Angestellte als Arbeiter_ innen. Künstler_in als Arbeiter_in. Kunst als Arbeit.

Die IG Bildende Kunst begann vor einigen Jahren zum Thema Künstler_innenhonorare aktiv zu werden und startete zuletzt die Kampagne pay the artist now! mit verschiedenen Formaten wie Ausstellungen, Diskussionen, Arbeits- und Austauschtreffen. Das Ausstellungsbudget der Galerie IG Bildende Kunst wurde neu definiert und Anpassungen vorgenommen, damit seit 2017 Künstler_innenhonorare konsequent und nach einem Modell mit Mindesthonoraren ausbezahlt werden können. Ein Fokus der Auseinandersetzung liegt darüber hinaus auf der kontinuierlichen Analyse und Diskussion ähnlicher Initiativen weltweit. Eine wichtige Frage in diesem Zusammenhang ist, wie relevant die internationalen best practices mit ihren jeweiligen lokalen Besonderheiten für eine laufende Kampagne sein können, um schließlich in Forderungen zu münden, mit denen verbindliche Regelungen durchgesetzt werden können. Wie können wir die Erfahrungen aus einer Reihe spezifischer, sozio-politischer Kontexte nutzen?

Der Vorschlag, der mit Fördergeber_innen ausverhandelt werden müsste, sollte angemessene Künstler_innenhonorare in öffentlich finanzierten Einrichtungen in Österreich verbindlich verankern. Dabei geht es auch um den schmalen Grat zwischen angemessener Bezahlung von künstlerischer Arbeit auf der einen und der Vergrößerung des Reichtums der ohnehin Reichen auf der anderen Seite. Die Programme der großen öffentlichen Kunstinstitutionen sind bekanntlich darauf ausgerichtet, große Namen zu zeigen und dadurch nicht nur das symbolische Kapital zu vermehren und die eigene Position zu stärken. Nicht selten greifen sie dabei auf die freie Arbeit der Off/Projekträume unter dem Banner der Zusammenarbeit zu. Kleine Programme werden den großen untergeordnet, bezahlt wird mit Sichtbarkeit. Alle sind glücklich, insbesondere jene Off/Projekträume, die selbst Institutionen werden wollen. Beide erhalten auf die eine oder andere Weise öffentliche Gelder. Der schwierige Teil der Verhandlungen wird die Entwicklung eines Honorarmodells und von Richtlinien sein, die für all die verschiedenen Kunstinstitutionen gleichermaßen gelten können. Wie können wir Vielfalt bewahren und die Solidarität aufrechterhalten, ohne die Förderungen einer Institution zu kürzen, um die Budgets einer anderen aufzustocken?

Der Thematik ist den lokalen Initiativen nicht unbekannt. Manche arbeiten auf der Grundlage von Budget-Adaptierungen, damit die Selbstausbeutung bereits vor dem Berufseinstieg begrenzt wird. Die Diskussion und das Ausprobieren unterschiedlicher Modelle rund um die Anerkennung und den Wert von künstlerischer und kultureller Arbeit sind seit jeher auch zentrale Anliegen der Österreichischen Hochschüler_innenschaft an der Akademie der bildenden Künste Wien. Festgelegte Bezahlung der (künstlerischen, organisatorischen) Arbeit wird bei Projekteinreichungen als fixer Bestandteil für jedes geförderte Projekt berechnet.

Internationale Beispiele für erfolgreich umgesetzte Künstler_innenhonorar-Modelle gibt es viele. Im Folgenden stelle ich einige vor, die weitere Kampagnen inspiriert haben und eine mögliche Argumentationsgrundlage bieten. Sie haben unterschiedliche Ausgangspositionen, zeigen aber ganz gut, dass Selbstorganisierung, Vernetzung mit lokalen Partner_innen und eine starke Verhandlungsbasis mit den Entscheidungstragenden im Implementierungsprozess essentiell sind.

New York: Honorar für die Arbeit mit einer Kunstinstitution

W.A.G.E. ist eine 2008 von Kunst- und Kulturarbeiter_innen in New York gegründete Initiative, die das politische Ziel hat, die Bezahlung von künstlerischer Arbeit im Rahmen von Ausstellungen auch in non-profit Organisationen zu verankern.1 Die Einführung der Mindestzahlungsstandards und die gerechte Bezahlung in Form eines Honorars sollten als Entlohnung für kulturelle Arbeit verstanden werden. Die Initiative ging von Künstler_innen selbst aus und betonte die Notwendigkeit des Austausches, um die Arbeitsbedingungen zu verändern. Die W.A.G.E.- Zertifizierung ist ein von W.A.G.E. entwickeltes Programm für Kunstorganisationen, das als Instrument zur Selbstregulierung der Institutionen vorgeschlagen wurde.

