Seit 2021 gibt es den Fair Pay Reader, herausgegeben vom Kulturrat Österreich. Auf 206 Seiten sind Empfehlungen „für faire Bedingungen in Kunst, Kultur und Medien“, Statements und Forderungen festgeschrieben. Die darin veröffentlichten Tools für die bildende Kunst bieten seitdem eine wichtige Hilfestellung für Künstler:innen bei Einreichungen, Honorarverhandlungen und dem Entwickeln eines (Selbst-)Bewusstseins für den Wert ihrer eigenen Arbeit. Die Empfehlungen sind eine Orientierungshilfe für alle Kulturarbeiter:innen, ob selbständige Künstler:innen, Kurator:innen, Angestellte oder Freelancer:innen, ob kleine Vereine oder große Institutionen. Alle können die Empfehlungen zurate ziehen. Ein Anfang ist gemacht!
„Kunst ist Arbeit und muss bezahlt werden.“, schreibt Jannik Franzen im einführenden Text der A5 großen blauen Broschüre, für das Kapitel zur bildenden Kunst. Langsam aber sicher manifestiert sich diese Forderung im Bewusstsein der im Kunstbetrieb arbeitenden Kolleg:innen und Fördergeber:innen. Mit jeder Frage nach einem Honorar und den Produktionsbedingungen bestärken und aktivieren Künstler:innen diesen Prozess des Umdenkens aufs Neue. Vieles ist schon geschafft und angestoßen, aber bis zu einem Selbstverständnis, das nicht mehr hinterfragt wird, haben wir noch einige Etappen vor uns.
Fair-Pay-Strategie und Fair-Pay-Millionen
Anfang 2022 startete der Bund unter Staatssekretärin Andrea Mayer im Rahmen der Fair-Pay-Strategie eine Pilotphase und es wurde ein Sondertopf, gefüllt mit 6,5 Millionen Euro, für zweckgewidmete Fair-Pay-Zuschüsse aufgelegt. Rückwirkend konnten beim BMKÖS fehlende Beträge beantragt werden, um sich Fair Pay (orientiert an der Höhe der Teilförderung des Bundes) anzunähern. Die “Berücksichtigung von Maßnahmen im Bereich Fair Pay“ wird vom BMKÖS mittlerweile als ein Kriterium für Förderungen angeführt. Um Aus dem um rund 60 Millionen Euro erhöhten Budgethaushalt für 2023 werden neun Millionen Euro dezidiert für Fair Pay im Kulturbereich zur Verfügung gestellt. Um einen kontinuierlichen Ausbau von fairer Bezahlung für alle Kulturarbeiter:innen zu gewährleisten, bedarf es, neben einer deutlichen Erhöhung der Fördertöpfe, ein dauerhaftes Commitment von den Leistungsträger:innen aller Gebietskörperschaften.
Nachgefragt in der Szene
Ende Oktober haben wir, Vasilena Gankovska, Sheri Avraham und ich, Michael Strasser, als Vertreter:innen der Arbeitsgruppe pay the artist now!, eine kleine Runde in die Räume der IG Bildende Kunst eingeladen. Mit dabei waren Kolleg:innen des Künstlerhaus (Gesellschaft bildender Künstlerinnen und Künstler Österreichs), der VBKÖ (Vereinigung bildender Künstlerinnen Österreichs), der Berufsvereinigung der bildenden Künstler Österreichs, der Tiroler Künstler:innenschaft, des Independent Space Index und der freien Szene.
Wir haben uns über die für die bildende Kunst entwickelten Tools ausgetauscht. Wir wollten wissen, wie sie im alltäglichen Gebrauch zur Anwendung kommen, welche Kategorien problematisch sind, wo es Erweiterungen oder ein Nachschärfen braucht.
Die Rückmeldungen zum Fair-Pay-Zuschuss waren zum einen sehr positiv und haben verdeutlicht, dass dieser als Starthilfe geholfen hat, dieses wichtige Thema anzugehen. Zum anderen gab es aber durchaus auch besorgte Stimmen und eine nachvollziehbare Angst davor, dass in Zukunft weniger Fördernehmer:innen an Fair Pay angepasste Fördergelder bekommen, dass ausgewählte Künstler:innen zwar besser bezahlt, aber generell weniger Ausstellungen programmiert werden und darunter die Sichtbarkeit vieler Künstler:innen leiden könnte.
Wie wirken die Honorarempfehlungen und Fair-Pay-Zuschüsse in der Praxis?
Für uns als Arbeitsgruppe war dieser Input unserer Kolleg:innen sehr hilfreich und wichtig. Zusätzlich zu den Rückmeldungen vor Ort haben wir sie auch gebeten, vier Fragen schriftlich für uns zu beantworten. An dieser Stelle auch ein Dankeschön an die Kolleg:innen der Vereinigung bildender KünstlerInnen Wiener Secession für ihre Rückmeldungen.
