Künstlerische Positionen: Re:Produktion

Ein Ausschnitt aus der Arbeit Triumph der Hausarbeiterinnen, Performance im öffentlichen Raum, Video, Installation (2010), ist auf der Rückseite zu sehen. Konstanze Schmitt, Stephan Dillemuth und Territorio Doméstico bauten ein Bühnenbild auf Rädern, das während einer Demonstration für Arbeits- und Aufenthaltsrechte von Territorio Doméstico durch die Straßen Madrids gezogen und für eine gemeinsam erarbeitete Agit-Prop-Performance genutzt wurde. Szenen wie „Latifas der Geschichte“ oder „Sans Papiers in Europe“ brachte dieser Zusammenschluss von organisierten Domestic Workers, Einzelpersonen und Aktivist_innen so auf die öffentliche Bühne. Die daraus entstandene Installation war Teil der Ausstellung Das Potosí-Prinzip; das Video wird derzeit in Madrid im Rahmen der Ausstellung Critica de la razón migrante in La Casa Encendida gezeigt. Territorio Doméstico kämpfen für bessere Arbeitsbedingungen und größere An erkennung von Hausarbeit, sowie gegen die Illegalisierung von Menschen ohne Papiere. In ihrer Selbstorganisierung setzen sie verschiedenste aktivistische und künstlerische Mittel ein, um sich zu stärken und weiterzubil- den; sie haben dabei viele Materialien erarbeitet, mit denen sie ihr Wissen und ihre Erfahrung bspw. in Workshops weitergeben. Einiges davon findet sich inzwischen in englischer Übersetzung auf dem blog http://radicalcollectivecare.blogspot.co.at.

Die Bildstrecke zeigt Stills der Arbeit retaped Rape (2012) von Fiona Rukschcio. Rukschcio hat den von Yoko Ono konzipierten und gemeinsam mit John Lennon produzierten Film Rape (1969) mit den exakt gleichen Kameraeinstellungen, jedoch ohne Protag- nistin, nachgedreht. In Rape verfolgt ein Kameramann eine junge Frau auf der Straße und treibt sie, die zunächst geschmeichelt, dann zunehmend verängstigt wirkt, in die Enge. Der Film legt of- fen, wie die Kamera ihr eigenes Regime etabliert und der/dem Gefilmten seine Herrschaft aufzwingt. Die strukturell voyeuristische und ausbeutende Natur des (männlichen) Blicks, wie er etwa von Laura Mulvey in ihrem Essay Visual Pleasure and Narrative Cinema (1973) beschrieben wurde, wird durch diese mediale Versuchsanordnung beispielhaft in Szene gesetzt. Die zentrale Verschiebung in Rukschcios Aneignung resultiert daraus, dass sie die verfolgte Frau, das ursprüngliche Objekt der apparativen Beob- achtung, ausschneidet. So lenkt sie die Aufmerksamkeit auf die Darstellungsmittel und Funktionsweise der Kamera, auf die Blickregime und die darin verkörperte Gewalt. Das Spannungsgefüge verschiebt sich: Es liegt nun nicht mehr zwischen Objekt und Kamera, sondern zwischen Kamerafrau und Kamera sowie zwischen Kamera und Betrachter_innen.

Eine der 31 Arbeiten aus der Serie Post-Partum Document: Documentation I, Analysed Faecal Stains and Feeding Charts (1974) von Mary Kelly ist auf dem Poster zu sehen. Sie ist Teil eines Werk-Komplexes, in dem sich Kelly mit dem Verhältnis von Mutter und Kind auseinandersetzt. Im Fokus einer jeden der innerhalb von sechs Jahren entstandenen sechs Serien steht ein prägender Mo- ment des Eintritts ihres Sohnes in die Ordnung der Sprache und ihres eigenen Verlustgefühls – die Arbeiten bewegen sich zwischen den Stimmen der Mutter, des Kindes und dem analytischen Beobachter. Als die Arbeiten 1976 das erste Mal im ICA in London gezeigt wurden, lösten u.a. die verarbeiteten Windeln eine Welle der Empörung aus. Kellys explizit feministische Arbeiten, in denen sie sich psychoanalytischer und linguistischer Theorien bedient, hatten einen bedeutenden Einfluss auf die kritische Weiterentwicklung der Konzeptkunst.