Der Ausnahmezustand ist für manche ein Einnahmezustand. Auch wenn das Faustrecht unternehmerischer Freiheit kurzfristig zugunsten von dirigistischem Protektionismus ausgesetzt scheint, gilt die Faustregel: Jede Krise, die keine Neuordnung von Reichtumsverteilungsgrundlagen bringt, wirkt sich grosso modo als Enteignung vieler zugunsten weniger bislang schon Besitzender aus. (Und die jetzt ausbezahlten Notgroschen sind bloß parodistische Zitate eines Sozialstaatswesens, wie es einst in historischen Kompromissen, vor der Drohkulisse der Arbeiter*innenbewegung, dem Kapital abgerungen wurde.) Was politische Facetten (und faschistische Spassettln) von Österreichs Corona-Ausnahmezustand 2020 betrifft, so seien zwei Fälle von Austronamenszustand beleuchtet: zwei Äußerungen von Macht im Namen Österreichs. Erstens das Abspielen der Bundeszweithymne „I Am From Austria“ zur Zeit der Ausgangssperre kraft erlauchter Erlässe. Der Instant-Brauch, um 18 Uhr Selbstbehauptungsmusik aus Wohnräumen zu spielen, war eine Mutation der Applausdanksagung an Verkaufs- und Pflegepersonal (womit Lohnforderungen, Kritik an Kindergeldkürzungen für unösterreichische Kräfte und ein Aufmucken von Frauen* übertönt wurden). Rainhard Fendrichs Heimatbekenntnisballade drang täglich aus manchem Wohnblock und aus vielen Polizeiautos. Im Normalzustand ruft man in Wien die Funkstraff, wenn im Haus laute Musik läuft; nun beteiligten sich, straff organisiert, Funkstreifenwagen – nachdem sie Ausgangsverbotsfrevler*innen von den Gehsteigen geplärrt hatten – am Musikeinsatz; oder sie waren dessen Modell, sprich, in Quarantäne spielte eine von der Regierung zurecht als brav gelobte Bevölkerung nach, was die Polizei vorspielte – dieses eine Stück Liedleitkultur, immer wieder „Ich bin aus Österreich“. Das Faktum, from Austria zu sein, ist an sich trivial (weil in Österreich weit verbreitet); wird es aber so oft so polizeilich betont, erhält diese Benennung ihren Sinn als Machteffekt: als Einforderung volksgemeinschaftlicher Zugehörigkeit, die impliziert, dass da ja auch welche nicht dazugehören. Dies in einem Land, dessen Kanzler Leute, die ohne Ö im Pass hier leben, beharrlich nicht mit anspricht und die Aufnahme auch nur eines/einer Geflüchteten aus Lagern im Süden der EU verweigert. (Es sei denn, Hereingeholte verbüßen ihre Quarantäne mit Erntehilfe, wie im Gast- und Ostfremdarbeiter-Einsatz von einst.) Unmutsgefühle gärten nur wegen der Gärten. Fall 2 ist feudal: In Wien (wo’s an Fleiß und Gehorsam doch manchmal mangelt) wurde gemurrt, als die Bundesregierung Parks und Gärten für die Öffentlichkeit sperrte, die dem Bund gehören, zum Teil einst Besitz von Hof & Adel waren (Schönbrunn, Augarten). Die Getreuen des Erlass-Erlösers begründeten dies mit Ansteckunsgefahr. Das wurde oft widerlegt und die Sperre als Schikane im Namen der Bundeshoheit gegen das restrote Wien gedeutet. Dabei war die Gartensperre wesentlich für die Inthronisierung einer Souveränität, die sich dadurch definiert, dass sie über den Ausnahmezustand entscheidet – über das Aussetzen bürgerlicher Rechte und rationaler Vernunftbegründungen. Einzig dadurch, dass die Sperre keinen vernünftigen Grund hatte, konnte sie der Noch-Republik eine Köstingerprobe genuin souveräner Macht bieten, die nur sich selbst und ihrer Reichweite verpflichtet ist.
Drehli Robnik schreibt zu Politik, Film, Theorie und Philosophie des AnstecKKinos (Neofelis Verlag, Juni 2020).