Notizen zum Kuratorischen und dem ökonomischen Wert der Kunst

Es ist eine der ungelösten Fragen unserer Zeit, den Wert von Kunst zu verstehen und zu definieren. Das einzige, auf das sich alle einigen können, ist, dass es keine Definition des Wertbegriffs gibt, die alle unterschiedlichen Perspektiven, Erfahrungen und Zugänge zu Kunst umfasst. Dennoch bleiben Versuche, alle Kontexte, Prozesse und Narrative zu identifizieren, durch welche dieser Wert produziert wird, weiterhin relevant. Es ist nicht zu leugnen, dass die verschiedenen Regime des Wertes der Kunst (sei er symbolischer oder ökonomischer Natur) sich in einem Feld entfalten und neuformieren, das sich zunehmend öffnet und ökonomische Interessen und Machtverhältnisse immer weniger verheimlicht.

Vor diesem Hintergrund befassen sich diese kurzen Notizen mit dem Zusammenspiel des Kuratorischen und der Produktion des ökonomischen Wertes der Kunst beziehungsweise dem Kunstmarkt. Dieses Verhältnis ist in der Theoriebildung über das Kuratorische wenig beachtet oder als Tabu betrachtet worden, wahrscheinlich aufgrund der Angst, damit die Verflechtungen kuratorischer Praktiken mit kapitalistischen Dynamiken anzuerkennen. Das Kuratorische wird eher als wahrhaftiges (und chimärisches) Geschenk im Sinne Derridas dargestellt, wobei die Tatsache vernachlässigt wird, dass le don – wie Derrida, Bataille und vor ihnen Marcel Mauss festgehalten haben – immer in der Unmöglichkeit gefangen bleibt, weil es der Ökonomie von Interesse und Tausch nicht entfliehen kann.

Kurator:innen sind zentrale ökonomische Akteur:innen. Selbst wenn das Kuratorische mit Liebe, Leidenschaft und Hingabe gerechtfertigt wird, entkommt es nicht den Logiken der Reziprozität, des Interesses, der Wertproduktion. Die Liebe zur Kunst, als Eigenschaft von Kunstmarkt-Transaktionen, wird durch die Arbeit von Kurator:innen unterstützt und reproduziert, die – gemeinsam mit Kritiker:innen und anderen Kunstvermitler:innen sowie den Künstler:innen selbst – den Stoff für den unergründlichen und schwer fassbaren Wert der Kunst weben.

Im heutigen Mechanismus der Konsekration von Künstler:innen und der Bewertung von Kunst – in dem Ausstellungen und andere Präsentationsformen wie digitale Plattformen und social media eine zentrale Rolle spielen – müssen öffentliche Institutionen mit schwindenden Budgets auskommen, während private Initiativen und der Kunstmarkt eine wachsende Bedeutung für die Etablierung, und dementsprechend den Wert, von Künstler:innen haben.

Es ist offensichtlich, dass selbst die etabliertesten Kurator:innen nicht nur eine Schlüsselrolle bei der kulturellen Vermittlung in einer zunehmend globalisierten Kunstwelt spielen, sondern auch immer weniger zögern, auf dem Marktplatz der Kunstgalerien, Kunstmessen und Auktionshäuser zu agieren. In einer zeitgenössischen Kunstwelt, die durch die fortschreitende Zersetzung der Grenzen zwischen öffentlichen und privaten Interessen, kommerziellen und nicht-kommerziellen Einheiten, symbolischen und ökonomischen Werten gekennzeichnet ist, sind vor allem freiberufliche Kurator:innen zu zentralen Figuren geworden, die flexibel zwischen verschiedenen Umgebungen agieren, unterschiedlichen Interessen folgen und sich an gegensätzliche Wertesysteme anpassen.

Die verborgenen Verbindungen, die das Kuratorische mit der Ökonomie des zeitgenössischen Kunstfeldes verbinden, ans Licht zu bringen und die Gründe für die Vorbehalte und die Diskretion zu erforschen, die die Beziehung zwischen Kurator:innen und der Produktion des ökonomischen Wertes von Kunst umgeben, ist eine wichtige Aufgabe der kuratorischen Theorie. Die Ökonomie des Kuratorischen – ein Konzept, das ich in meiner Dissertation 2019 entwickelt habe – zielt genau darauf ab, die Sphäre der ökonomischen Produktions- und Vermittlungsbeziehungen zu definieren, die durch die kuratorische Praxis und den kuratorischen Diskurs in einem zeitgenössischen Feld entstehen, das heute von Marktbeziehungen dominiert wird.

Diese Notizen erhalten in der post-pandemischen Kunstwelt eine neue Bedeutungsebene angesichts der fortschreitenden Integration des NFT-Marktes (Non Fungible Token) in den traditionellen Kunstmarkt, ein Phänomen, das den bisherigen Widerstand gegen die Betrachtung von Kunst als finanziellem Wert in Frage stellt. Die beiden Märkte beruhen angeblich auf sehr unterschiedlichen Wertesystemen und stützen sich im Allgemeinen auf unterschiedliche Arten von Käufer:innen: Der NFT-Marktplatz richtet sich nicht nur an Investor:innen, die nach digitalen Vermögenswerten in Blockchain-Verfahren suchen, sondern stützt sich zudem auf das Fehlen von Vermittler:innen. Digitale Produzent:innen können ihre Produkte auf offenen digitalen Plattformen direkt den Käufer:innen anbieten, ohne dass Spezialist:innen eingreifen müssen. Dennoch können diese beiden Märkte vollständig miteinander verschmelzen, wenn wir Kurator:innen (zusammen mit anderen Vermittler:innen) die Möglichkeit geben, Erzählungen und Geschmäcker auf diesem neuen virtuellen Marktplatz zu gestalten. Dies wiederum wird ein neues Feld sein, auf dem wir erneut das Wirken des Kuratorischen und seine Beteiligung an den Mechanismen der Wertschöpfung untersuchen können. 


Aus dem Englischen übersetzt von Sophie Schasiepen.


Mariella Franzoni arbeitet zur Theorie der zeitgenössischen Kunst sowie Politiken des Kuratorischen und des Kunstmarktes. Sie lebt in Barcelona und ist sowohl im akademischen Bereich als auch in der zeitgenössischen Kunstindustrie als Kuratorin, Beraterin und Autorin tätig.