In zwei Arbeiten von Isaiah Lopaz geht es um die Überschneidung von queerer und Schwarzer Identität. Lopaz ist in Los Angeles geboren und hat am dortigen ArtCenter College of Design Kunst und Fotografie studiert, er lebt seit 2008 in Berlin. In dieser angeblich vielfältigen Großstadt macht Lopaz Erfahrungen der Ausgrenzung und Abwertung, die für ihn im Vergleich zum Leben in den USA verschärft sind. Er entscheidet sich für eine künstlerische Darstellung des Erlebten.
Lopaz nennt die Serie von 2016 Things You Can Tell Just By Looking At Him. [1] Dafür bedruckte er T-Shirts mit verletzenden Aussagen, die ihm in Berlin wiederholt entgegengebracht wurden. Unter anderem dokumentierte er Reaktionen auf ihn als Schwarzen schwulen Mann in schwulen Kontexten wie „I didn’t know you are gay[,] you are black“, „Even though you are black you are really beautiful“. Im Fall von „I didn’t know you are gay[,] you are black“ wird mittelbar behauptet, dass es nur weiße schwule Menschen gäbe. Lopaz wird also ausgeschlossen.
Da diese Aussagen über ihn sich also sowohl auf sein Schwarzsein als auch sein Schwulsein beziehen, lässt sich dafür der Begriff Intersektionalität heranziehen. Intersektionalität wurde Ende der 1980er Jahre von der Juristin Kimberlé Crenshaw geprägt. Sie verwendete das Bild einer Straßenkreuzung (intersection), um auf die spezifische Situation von multidimensional diskriminierten Personen in den USA aufmerksam zu machen. Im Zentrum ihres Interesses standen Schwarze Frauen, die sowohl von der feministischen Bewegung als auch von der antirassistischen Bewegung nicht wirklich zur Grundlage ihrer Politik gemacht wurden. Feministische Politik vertrat damals vor allem weiße Frauen der Mittelklasse. Die Schwarze Bürgerrechtsbewegung hingegen machte Politik aus einer Schwarzen männlichen Perspektive. Somit wurden die Lebensrealitäten von Schwarzen Frauen, die auf der untersten Stufe der ökonomischen Leiter standen, von den beiden zentralen emanzipatorischen Bewegungen der Zeit nicht berücksichtigt.
Der von Lopaz auf den T-Shirts dokumentierte symbolische Ausschluss eines Schwarzen Mannes aus der Gay Community macht eine ähnliche Lücke sichtbar. Die vermeintlich progressive Personengruppe der Homosexuellen ignoriert ihre nicht-weißen Mitglieder und erzeugt so eine ganz eigene Diskriminierung. Bei der zweiten Arbeit von Isaiah Lopaz handelt es sich um die Lecture-Performance There Will Be No Acceptable Casualties (2019). [2] Lopaz steht in Alltagskleidung auf der Bühne und trägt einen poetischen Bericht über seine alltägliche Konfrontation mit weißem Suprematismus in Deutschland vor. Diese und die weitverbreitete Ignoranz gegenüber der deutschen Kolonialgeschichte, beschreibt er aus einer Schwarzen, queeren, native und afroamerikanischen, migrantischen, working-class Perspektive. Diese Aufzählung von Selbstbezeichnungen umschreibt eine ganz spezifische Position, die sich aus einem Zusammenspiel vieler Identitätsfacetten ergibt. Lopaz berichtet weiter, dass er als Schwarzer queerer Künstler also durchaus begründet als Experte für Intersektionalität eingeladen wird, um darüber zu sprechen. „Come and speak about the topics, white institutions must ponder over!“ Zu den Themen gehören: Diversität, Multikulturalismus, Inklusivität und natürlich Intersektionalität!
Der Haken an der Sache ist, dass die hier angefragte Intersektionalität anders gemeint ist. „It is not Sojourner Truth’s, it is not Audre Lorde’s, it is not Kimberlé Williams Crenshaw’s. [3] It’s as white as innocence, wilful ignorance, and all of the people who told me Germany never had colonies“.
Intersektionalität ist zum schicken Schlagwort geworden. Lopaz wird vom mehrheitlich weißen Kunstbetrieb als Spezialgast eingeladen, um über Intersektionalität als weiße Wahrheit zu sprechen. Er aber vertritt sein eigenes situiertes Wissen [4] und wird aus dem Raum der Aufmerksamkeit [5] schnell wieder hinauskomplimentiert. Bestraft wird sein Verhalten – so Lopaz weiter – durch verspätete Honorare, brutale Reaktionen und das Risiko, nie wieder eingeladen zu werden.
In beiden Arbeiten zusammen genommen zeigt Isaiah Lopaz auf, wie Akteur*innen, die sich als liberal verstehen, diskriminierend agieren, eben weil sie über zuwenig intersektionales Wissen verfügen. Dass damit andere teil- oder mehrfachprivilegierte weiße Suprematisten und Suprematistinnen nicht aus der Veranwortung für ihre menschenverachtenden Ideologien und Handlungen zu entlassen sind, versteht sich von selbst.
Nanna Lüth ist Künstlerin und Kunstvermittlerin. Aktuell lehrt sie in der Kunstlehrer*innenbildung in Berlin und engagiert sich dabei für eine dekonstruktive und inklusive Bildungsarbeit.
[1] Begleitend zu dieser Serie führte Lopaz den Blog: himnoir.tumblr.com.
[2] vimeo.com/355957693 – Zentrale Texte dieser Schwarzen Autor*innen sind erstmals auf deutsch erschienen in Natasha A. Kelly, Schwarzer Feminismus, Grundlagentexte, Münster 2019.
[3] Vgl. Ayse Güleç, Johanna Schaffer: Empathie, Ignoranz und migrantisch situiertes Wissen. In: Juliane Karakayalı, Çagrı Kahveci, Doris Liebscher, Carl Melchers (Hg.): Den NSU-Komplex analysieren, Bielefeld 2017: 57–80.
[4] Vgl. Nanna Lüth: Aufmerksamkeit umverteilen! Ein Baukasten zur Veränderung von Macht- und Sichtbarkeitsverhältnissen. In: Katja Böhme, Birgit Engel, Tobias Lömke (Hg.): Im Wahrnehmen Beziehungs- und Erkenntnisräume öffnen. München 2020: 223–237.