Künstlerische Positionen: Ironie & Bruch

Drei künstlerische Beiträge begleiten jede Ausgabe des Bildpunkt und sind als eigenständige Kommentare und Reflexionen zum jeweiligen Thema des Heftes zu betrachten.

Auf der Rückseite zeigen wir Adrian Pipers Self-Portrait as a Nice White Lady (1995). Die Arbeit ist Teil einer langjährigen, oft ironisch gebrochenen Auseinandersetzung mit Rassismus. Piper konfrontiert mit ihrer konzeptuellen Kunst zugleich provokativ und spielerisch Vorurteile, biologistische Annahmen über Herkunft und Identität, sowie gesellschaftliche Konventionen. Dabei verfolgt sie durchaus den Anspruch, über ihre Kunst transformativ auf Menschen einwirken zu können. Piper, geboren 1948, schloss 1981 ein Doktorat in Philosophie an der Harvard University ab. Neben ihrer künstlerischen Praxis hat sie unter anderem mehrere Schriften zu Kants Metaethik veröffentlicht. Seit 2005 lebt und arbeitet sie in Berlin, wo sie die Adrian Piper Research Archive (APRA) Foundation Berlin leitet. In einer ihrer jüngeren Arbeiten, Wahlkampagne, setzt sie sich mit einem breit angelegten aktivistischen Werkzeugkasten für bessere Bildung ein.

Lisa Domins Fotoserie Twin Towers (2008/2019) dokumentiert einen eindrucksvollen Moment: In Valjevo, einer Kleinstadt in Serbien, versucht eine New Yorker Kunsthistorikerin ihrer Gastgeberin und deren Enkeltochter vom Terroranschlag auf das World Trade Center am 11. September 2001 zu erzählen. Die beiden hatten von dem Vorfall noch nie gehört. Eingeschränkt durch geringe Serbisch-Kenntnisse, nimmt die Rednerin Löffelbiskuits zur Visualisierung zu Hilfe. Die mediale Übermacht des Ereignisses wird beiläufig, zufällig in andere Relationen gesetzt. Domin arbeitet viel mit inhaltlichen oder ästhetischen Brüchen. Manche ihrer Arbeiten sind nahe am Slapstick. Wie in der Wahl ihrer Medien, die von analogem Film (im stillen und bewegten Bild), Text, Liedern, Performances zu digitalem Film reichen, ist aber auch ihr inhaltliches Spektrum breit. So wurde etwa ihr experimenteller Kurzfilm Faxen (2018) mehrfach ausgezeichnet; der Film entstand mit Insassinnen der JVA Gelsenkirchen.

In der Bildstrecke zeigen wir eine Arbeit von Alejandro Paz aus dem Werkkomplex Ensayos sobre la permanencia (Essays über die Permanenz), der sich mit einer Tourist:innen-Siedlung an der pazifischen Küste Guatemalas beschäftigt. Likin war besonders in den 1980er Jahren bei der Mittelklasse von Guatemala Stadt als Ferienort beliebt. Als nebenan der kommerzielle Hafen Puerto Quetzal gebaut wurde, blieben die Tourist:innen zunehmend aus. Die Gebäude sind heute dem Verfall preisgegeben. Für Oídos Ciegos (Blindes Gehör) bat Paz einen blinden Musiker, Irsi Andrade, in den Ruinen zu musizieren. In dem daraus entstandenen Video ist das Meeresrauschen, nicht aber die Musik zu hören. Andere Arbeiten dokumentieren etwa alle Graffitis, die am 15. August 2018 in den Ruinen zu finden waren, als Zeichnungen (Variacones de un mismo Likin), oder setzen Meereswasser (Sal) ein, um den Zustand von Fotografien der Ruine zu verändern. Paz, geboren 1975 in Guatemala Stadt, arbeitet als Architekt und Künstler. 


Die künstlerischen Beiträge sind auschließlich in der analogen Ausgabe der Zeitschrift zu sehen. Mitglieder der IG Bildende Kunst bekommen jede Ausgabe des Bildpunkt automatisch per Post zugeschickt. Darüber hinaus liegt der Bildpunkt auch vor Ort in der IG Bildende Kunst zur freien Entnahme bereit und ist hier im Abo erhältlich.