Im Jahr 2014 nutzte W.A.G.E. den Artists Space in New York als Testfall für die Zertifizierung. Die Initiative hat einen Einblick bekommen, wie die Institution strukturiert war und sein Budget verteilt, um den Honorarrahmen zu verfeinern. Inzwischen entwickelte sich die Initiative zu einer gemeinnützigen Organisation und gründete im September 2018 WAGENCY, eine digitale Plattform, die ein automatisiertes System für W.A.G.E.- Zertifizierung und Erleichterung der Honorarverhandlung nach W.A.G.E. Standards beinhaltet (vgl. auch S. 28f. in diesem Heft). Neben den Richtlinien bietet sie eine Regelung für die Bezahlung von Künstler_innenassistent_innen, geregelt über eine anpassbare Arbeitsvereinbarung.

Norwegen: Künstler_innenhonorar als Zuschlag zur Ausstellungsvergütung

Lønn For Arbeid [Bezahlung für Arbeit], bekannt auch unter #utstillingsavtalen [Ausstellungsvereinbarung] ist eine gemeinsame Kampagne mehrerer bildender Künstler_innenorganisationen in Norwegen mit dem Ziel, die Bezahlung beim Ausstellen auf lokaler Ebene zu gewährleisten. Im Jahr 2013 hat das Kulturministerium in vier öffentlich finanzierten Ausstellungsräumen Künstler_innenhonorare als Pilotprojekt eingeführt, um ein Modell auf nationaler Ebene zu testen. Der Betrag für Künstler_innenhonorare im Jahr 2015 wurde auf mehr als 500.000 EUR für jede der zur Zeit 12 Institutionen erhöht.

Historisch gesehen wurde die Vereinbarung zwischen dem Staat und den Künstlerorganisationen über die Ausstellungsvergütung bereits 1978 geschlossen. Dies garantierte den Künstler_innen einen urheber_innenrechtlichen Vergütungsanspruch für das Ausstellen von Werken im Besitz des_der Künstlers_in. Das Rückgrat des politischen Kampfes war jedoch die Einführung der Künstler_innenhonorare im Jahr 2008. Mehrere Organisationen hatten an einem Ausstellungsvertrag gearbeitet, der aus drei Teilen besteht: Ausstellungshonorar (umfasst nicht nur die Arbeitszeit, die ein_e Künstler_ in in eine Ausstellung investiert – Verwaltungsarbeit, Neuproduktion, Aufbau –, sondern auch anderen mit der Ausstellung zusammenhängenden Arbeiten), Ausstellungsvergütung und Produktionskosten. Die Bezahlung der Künstler_innen wird als Entgeld für die Arbeit verstanden und als staatliche Aufgabe betrachtet.

Das „Berliner Modell“

Der Berufsverband Bildender Künstler*innen Berlin (bbk berlin) führte seit 2006 Diskussionen zur Verbesserung der Ausstellungsbedingungen, inspiriert vom schwedischen Modell der Ausstellungs- und Künstler_innenhonorare (MU Agreement). Auf Initiative des bbk berlin wurden gemeinsam mit den Kommunalen Galerien Berlin Ziele formuliert. Als Beschlussvorlage ist 2012 das sogenannte Berliner Modell entstanden. Eine zentrale Aufgabe dabei ist der Ausbau der Infrastruktur für die künstlerische Produktion und die Bezahlung von Ausstellungshonoraren. Es wurde festgelegt, dass die Honorare von professionellen bildenden Künstler_innen in temporären Ausstellungsprojekten der Kommunalen Galerien Berlin unabhängig vom Wohnsitz aus einem extra aufgelegten Fonds finanziert werden, der im Landeshaushalt fest verankert ist. Seit 2016 sind Ausstellungshonorare nun umgesetzt. Der Ausstellungshonorarfonds ist ausschließlich für die Zahlung von Ausstellungshonoraren zu verwenden und wurde für den Doppelhaushalt 2018/19 von 300.000 € auf 400.000 € erhöht. Die Mindesthonorare (z. B. 500 € pro Künstler_in bei Gruppenausstellungen mit drei bis neun Künstler_innen) gelten für alle vom Land geförderten oder in kommunalen Galerien stadtfindenden Ausstellungen. Als ein wichtiges Ergebnis gilt auch die Anerkennung des Ausstellungshonorars als Einkommen aus künstlerischer Tätigkeit.

Was bei diesen best practices als Ziel und Zweck hervorgehoben werden kann, ist vor allem die gesellschaftliche Anerkennung des Wertes der Kunst als Arbeit. Es geht darum zu verdeutlichen, dass die künstlerische Arbeit einen Wert hat, deren Bezahlung durch unterschiedliche Regulationssysteme – ausgehandelt mit öffentlichen Entscheidungsträger_innen auf der Basis von Fairness und Solidarität – verankert, getestet und praktiziert werden muss.


Jelena Micić ist Fellow von kültüř gemma! in der IG Bildende Kunst im Jahr 2018.

Übersetzung aus dem Englischen: Vasilena Gankovska.