Gegen die Unerträglichkeit der Zustände

Editorial

Bei Umberto Eco ist die Ironie ein Effekt des Wissens um die eigene Sterblichkeit. Sie ist ein Modus der Versuche, schreibt er in Lüge und Ironie (1999), sich „die unerträgliche Idee seines eigenen Todes erträglich zu machen“. Ironisch gemeinte Zeichen (Mundwinkel, Statements, Bildsprachen usw.) könnten dementsprechend überhaupt als Reaktion auf die Unerträglichkeit der Zustände gelesen werden. Ob die Ironie diese Zustände aber auch zu verändern vermag, ist umstritten. Als die Hoffnung auf die großen soziopolitischen Umwälzungen ausgeleiert (Sozialdemokratie) oder verraten (Staatskommunismus) schienen, wurde auch in der linken Theorie analytisch wie politisch auf die mikropolitischen kleinen Gesten gesetzt. Etwas ironisch gebrochen zu tun, sollte nicht nur die Gebrochenheit leichter (erträglicher) hinnehmbar machen, sondern letztlich auch mit diesem Zustand brechen. So wurde die Ironie, ausgehend etwa von den Subkulturen und den sie beschreibenden Cultural Studies, in den 1980er Jahren als poststrukturalistisch angehauchte Taktik in die Welt der Kunst geworfen. Sie sollte dazu dienen, sich dem Markt und seinem Verblendungszusammenhang nicht vollends auszuliefern und zugleich aber auch den angeberischen Gesten der totalen Dissidenz den Spiegel vorzuhalten.

Unproblematisch war der ironic turn aber nicht: Denn erstens brauchte er aufgeweckte Rezipient*innen, die die Ironie auch erkennen konnten. Sich von kulturellen Deppen und Spätzünder*innen abzugrenzen, wurde eine neue Distinktionsmasche. Zweitens kehrten alle möglichen, zuvor als reaktionär, plump oder chauvinistisch kritisierten Praktiken zurück in den linken Alltag, wenn sie nur behaupten konnten, irgendwie ironisch gebrochen zu sein (Fokuhila, Lodenmantel und/ oder als  Mann endlich wieder Fußballgucken z.B.). Drittens kippte die ironische Wende nicht selten aus ihrem revolutionären Impetus in tatenlosen Zynismus. Ironie kann so gesehen auch extrem nerven.

Ob der ironische Bruch noch emanzipatorisches Potenzial birgt und ein bisschen Spaß einfach sein muss, oder ob es doch gilt, endgültig den Bruch mit der Ironie zu suchen, lotet diese Ausgabe des Bildpunkt aus.

Nach mehr als 60 Ausgaben im gleichen Gewand haben wir nun, in einem gemeinsam mit dem Vorstand der IG Bildende Kunst erarbeiteten Relaunch-Prozess, ein neues Outfit bekommen, entwickelt und umgesetzt – wie auch zuvor schon – von Toledo i Dertschei!