Die Geschichte einer Interessenvertretung kann anhand unterschiedlicher Zitate, Slogans oder Überschriften erzählt werden. Kurze und prägnante Aufrufe werden in der Regel dafür verwendet, wichtige Botschaften und Inhalte an die Öffentlichkeit zu tragen, aber auch um Entscheidungstragende zum Handeln aufzufordern. In den folgenden Auszügen beschreibe ich einige Meilensteine der Geschichte der IG Bildende Kunst – Entwicklungen, Kämpfe und Erfolge.
„Die Tätigkeit des BVÖ war von Anfang an eine eminent politische!“ [1]
IG Bildende Kunst wurde unter dem Namen „Freier Berufsverband der bildenden Künstler Österreichs zur Wahrung der wirtschaftlichen und sozialen Interessen (BVÖ)“ am 19. Oktober 1956 gegründet. Archivaufzeichnungen zufolge fand die konstituierende Generalversammlung im Künstlerhaus statt und endete mit einer Resolution gegen die Kürzung des Kulturbudgets. Ins Präsidium wurden Prof. Alfons Riedl als Präsident bzw. Prof. Viktor Slama und Prof. Carry Hauser als Vizepräsidenten gewählt. Letzterer erinnerte später an das damalig „starke Gefühl und das sehr reale Erkennen der Wichtigkeit kameradschaftlichen Zusammenhalts“ (Jubiläumsbroschüre 25 Jahre BVÖ, 1983). Wie kam es zu dieser Gründung? Zwei Jahre zuvor wurde in Österreich das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz (ASVG) beschlossen. Die für Künstler:innen kaum bis nicht leistbaren Beträge lösten Proteste aus. Es folgte die Gründung eines Aktionskomitees bildender Künstler:innen, dessen Einsatz die erste Gesetzesnovelle des ASVG erwirkte. Der Kampf um leistbare und angemessene Sozialversicherungsbeiträge bleibt weiterhin eines der zentralen Arbeitsfelder der Interessenvertretungsarbeit.
Schließen Sie sich daher in Ihrem Interesse dem Berufsverband an!“ [2]
In den ersten Jahren lag der Fokus auf der Vertretung der kulturellen, wirtschaftlichen und sozialen Interessen bildender Künstler:innen. Beratungen in allen wesentlichen Themen – Steuer, Urheber:innenrechte und vor allem Sozialversicherung – fanden bereits 1962 statt. Zentrale Aufgabe, damals wie heute, ist die Durchsetzung von „kulturpolitischen Maßnahmen, die umso leichter erreicht werden können, je mehr Einzelkräfte in einer geschlossenen Gruppe gemeinsam am Werke sind“. [3] In einem Aufruf zur Mitgliedschaft an die angehenden Diplomand:innen der Wiener Kunstuniversitäten wird die Relevanz der organisierten Gemeinschaft besonders hervorgehoben. Zu dieser Zeit wurde mit der Galerie an der Stubenbastei auch der erste Ausstellungsraum des BVÖ eröffnet. Die Ausstellungstätigkeit ist bis heute eines der wichtigen Instrumente, um die Öffentlichkeit zu erreichen und Inhalte nach außen zu tragen.
Gleichzeitig beteiligte sich der Vorstand des BVÖ aktiv an vielen kunstpolitischen Diskursen. Christa Hauer-Fruhmann, die erste Präsidentin des BVÖ (1979), erinnerte anlässlich des 25. Jubiläums des BVÖ an eine der wichtigsten Initiativen der späten 1970er Jahre, welche auf Anregung des damaligen BVÖ-Vorstands zum Politikum wurde. Es ging um die Umwidmung des Messepalasts in ein Kulturzentrum als Raum für zeitgenössische Kunst. Die Realisierung zog sich über mehr als zwei Jahrzehnte bis zur offiziellen Eröffnung des Museumsquartiers im Jahr 2001.
„Solidarisieren! Mitglied werden! Vorteile genießen!“ [4]
Im Jahr 2000 erfolgte die Umbenennung des BVÖ in IG Bildende Kunst, wobei die neue Bezeichnung „Interessengemeinschaft“ die Funktion der Organisation zusätzlich verdeutlichte. In einem innenpolitisch betrachtet turbulenten Jahr erkannte der damalige Vorstand schnell, welche Wichtigkeit die (Selbst-)Organisierung für die künstlerische Community hat und vor allem welche Handlungsmöglichkeiten gegenüber der Politik und in der Gesellschaft bestehen. Die neu eingerichtete Stelle für Kulturpolitik (ab 2016 Kunstpolitik) dient der Vernetzung auf Bundesebene mit anderen Interessengemeinschaften und fungiert als Verhandlungspartnerin bei politischen Entscheidungstragenden.
