Am Beispiel staatlicher Imageproduktion in Mexiko um 1968 zeichnet Luis M. Castañedas Studie nach, inwiefern visuelle Kultur und politökonomische Entwicklungen ineinander verwoben sind. Um sich anlässlich der Sommerolympiade als moderner Staat zu präsentieren, der gleichsam eine harmonische Gesellschaft und ein wirtschaftliches Wunder verwaltet, wurden insbesondere „design and exhibitions as tools for social control and propaganda“ eingesetzt. Canstañeda beschreibt biographische Werdegänge zentraler AkteurInnen sowie strukturelle Muster staatlicher Kulturpolitik und kann so eine hegemoniale Bildpolitik im weiten Sinne sehr anschaulich machen. Ebenfalls hegemonietheoretisch inspiriert, zielt der Band von Pechriggl und Schober eher auf solche Bildpolitiken, die gerade nicht auf die „Normen hervorbringenden oder bestätigenden Funktion[en] von symbolischen Zeichen“ ausgerichtet sind. Die Beiträge allerdings halten sich häufig nicht an diesen Anspruch und nehmen entweder doch eher affirmative Politiken mit Bildern in den Blick – wie etwa anhand der Beispiele Initiative Soziale Marktwirtschaft, der Schweizer Wirtschafts- und Asylpolitik oder der bildenden Kunst in Serbien – oder widmen sich theoretischen Fragen zum Verhältnis von Politik und Imaginärem. Interessant, aber disparat. Die neoliberale Hegemonie ist auch der Hintergrund, vor dem Antke Engel Bilder liest, auf denen sexuelle und geschlechtliche Differenz verhandelt wird. Es geht ihr dabei darum, „aus der unentrinnbaren Verwobenheit heraus herrschafts- und kapitalismuskritische queere Perspektiven zu formulieren.“ Anhand ihrer Beispiele arbeitet sie letztlich auch an einer allgemeinen Theorie der Bildproduktion. Bedeutung wird weder vom Objekt noch von seiner Lektüre produziert, sondern im Raum dazwischen. Die „soziale Produktivität des Bildes“ hat damit auch rückwirkende Effekte auf seine Herstellung. Im Rahmen der Visual Culture Studies werden solche Momente zwar sozialwissenschaftlich, wenn auch unter poststrukturalistischen Vorzeichen gefasst. Ein heiß diskutierter Einsatz der Debatte ist aber immer wieder die Frage nach dem „Eigenwert spezifischer Bilder“. Der Band zu Bildwissenschaft und Visual Culture versammelt Grundlagentexte der letzten Jahre und ermöglicht damit einen hervorragenden Einblick in die Auseinandersetzungen um die Bilder nach und jenseits der Kunstgeschichte. Die wahrnehmungstheoretischen Zugänge, die abschließend besprochen werden, bilden – obwohl anscheinend am weitesten von sozial- und politikwissenschaftlichen Ansätzen entfernt – auch den Übergang zu einem umfassenderen Verständnis von bildlichen Vorstellungen, die die soziale Welt prägen. Hier setzt schließlich auch der Band zur Stadtforschung in Lateinamerika an. Imaginarios werden darin als unübersetzbarer Begriff beschrieben, der die „Wirkmächtigkeit sozialer Imaginationen“ fassen soll, in denen „Erfahrung und Wahrnehmung sich mit Repräsentationen, Diskursen und Erzählungen zu einer kompakten ‚Vorstellung’ bündeln“ (Huffschmid/ Wildner). Neben gängigen, urbanisierungstheoretischen Fragen nach der Gentrifizierung oder der Militarisierung des öffentlichen Raumes werden Städte selbst – auch über die lateinamerikanischen Beispiele hinaus – als „ästhetische Erfahrung“ (Armando Silva) begriffen.
Jens Kastner ist Soziologe und Kunsthistoriker und lehrt an der Akademie der bildenden Künste Wien.
Luis M. Castañeda: Spectacular Mexico. Design, Propaganda, and the 1968 Olympics. Minneapolis 2014: University of Minnesota Press.
Antke Engel: Bilder von Sexualität und Ökonomie: Queere kulturelle Politiken im Neoliberalismus. Bielefeld 2009: transcript Verlag.
Anne Huffschmid / Kathrin Wildner (Hg.): Stadtforschung aus Lateinamerika: Neue urbane Szenarien: Öffentlichkeit – Territorialität – Imaginarios. Bielefeld 2013, transcript Verlag.
Marius Rimmele / Klaus Sachs-Hambach / Bernd Stiegler (Hg.): Bildwissenschaft und Visual Culture. Bielefeld 2014: transcript Verlag.
Alice Pechriggl / Anna Schober (Hg.): Hegemonie und die Kraft der Bilder. Köln 2013: Herbert von Halem Verlag.