Die 7. Biennale von Lubumbashi: Kollektivität als Widerstand gegen Ausbeutung

Die Spuren der kolonialen Bergbaugesellschaft Union Minière du Haut Katanga, die 1967 verstaatlicht und in Gécamines – La Générale des Carrières et des Mines umbenannt wurde, sind in Lubumbashi, Demokratische Republik Kongo, allgegenwärtig. Neben der von ihr betriebenen Fabrik erhebt sich eine große Schlackenhalde. Die wächst seit 1910, als Lubumbashi als koloniale Bergbaustadt gegründet wurde. In der Region Katanga wird Kupfer bereits seit dem vierzehnten Jahrhundert abgebaut. Ob der Schornstein rauchte oder nicht, bestimmte jahrzehntelang die Geschicke der Einwohner:innen: „Es stank, wenn die Fabrik in Betrieb war, und wir waren uns des giftigen Rauchs bewusst. Seine Abwesenheit bedeutete jedoch wirtschaftliche Probleme mit weitreichenden sozialen Folgen“, erklärte mir Alexandre Mulungo Finkelstein, Gründungsmitglied vom Verein Picha, der seit 2012 von Künstler:innen betrieben wird und die internationale Biennale und das Residenzprogramm Ateliers Picha gestaltet.

Die 2008 von Sammy Baloji und weiteren Künstler:innen gegründete Biennale bringt in Lubumbashi ansässige und internationale Künstler:innen, Kurator:innen und Akademiker:innen zusammen. Von 6. Oktober bis 6. November 2022 organisierte Picha die 7. Biennale unter dem Titel Toxicity. Das kuratorische Konzept verknüpft durch die Assoziation „zweier Konzepte, dem des ‚Toxischen‘ und dem der ‚Stadt‘“1 das zeitgenössische Leben in Lubumbashi mit Fragen der Urbanität im Globalen Süden. 2022 übernahm der Verein Picha einen wichtigen Teil der kuratorischen Arbeit (das Team bestand aus Sammy Baloji, Jean Katambayi Mukendi, Jean-Sylvain Tshilumba Mukendi, Alexandre Mulongo Finkelstein, Gabriele Salmi, Rosa Spaliviero und Aude Tournaye) und lud fast siebzig Künstler:innen ein, viele von ihnen Kongoles:innen. Picha betrachtet Lubumbashi als „einen zentralen Knotenpunkt in der globalen Geografie, […] Wirtschaft und Vorstellungskraft […]: Sambia, Angola und Südafrika sind oft leichter zu erreichen als die kongolesische Hauptstadt, und nicht Lingala, sondern Suaheli ist die vorherrschende Sprache, neben vielen anderen …“2 Auch internationale Kurator:innen wurden eingeladen, eine kleine Auswahl von Künstler:innen vorzuschlagen.3 Das diskursive Programm Les palabres fand in Form von Podiumsdiskussionen, Atelierbesuchen und Künstler:innengesprächen vor Ort sowie in Form von Podcasts online statt.4

Toxicity brachte international anerkannte Künstler:innen mit Kunstschaffenden zusammen, die im sozialen Gefüge der Stadt tätig sind. So begann die Eröffnungswoche mit einer performativen Prozession von Justice Kasongo‘s mobiler Installation Kongo: Spuren, Wege und Erinnerungen: Ein Karren, der durch die Straßen geschoben wurde, die vom Picha Kunstzentrum zum Eingang des Gécamines-Geländes führen. Auf einen Stahlrahmen mit Rädern sind handgefertigte Puppen montiert, die Szenen aus der kongolesischen Geschichte, insbesondere der Bergbaugeschichte Katangas, darstellen und mit einer Kurbel animiert werden. Das Werk wurde in die Ausstellung eingeladen, als Kasongo bei einem seiner Auftritte auf der Straße die Künstler:innen der Ateliers Picha traf.

Wie tief die Auswirkungen des Bergbaus in den Boden eingedrungen sind, war das Thema von Ex-Situ: compatible with life, einem Projekt von Luigi Coppola mit Illustrationen von Merkal Abilwa. In Zusammenarbeit mit Forscher:innen der Universität Lubumbashi (Prof. Ilunga, Prof. Dibwe Dia Mwembu und Bérenice Mujinya Kweyi) gab der Künstler Bodenproben in Auftrag, die Aufschluss über die Kontamination und Fruchtbarkeit eines Dutzends verschiedener Standorte geben. Die Ergebnisse zeigen eine starke Verschmutzung, aber auch die Fähigkeit einiger Pflanzen, sich an toxische Umgebungen anzupassen und deren Belastungen auszugleichen.