Einige der Arbeitsschwerpunkte, welche das Erscheinungsbild der IG Bildende Kunst in den Jahren zwischen 2000 und 2009 prägten und in denen sich die Interessenvertretung stark positionierte, sind Freiheit der Kunst und Bleiberecht für Alle, antirassistische Arbeit, Gleichstellung und feministische Politik, aber auch „Über Geld reden“, Solidarität mit der Bildungsprotestbewegung von 2009, sowie die verstärkte internationale Vernetzung als Teil der International Association of Art (IAA). Das Ausstellungsprogramm der Galerie IG Bildende Kunst orientierte sich an diesen Themen und zeigte verschiedene Projekte, die sich an der Schnittstelle zu Kunst, Aktivismus und gesellschaftlicher Kritik bewegten.
Eine ähnliche Ausrichtung erfuhr auch Bildpunkt, die Zeitschrift der IG Bildende Kunst, unter der Devise „Kunst, Theorie und Aktivismus“ nach dem Relaunch im Jahr 2005. Künstler:innen, Aktivist:innen und Theoretiker:innen werden eingeladen, zu einem bestimmten Themenschwerpunkt Beiträge zu verfassen, kombiniert mit drei künstlerischen Positionen (Bildstrecke, Mittelposter und Cover).
„Wir werden die Kunst schon schaukeln“ [5]
Eine der zentralen Forderungen der Interessenvertretung ist die Verbesserung der Arbeits- und Lebensbedingungen bildender Künstler:innen. Ein besonders wichtiges Thema ist die Vereinbarkeit von künstlerischem Beruf und Elternschaft. Wie sieht der Alltag der Kolleg:innen mit Kinderbetreuungspflichten aus, und was brauchen sie, um künstlerisch tätig zu bleiben oder eine Residency im Ausland anzutreten? Initiiert wurde der Arbeitsschwerpunkt Kunst & Kind 2013 von Hansel Sato und Sylvia Köchl. In regelmäßigen Workshops fand ein Austausch zwischen Kolleg:innen mit Kinderbetreuungspflichten statt, eine Mailingliste zu Vernetzung wurde eingerichtet. Zahlreiche Gespräche wurden mit Förderstellen geführt, um konkrete Lösungen etwa für Auslandsarbeitsaufenthalte von Künstler:innen mit Kindern zu finden und politische Entscheidungstragende für das Thema zu „sensibilisieren“.
„Pay the Artist Now!“ [6]
Als Fortsetzung und Weiterentwicklung des Arbeitsschwerpunkts „Über Geld reden“ fanden seit 2013 zahlreiche Diskussionsrunden, Frühstücksgespräche und Vernetzungstreffen statt. Im Austausch mit Interessenvertretungen außerhalb Österreichs wurde wertvolles Know-How gesammelt und es wurden internationale Allianzen geschlossen. Aufbauend auf der alten Tradition der sogenannten Gipfelkonferenzen – Treffen aller österreichischen Künstler:innenvereinigungen und Organisationen –, wurden 2018 (Wien) und 2020 (Innsbruck) zwei bundesweite Vernetzungstreffen durchgeführt, welche sich dem Thema faire Bezahlung in der bildenden Kunst widmeten. In Zusammenarbeit mit unterschiedlichen Verbänden, Vereinigungen, Vertreter:innen der unabhängigen Räume sowie einigen Ausstellungshäusern wurden Ideen gesammelt und konkrete Vorschläge zur Umsetzung eines Honorarkatalogs diskutiert. Im Rahmen dieses Prozesses wurde noch mehr deutlich, welche essentielle Rolle die Interessengemeinschaften und die informellen, selbstorganisierten Strukturen spielen und welches Potential der kollektive Kampf hat. Ein Ergebnis dieser langjährigen Arbeit ist der Leitfaden zu Honoraren in der bildenden Kunst, veröffentlicht im Sommer 2021. Ausgearbeitet wurde dieser von Vertreter:innen der IG Bildende Kunst und der Tiroler Künstler:innenschaft.
Der Kampf für angemessene Bezahlung, leistbare Arbeitsräume und die Verbesserung der sozialen und wirtschaftlichen Lage der bildenden Künstler:innen geht weiter. Was haben wir aus der Geschichte der IG Bildende Kunst und unseren letzten Erfahrungen gelernt? Erfolge werden am schönsten gefeiert, wenn sie zusammen mit Kolleg:innen, Bündnispartner:innen und Unterstützer:innen getragen werden. Schließen Sie sich daher in Ihrem Interesse der Interessengemeinschaft an!
Vasilena Gankovska ist bildende Künstlerin und seit 2012 Vorstandsmitglied der IG Bildende Kunst.
[1] Aus der Jubiläumsbroschüre „25 Jahre BVÖ“ (1983, BVÖ, Hg.)
[2] Mitgliederwerbung, 1962, Archiv BVÖ/IG Bildende Kunst
[3] Mitgliederwerbung, 1962 Archiv BVÖ/IG Bildende Kunst
[4] Mitgliederwerbung, IG Bildende Kunst
[5] Slogan zum Arbeitsschwerpunkt „Kunst und Kind“
[6] Slogan zum Arbeitsschwerpunkt „Kunst und Geld“