Wir wollten unter anderem wissen, wie die praktischen Erfahrungen mit dem Leitfaden sind. Ob die Honorarempfehlungen für das Erstellen von Budgets und Einreichungen verwendet wurden. Welche Kategorien gut anwendbar und welche im Leitfaden bis jetzt nicht berücksichtigt sind und dringend ausgearbeitet werden müssen. War der Fair Pay Zuschuss vom BMKÖS hilfreich und konnte dieser zu einer budgetären Verbesserung beitragen? Oder braucht es einen Sondertopf für Künstler:innenhonorare, um die bestehenden Budgets nicht zusätzlich zu belasten?
Der Großteil hat den Leitfaden und die Honorarempfehlungen für ihre Projekt- und Jahresbudgets verwendet und als hilfreiche Orientierung empfunden. Nichts desto trotz bleiben bei dieser ersten Version der Empfehlungen einige Unschärfen, die in der realen Anwendung noch deutlicher geworden sind. Beispielsweise das Fehlen von Honorarempfehlungen für die Arbeit von Kurator:innen, oder aber auch Faktoren wie die Größe von Institutionen, die Größe der zu bespielenden Ausstellungsräume und die dementsprechend unterschiedlich großen Budgets. Wie sind große Gruppenausstellungen, wie Mitgliederausstellungen von Künstler:innenvereinigungen zu bewerten, die oft weit mehr als 15 Künstler:innen in einer Ausstellung präsentieren? Mit den vorhandenen Produktionsbudgets bleibt oft nur abzuwägen, die aktuellen Honorarempfehlungen nicht einzuhalten, oder die Ausstellungsmöglichkeiten der eigenen Mitglieder zu beschneiden. Wie verhält es sich mit kleinen Institutionen, den zahlreichen artist-run spaces, den nicht kommerziell arbeitenden Ausstellungsräumen, die bewusst mit sehr kleinen Budgets arbeiten, um flexibel zu sein und ihre Unabhängigkeit zu behalten? Sie sind ein unverzichtbarer Teil für eine ausgewogene Kunst- und Kulturszene und gerade in Wien mit den, unter anderen, mehr als 80 Ausstellungsräumen, die hinter dem Netzwerk des Independent Space Index stehen, eine wichtige Instanz und Stimme. Warum sollen sie nach den gleichen Kriterien beurteilt werden wie die Museen, die mit großen Summen gefördert werden? Dass die Fair-Pay-Empfehlungen erst ab einer gewissen Förderhöhe zum Förderkriterium werden, wäre eine Möglichkeit diese Freiräume zu schützen, bis es erweiterte Tools gibt, die alle relevanten Faktoren berücksichtigen. Gleichzeitig braucht es gerade bei den großen Institutionen eine größtmögliche Transparenz. Es muss nachvollziehbar sein, wieviel Budget vorhanden ist und wie dieses auf die einzelnen Bereiche und Posten aufgeteilt wird. Wie hoch beispielsweise die Spitzengehälter sind und in welchem Verhältnis sie zu den Einkommen der Geringverdiener:innen in den Häusern stehen.
Offene Fragen und nächste Aufgaben
Es gibt noch viele offene Fragen, und wir werden weiter daran arbeiten, die Arbeitsbedingungen für Künstler:innen und Kulturarbeiter:innen zu verbessern, uns mit unserer Expertise einbringen und die dafür notwendigen Mittel einfordern. In den nächsten Schritten werden wir von der Arbeitsgruppe pay the artist now! den vorhandenen Leitfaden und Honorarspiegel um einige der oben angesprochenen Kategorien erweitern und entsprechend der Inflation und den Ergebnissen der Lohnverhandlungen aktualisieren. Um alle offenen Detailfragen und unterschiedlichste Kombinationsmöglichkeiten dauerhaft zu integrieren, wird mittelfristig ein Honorarrechner die adäquatere Lösung sein. Schon beim Vernetzungstreffen in Innsbruck, 2020, wurden einige internationale Beispiele vorgestellt und mit großem Interesse diskutiert.
Wie sich die aktuell überdurchschnittlich hohe Inflation auf das Fortkommen des Fair-Pay-Prozesses auswirken und in welchem Ausmaß die Teuerung dagegen arbeiten wird, wird sich zeigen. So oder so, „Kunst ist Arbeit und muss bezahlt werden.“
1 https://kulturrat.at/fair-pay-reader
Michael Strasser ist Künstler und Vorstandsmitglied der Tiroler Künstler:innenschaft.