Die Unausweichlichkeit toxischer Lebensbedingungen war auch das Thema der Kollaboration Expérience toxiciné von Fundi Mwamba Gustave und Antje Van Wichelen. Zwei Wochen lang arbeiteten sie mit Künstler:innen, Schauspieler:innen, Tänzer:innen und Techniker:innen zusammen. Das Ergebnis zeigte Elemente von Fundis Projekt Ubatizo – the Genesis of Evil, einem experimentellen Horrorfilm, der sich mit der „Monstrifizierung“ befasst: ein fiktives, durch Umweltverschmutzung ausgelöstes Phänomen, das zu körperlichen Deformationen und monströsen Verhaltensweisen führt.

Das Konzept der Toxizität wurde auch auf den Bereich der sozialen Zwänge angewandt. So setzte sich die Choreografin Sarah Mukadi Kadima mit geschlechtsspezifischen Machtstrukturen auseinander. Mother courage, ein Tanzstück in drei Akten, zeigt den alltäglichen Kampf von Frauen um Selbstbestimmung. Kadima hat in einem Viertel nahe der Gécamines-Fabrik den unabhängigen Raum Khadi gegründet, in dem sie Workshops mit Kindern und Interessierten veranstaltet. Künstler:innen-Initiativen sind ein wichtiger Bestandteil des Stadtgefüges und eröffnen Räume für Kreativität und Zusammenarbeit, die von öffentlichen Einrichtungen nur unzureichend bereitgestellt werden.

Von Anfang an war die Arbeit von Picha darauf ausgerichtet, sich der extraktivistischen Umgebung zu widersetzen, indem Strukturen der gegenseitigen Unterstützung und Zusammenarbeit geschaffen werden, die internationale Fördermittel in Ressourcen für in Lubumbashi ansässige Künstler:innen umwandeln. Eine dieser Initiativen ist ein digitales Archiv zum Gedenken an Dorine Mokha, Tänzer, Choreograf und Autor, der in Lubumbashi lebte und arbeitete und im Januar 2021 jung starb. Mokha arbeitete sehr kollaborativ, outete sich öffentlich als homosexuell und setzte sich für LGBTIQ+-Rechte ein.

 Mehrere Künstler:innen zeichneten die weltweiten materiellen und sozialen Verstrickungen der Region Katanga nach. Die Lo-Def Film Factory, eine partizipatorische Kunstinitiative von Francois Knoetze und Amy Louise Wilson aus Südafrika, stellte im Untergeschoss des Nationalmuseums von Lubumbashi aus. Sie erweiterten die Kritik am Extraktivismus, indem sie sowohl eine Verbindung zu kongolesischem Uran herstellten, das für die über Hiroshima und Nagasaki abgeworfenen Atombomben verwendet wurde, als auch zu den Elektroschrott-Deponien, die über den gesamten afrikanischen Kontinent verteilt sind.

Einer der eindrucksvollsten Momente der Biennale fand in Makwacha statt, einem Dorf etwa 45 Kilometer südwestlich von Lubumbashi. Dort bemalen die Frauen zu Beginn der Trockenzeit ihre Häuser mit Lehm und natürlichen Pigmenten. Die Kushiripa (Gemälde) zeigen alltägliche Szenen (z.B. Kochen), dekorative Elemente (z.B. Muster), oder ungewöhnliche Motive (z.B. Roboter oder Rollstühle). Die gemalten Szenen bleiben eine Saison lang bestehen, bis sie vom Regen weggewaschen werden. Im nächsten Jahr werden andere Szenen gemalt. Diese lebendige Praxis wird von älteren an jüngere Frauen weitergegeben. Um dem mangelnden Einkommen des Dorfs abzuhelfen, wurde 2014 von der Vereinigung African Artists for Development (AAD) eine Ausstellung in Paris organisiert. Die Frauen übertrugen ihre Motive auf Leinwand, verkauften die Bilder zu hohen Preisen an Sammler:innen und finanzierten damit Wasserbrunnen in Makwacha und im Nachbardorf. Wie schon zuvor in der kongolesischen (Kunst-)Geschichte, erlangte eine lokale Praxis internationale Anerkennung, als Europäer:innen die Verbindung zwischen den Malerinnen und der internationalen Kunstwelt herstellten.5 Im Wissen um die Janus-köpfigkeit dieses Interesses begann Picha 2018 damit, ein Kulturzentrum mit einer Siebdruckwerkstatt in Makwacha einzurichten. Während der Eröffnungswoche organisierte die Biennale einen Besuch im Dorf. Nilla Banguna, eine Textildesignerin aus Lubumbashi, konzipierte eine Modenschau mit ihrer neuesten Kollektion. Für diese verwendete sie Stoffe mit Motiven, die von den Frauen des Dorfs entworfen worden waren. Banguna und ihr Team brachten die Muster per Siebdruck auf den Stoff auf, entwarfen die Kleider und inszenierten mit Jugendlichen aus dem Dorf und Models aus Lubumbashi eine Modenschau auf einem selbstgebauten Laufsteg.

