Im Rahmen der Vorbereitungen für die Ausstellung Into the Space in der Galerie IG Bildende Kunst in Wien führte der Kurator Günther Oberhollenzer mit der Künstlerin Judith Saupper ein Gespräch.
G.O.: Deine multimedialen Arbeiten kreisen um Raumerfahrung, Landschaft und Heimat, Architektur, Stadtentwicklung und urbane Strukturen. Wie findest du deine Themen?
J.S.: Meist sind es Probleme, Unklarheiten, Konflikte die mich beschäftigen. Durch die Auseinandersetzung mit ihnen entstehen dann Ideen für künstlerische Konzepte.
G.O.: Du arbeitest interdisziplinär und medienübergreifend. Woher kommt deine Faszination an Architekturmodellen, kartographischen Zeichnungen und bühnenartigen Settings?
J.S.: Ich sehe die Architektur als unsere zweite Haut: Sie beeinflusst uns weit mehr, als uns bewusst ist. Durch verkleinerte Modelle ist die Immersion leichter als in 1:1 Modellen: Man hat den kompletten Überblick über einen Raum, ist sozusagen Herr der Lage und ist ihm nicht ausgeliefert. Die kartographischen Zeichnungen sind oft ein Versuch den Raum auf dem Blatt zu zeigen, eine Art Grundriss.
G.O.: Du baust und entwickelst Räume, Schauplätze für mögliche Geschichten. Wie möchtest du, dass Besucherinnen und Besucher deiner Arbeit begegnen?
J.S.: Ich versuche bei meinen Arbeiten immer offene Stellen zu lassen: Wenn Besucherinnen und Besucher dann Lust bekommen, sich auf meine Geschichten / Settings einzulassen und sie weiterdenken, freue ich mich nicht nur, sondern ist das auch Teil meines Konzeptes. Mir gefällt die Vorstellung, dass Ideen so weitergesponnen und verbreitet werden.
G.O.: Wie näherst du dich einem neu zu bespielenden Raum, wie nun in der Galerie IG Bildende Kunst in Wien? Was planst du für diese Ausstellung?
J.S.: Die idealste Herangehensweise an einen Raum ist die, dass man erst im Raum eine Idee entwickelt. Meist ist das aus Zeitgründen aber nicht möglich und das künstlerische Konzept steht schon, bevor ein Raum gefunden wurde. Für die Galerie IG Bildende Kunst erarbeite ich einen Städtevergleich der auf der Bevölkerungsdichte, der Obdachlosigkeit und der Überbelegungsquote einzelner Städte basiert. Ich versuche New York, Bukarest, Berlin und Wien anhand von Zeichnungen, Objekten und Geräuschcollagen miteinander vergleichbar zu machen. Ich werde sehen, ob mein persönlicher Zugang zu diesen Städten sich in den objektiven Messungen widerspiegelt bzw. die Besucherinnen und Besucher ihre Stadtwahrnehmung darin wiederfinden. Ich finde es sehr reizvoll, Probleme der Architektur und des Zusammenlebens in eine optisch ansprechende Form zu setzen: Die Problematik wird erst auf den zweiten Blick sichtbar.
G.O.: Deine Arbeit basiert auf intensiver Recherche und Forschungsarbeit, die Werke lassen in der Optik bisweilen an wissenschaftliche Untersuchungen denken. Wie siehst du das Verhältnis von Wissenschaft und Kunst?
J.S.: Mir passiert es immer wieder, dass wissenschaftliche Arbeiten mich inspirieren. Die Wissenschaft ist ein System der Erkenntnisse und kausalen Zusammenhänge. Sie sucht nach Gesetzmäßig – keiten und will Vorhersagen treffen. Die Wissenschaft bildet Hypothesen und überprüft sie. Die Kunst hat keine Verpflichtung zu Objektivität und Wahrheit und darf Hypothesen in den Raum stellen und deren Überprüfung dem Publikum überlassen. Frei nach Elias Canetti: In der Kunst ist eine gut erzählte Unwahrheit eine Geschichte und keine Lüge.
Die österreichische Künstlerin Judith Saupper wurde zusammen mit der australischen Künstlerin Helen Grogan (Stipendiatin von AIR—Artist in Residence Niederösterreich in Krems) eingeladen, den Raum der Galerie IG Bildende Kunst in Wien zu gestalten. Günther Oberhollenzer (Kurator der Landesgalerie Niederösterreich und des AIR-Programms) betreut das Ausstellungsprojekt.