Die Geldfrage ist eine existenzielle Frage. Nicht nur in Sachen Lebensunterhalt, sondern auch in Bezug auf das eigene Selbstverständnis ist entscheidend, wie die Einkünfte erzielt werden. Viele KünstlerInnen verdienen ihr Geld in anderen Berufen nebenher und leiden, wie der Soziologe Franz Schultheis aufgezeigt hat, an einer „Rollenambivalenz zwischen zwei inkompatibel erscheinenden Sozialfiguren“. Denn die Kunst um der Kunst Willen ist – in den Selbstverhältnissen wie auch in den Fremdzuschreibungen – nach wie vor die „soziale Leitdifferenz“ des KünstlerInnen-Daseins. Und die verträgt sich schwer mit dem Streben nach finanziellem Gewinn. Inwieweit es sich beim Kunstmarkt um einen „atypischen Markt“ (Schultheis) handelt, der nicht nur um symbolischen Wert kreist, sondern auch intransparent funktioniert, zeichnet auch Diego Mantoan in seinem Essay nach. Wie Schultheis’ Studie auf Pierre Bourdieus Ansatz gestützt, beschreibt er das Kunstfeld als autoritär, elitär und unzugänglich. Dabei hebt er aber auch hervor, dass finanzieller und künstlerischer Erfolg keinesfalls miteinander einhergehen müssen. Für den Status im Feld sei es relativ unbedeutend, „mit welchen Mitteln Künstler* innen ihr Leben und ihr Schaffen finanzieren“. Von den Ambivalenzen und Ausschlüssen ist bei Dirk Boll hingegen wenig zu lesen, er hält den Markt für „den Ort der Emanzipation der Kunst“. Die Studie des Christie’s-Managers ist angesichts ihrer Systematik auch trotz der durch und durch affirmativen Haltung des Autors sehr aufschlussreich. Für den Markterfolg jedenfalls sind letztlich immer auch außerökonomische Variablen entscheidend, hier spielt das Ansehen von KünstlerInnen, konstatiert Boll, „die ausschlaggebende Rolle“. Ein Argument gegen die Bezahlung von Arbeit kann das allerdings nicht sein. Existenzsicherung und Erwerbsarbeit zu entkoppeln, das ist auch die Grundlage für die Forderung nach einem bedingungslosen Grundeinkommen. Götz W. Werner, Gründer einer Drogeriekette, ist ein glühender und sehr nachvollziehbar argumentierender Vertreter des Konzepts. Wenn er auch Arbeit und Kapital gleichermaßen für „schöpferische Kräfte“ hält, ist doch sein Verständnis von Arbeit durchaus diskutabel: Arbeit nämlich sei auch Effekt von Kritik: „Nicht zu akzeptieren, dass die Dinge nun mal sind, wie sie sind, sondern sie zu hinterfragen“. Die Kritik an der unbezahlten Arbeit hat auch eine lange feministische Geschichte. Nicht nur Haus-, auch reproduktive Arbeit stand dabei im Fokus. Inwiefern der Begriff der reproduktiven Arbeit „angesichts der Inwertsetzung von Körpern und damit verknüpften Tätigkeiten aktualisiert werden kann“, fragt der Band von Kitchen Politics. Darin werden nicht nur wichtige Beiträge zur Debatte um Reproduktion und Biopolitik zugänglich gemacht, sondern auch queerfeministische mit antikapitalistischen Perspektiven verknüpft. Das führt u.a. zu der Forderung: Der Kampf gegen die Entwertung der Sorgearbeit sollte auch ein Kampf gegen den „regulativen Status der Familie innerhalb der geschlechtlichen Arbeitsteilung“ (Melinda Cooper) sein.
Jens Kastner ist Soziologe und Kunsthistoriker und lehrt an der Akademie der bildenden Künste Wien. Zuletzt erschien von ihm gemeinsam mit Lea Susemichel: Identitätspolitiken. Konzepte und Kritiken in Geschichte und Gegenwart der Linken, Münster 2018 (Unrast Verlag).
Dirk Boll: Kunst ist käuflich: Freie Sicht auf den Kunstmarkt. Berlin 2017 (Hatje Cantz Verlag), 3. Aufl.
Kitchen Politics (Hg.): Sie nennen es Leben, wir nennen es Arbeit: Globale Bioökonomie im 21. Jahrhundert. Münster 2015 (edition assemblage).
Diego Mantoan: Autoritär, elitär & unzugänglich: Kunst, Macht und Markt in der Gegenwart. Berlin 2018 (Neofelis Verlag).
Franz Schultheis: Kunst als Passion. Lebenswege in eine Welt für sich. Köln 2018 (Verlag der Buchhandlung Walther König).
Götz W. Werner: Einkommen für alle: Bedingungsloses Grundeinkommen – die Zeit ist reif. Köln 2017 (Kiepenheuer & Witsch).