Über die Erkundung der toxischen Stadt hinaus erfindet Picha ständig neue Formen kollektiver Praxis. Verwurzelt in dieser lebendigen Kulturszene erlangen einige Künstler:innen internationale Sichtbarkeit. Aber wichtiger ist die rhizomatische Verflechtung, die viele verschiedene Akteur:innen miteinander verbindet. Picha navigiert dabei unvermeidbare Fallstricke zwischen einer internationalen Kunstszene, die aufstrebende afrikanische Künstler:innen ungeachtet der Auswirkungen auf ihr soziales Umfeld einverleibt, und den begrenzten Ressourcen, die vor Ort zur Verfügung stehen. In einer Bewegung zwischen langfristigen Freundschaften und der Fähigkeit, diskrepante, ja sogar dissonante Realitäten zu tolerieren, ist Pichas Praxis weltoffen und wurzelt in dem Wissen, dass Lubumbashi in globale Netzwerke von Menschen und Materialien eingebunden ist. Diese stehen mit scheinbar weit entfernten Orten in Verbindung, welche durch plötzliche Verlagerungen von Kapital, auf der Suche nach lukrativen Investitionen, auf den Kopf gestellt werden können. Weit über ein isoliertes Kunstverständnis hinaus, leistet der Verein Grundlagenarbeit, die kulturelle und soziale Rechte praktiziert, und Öffentlichkeiten schafft, welche die Zerstörungen der Gegend durch den internationalen Bergbau kritisiert und zugleich neue Räume der Zusammenarbeit öffnet. 

1 Filip de Boeck und Collectif Picha, Toxicity: Presenting the Lubumbashi Biennale 2022, Troubles dans les collections, no.2, The Toxic Afterlives of Colonial Collections, 2021, https://troublesdanslescollections.fr/numeros/les-survivances-toxiques-des-collections-coloniales/toxicite-presentation-de-la-biennale-de-lubumbashi-2022/?lang=en (abgerufen 15.5.2025).
2 Picha Collective Responses to Gloria Mpanga’s opinion piece, in Contemporary&, 21. 10. 2022, https://contemporaryand.com/ magazines/picha-collective-responses-to-gloria-mpangas-opinion-piece/ (abgerufen 12. 3. 2025).
3 Bruno Leitão, Paula Nascimento, Ugochukwu-Smooth C. Nzewi und René Francisco.
4 https://biennaledelubumbashi.com/en/editions/vii-toxicity/about/biennale-2022/, konzipiert von La Villa Hermosa, Brüssel.
5 Siehe Thela Tendu und Vincent Meessen, Patterns for Recognition, Gent: Snoek Publishers, 2017; Kathrin Langenohl, Congolese and Belgian Appropriations of the Colonial Era. The Commissioned Work of Tshelantende (Djilatendo) and Its Reception, in Gitti Salami, Monica Blackmun Visonà und Dana Arnold (Hrsg.): A Companion to Modern African Art, New York: Wiley, 2013, S. 154-73.


Lotte Arndt lehrt an der Sorbonne Universität, Paris, und forscht im Dialog mit Künstler:innen zu toxischer Konservierung und chemischer Moderne.

Dies ist eine gekürzte und überarbeitete Fassung des Textes Toxicity: Resisting Extraction through Collectivity at the 7th Lubumbashi Biennale, erschienen in: Afterall, 2023, No. 55/56, S. 254–271. Aus dem Englischen übersetzt von Sophie Schasiepen.