Die gute alte Frage, ob es dem umfassenden christlichen Gottvertrauen nicht eigentlich widerspricht, Blitzableiter ausgerechnet an Kirchtürmen anzubringen, stellt sich auch Don Camillo in einer Episode der berühmten norditalienischen Provinzsaga, in der sich der eifrige Landpfarrer unzählige verbale und auch sonstige Gefechte mit seinem paradigmatischen Gegenspieler liefert, dem kommunistischen Bürgermeister Peppone. Die Erzählungen des Journalisten und Satirikers Giovannino Guareschi, auf denen ab den 1950er Jahren die bekannten Filme mit Fernandel und Gino Cervi in den Titelrollen basieren, zeichnen ein höchst ironisches Bild der politischen Lage in Italien nach dem Zweiten Weltkrieg: Der war hier nahtlos in den Kalten Krieg übergegangen, und die bipolare große Welt fand sich wieder im Mondo piccolo, in der Kleinen Welt – so der -Originaltitel des ersten Romans Don Camillo und Peppone (1948) – irgendwo in der ländlichen Po-Ebene.
In der angesprochenen Geschichte also ist ein politischer Filmabend in der Casa del popolo, dem roten Haus des Volkes, Don Camillo ein Dorn im Auge; doch er darf sich zunächst freuen, denn der Kinoabend fällt den Stromausfällen infolge eines Gewitters zum Opfer. Dafür bedankt sich Don -Camillo umgehend bei Jesus, mit dem er immer ganz reale Zwiesprache hält, der also vom Kreuz herab, meist wohlwollend, das Geschehen mit ihm erörtert. In diesem Fall jedoch bringt Jesus ungehalten in Erinnerung, er sei erstens zu irdischen Lebzeiten Zimmermann und nicht Elektriker gewesen, und zweitens sei es vermessen zu glauben, der Göttliche Vater habe nichts Besseres zu tun, als einem törichten Landpfarrer zuliebe die Naturgewalten zu behelligen. Und prompt kappt wenig später noch in derselben Nacht der Blitz eines noch heftigeren Gewitters ausgerechnet die Spitze von Don Camillos Kirchturm, was von Peppones Entourage mit Hochrufen auf Mao Tsetung, den Frieden und die linke Gewerkschaft gefeiert wird.
Dass das Kino als damals neuer Schauplatz der Popularkultur in gleich mehreren Episoden der Reihe thematisiert wird, ist gewiss kein Zufall: Der Kampf um Hegemonie wird nicht zuletzt auf dem kulturellen Feld ausgetragen. Als Antonio -Gramsci diese Einsicht ein paar Jahre vor Erscheinen der Don Camillo-Romane in Theorie gegossen hatte, nahm er mit gutem Grund stets auch die katholische Kirche in den analytischen Blick, die es in Italien bestens versteht, bis in die nur scheinbar privatesten Bereiche der Zivilgesellschaft einzudringen. Und überhaupt: „Gott sieht dich in der Wahlzelle – Stalin nicht!“ Dieser Slogan wird fälschlicherweise oft der fiktionalen Figur Don Camillo zugeschrieben und er ist auch zu hören in der Verfilmung Die große Schlacht des Don Camillo (1955). In Wahrheit aber kam er höchst real und allen Ernstes in der antikommunistischen Propaganda vor der historisch richtungsweisenden Parlamentswahl im April 1948 zum Einsatz (dem Erscheinungsjahr des ersten Don Camillo-Romans also). Mit Erfolg: Die Christdemokraten erreichten gegen das Linksbündnis eine absolute Mehrheit und blieben dann 50 Jahre an der Macht. Hier hört der Spaß allerdings auf.
Ingo Pohn-Lauggas ist Literatur- und Kulturwissenschaftler in Wien.